Seit dem 1. November stehen die KollegInnen in Hamburg und Rotenburg (Wümme) vor den Werkstoren des Verpackungsmittelherstellers. Der Arbeitgeber versucht mit allen Mitteln, die Gewerkschaft aus seinem Betrieb rauszuhalten.
von Sebastian Rave, Bremen
Jahrelang waren die KollegInnen von der Gunst ihres Arbeitgebers abhängig, wenn es um die Bezahlung ging. Es galten undurchsichtige Nasenprämien. Wer sich wehrte, bekam Probleme: Schon vor dem Streik wurde dem Betriebsratsvorsitzenden zweimal fristlos gekündigt – die Gewerkschaft konnte beide Male eine Rücknahme vor Gericht erstreiten.
Als die Gewerkschaft IG BCE dann zum Streik für einen Haustarifvertrag für höhere Gehälter und gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit aufrief, kam die Antwort der Inhaberfamilie Krüger prompt: Noch am gleichen Tag wurden Streikbrecher extra aus Polen angekarrt; Leiharbeiter, die angeblich die Produktionsspitzen des Weihnachtsgeschäftes auffangen sollten. Sogar das Arbeitsgericht musste feststellen, dass die Praxis, Leiharbeiter gegen einen Streik zu nutzen, nicht rechtmäßig ist. Also wurden kurzerhand befristete Arbeitsverträge für die bis zu 50 polnischen Arbeitskräfte geschrieben. Die Produktion konnte so weiterlaufen, wenn auch auf niedrigerem Niveau.
Was tun gegen Streikbrecher?
Eine ursprüngliche Funktion von Streikposten besteht darin, Streikbrecher an der Arbeit zu hindern. Die deutsche Rechtsprechung verbietet aber, Arbeitswillige von der Arbeit abzuhalten. Das einzige, was Arbeitsrichter in Deutschland Streikenden zugestehen, sind Diskussionen vor dem Werkstor. Selbst das war aber Neupack zu viel: Der Arbeitgeber klagte dagegen, dass Streikbrecher 30 Minuten aufgehalten wurden. Das Arbeitsgericht in Hamburg entschied: Ganze 15 Minuten haben Streikposten, um mit den Arbeitswilligen zu diskutieren – und Hamburgs Polizeiknüppel setzten diese Vorgabe auch mit aller Härte durch. Trotz aller Appelle an die Solidarität mit Solidarność-Fahne am Werkstor und Flugblättern auf deutsch und polnisch wurde der Streik leider weiter unterlaufen.
Klassenkampf von oben
Nach über zwei Monaten Streik war klar, dass man den Unternehmer nicht empfindlich genug trifft. Mit der Hoffnung, dass dem Arbeitgeber eine doppelte Belegschaft zu teuer werden würde und man Chaos im Personalplan stiften könne, schickte die Streikleitung die streikenden KollegInnen kurzerhand wieder rein. Nach einigen Tagen wurde der Streik wieder aufgenommen, wieder kurz ausgesetzt, wieder aufgenommen. Dem Arbeitgeber scheint diese „neue“ Taktik nicht geschadet zu haben, im Gegenteil.
Die Verantwortlichen von der Gewerkschaft müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, mit der „Flexi-Streik-Taktik“ dem Streik einen Bärendienst erwiesen zu haben: Die Lager sind wieder gefüllt, die Maschinen von den erfahrenen Maschinenführern wieder richtig eingestellt und einige KollegInnen (wenn auch wenige) wurden vom Arbeitgeber erfolgreich unter Druck gesetzt und blieben drinnen.
Trotzdem bleibt festzustellen: Der Kampfeswille der KollegInnen ist ungebrochen. Über die Bedeutung, die ein Sieg des Streiks für Millionen Beschäftigte in ähnlichen Betrieben hätte, sind sich die KollegInnen ebenfalls im Klaren.
Statt immer wieder die „Sozialpartnerschaft“ zu betonen, wäre es angebracht, die Anstrengungen für Öffentlichkeits- und Solidaritätsarbeit weiter zu verstärken, noch intensiver den Schulterschluss mit anderen in Auseinandersetzungen stehenden Belegschaften zu suchen und den Druck auf die Führung aller DGB-Gewerkschaften zu erhöhen, Unterstützung zu leisten. Das wäre ein erster Schritt, um den Krüger-Clan weiter unter Druck zu setzen.