Österreich: Ende der FPÖ/ÖVP-Regierung

Neuwahlen: Zu früh zum Feiern!
Jetzt sozialistische Alternative aufbauen!

Die seit ihren Anfängen instabile Regierung in Österreich ist zerbrochen – aber was kommt nach den Neuwahlen? Der rechtsextrem-populistische Flügel in der FPÖ ist gestärkt, eine künftige Regierung wird sich den selben „Sachzwängen“ beugen.

von Sonja Grusch, Sozialistische Linkspartei (Schwesterpartei der SAV in Österreich)

Die Gründe für die Krise der FPÖ hat die SLP vor über einem Jahr zusammengefasst: „Die FPÖ steht unter verschiedenen Drücken und Spannungen. Zwischen der neoliberalen Politik, für die sie an sich steht und für die sie auch von Seiten der Wirtschaft unterstützt wird, und ihren WählerInnen, die zu einem grossen Teil eben jene ,kleinen Leute‘ sind, für die sie sich einzusetzen behauptet, die aber die ersten Opfer von Sozialabbau sind. Zwischen jenem Teil der FPÖ, der sich als ,reife‘ regierungsfähige Partei präsentieren will, um sich auf diesem Weg als ernstzunehmender politischer Partner für die Wirtschaft zu beweisen und jenen, die weiter einen scharen Oppositionskurs fahren wollen und den Populismus als Hauptelement ihrer Arbeit nutzen. Zwischen jenen, die sich als seriöse, rechte, aber bürgerliche Partei präsentieren wollen und jenen, die noch unter dem Druck des rechtsextremen/faschistischen Lagers stehen, was sich in diversen ,Sagern‘ ausdrückt. Zwischen jenen, die eine zentralistisch geführte Partei wollen und den Landespolitikern, die in ihrem Einflussbereich die Macht selbst wollen.“
Verschärft hat sich dieser Konflikt vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Rezession in Österreich und international. Vor einem Jahr waren Maßnahmen der Marke „Mit einer Hand geben und mit der anderen mehr nehmen“ noch möglich.
Nun aber hat die Rezession die Spielräume für das „Geben“ der Regierung weiter verringert. Die FPÖ sieht sich mit massivem Unmut in ihrem WählerInnenklientel, Wahlniederlagen und schlechten Umfragewerten konfrontiert. Nachdem auch noch die Steuerreform verschoben wurde, kam es in der FPÖ zum großen Krach. Die Steuerreform wäre ebenfalls eine Maßnahme gewesen, die in Summe Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse in Form von Sozialabbau bedeutet hätte; jedoch kombiniert mit kleinen Verbesserungen in Form der steuerlichen Entlastung bei kleinen Einkommen. Auch wenn die Persönlichkeit von Jörg Haider ein Element in diesem Konflikt sein mag; im Zentrum steht der Konflikt zwischen den PragmatikerInnen und den PopulistInnen, damit der große Teil der FPÖ-FunktionärInnen.

Kein automatisches Ende des Rechtsextremismus!

Der Rücktritt von Riess-Passer, Grasser und Westenthaler bedeutet einen weiteren Rechtsruck der FPÖ. Dass gerade NS-Verharmloser Stadler federführend war, ist dafür ebenso ein Indiz, wie die Tatsache, dass sich bekannte Rechtsaußen wie Windholz, Achatz, Strache voll hinter Haider stellen. Die Hoffnung, dass sich das Problem FPÖ von selbst und durch die interne Krise lösen könnte, ist trügerisch. Haider wird versuchen, ein Bild zu zeichnen, in dem Riess-Passer & Co. die Partei in der Regierung auf einen falschen Weg geführt habe und dass er nun nicht mehr anders könne, als diese Verräter am Wähler zu beseitigen. Aber jetzt wird ER sich wie früher „für die Ehrlichen und Anständigen“ einsetzen. Die SLP hat schon vor längerem analysiert, dass Enttäuschung über die Regierungspolitik der FPÖ zum Entstehen einer noch weiter rechts stehenden Formation führen könnte. Gerade das werden wir in den kommenden Monaten mit dieser FPÖ-„Neu=Echt“ sehen. Kernthemen von Haider werden als Wahlzuckerl die Steuerreform sein sowie Sicherheitsthemen angelehnt an die Grazer Bürgerwehr sowie eine rassistische und nationalistische „Österreich zuerst“-Politik, gegen Flüchtlinge, ImmigrantInnen und gegen die Tschechische Republik.
Haiders Veto-Forderung gegen den EU-Beitritt der Tschechiens war der Grund für den Koalitionsbruch von Seiten der ÖVP. Schüssel war in den letzten zwei Jahren bereit, der FPÖ große Zugeständnisse zu machen, um Kanzler zu bleiben. Die wirtschaftlichen Probleme und die soziale Krise machen Rassismus zu einem fixen Bestandteil bürgerlicher Politik, wie die EU-Offensive gegen ZuwanderInnen zeigt. Die Regierungsbeteiligung einer Partei wie der FPÖ ist kein Ausrutscher gewesen.

DIE FPÖ UND PROJEKTE DES EU-KAPITALS

Die EU-Osterweiterung ist eines der zentralen Projekte der europäischen und österreichischen Bourgeoisie. Im Falle eines FPÖ-Vetos hat Schüssel erklärt: „Dann geht nichts mehr.“ Indem die FPÖ die nationalistische und Anti-EU-Karte ausspielt, macht sie sich als Regierungspartner für nach den Neuwahlen unwahrscheinlicher. Längerfristig hofft Haider, genau dadurch wieder Stimmen zu
gewinnen und ein Machtfaktor zu werden, ohne den nichts mehr geht. Der Wiederaufstieg Haiders wird kein linearer sein. Er kann und muß durch die sich entwickelnden Klassenkämpfe und den Aufbau einer sozialistischen Alternative verhindert werden!

Neuwahlen und WIderstand

Die ÖVP hat sich für Neuwahlen entschieden. Diese werden im kommenden November stattfinden. Für viele, die gegen Blau-Schwarz protestiert haben, stellt sich eine ‘Qual der Wahl‘. Wobei es nicht zuviele, sondern zuwenig bzw. gar keine Auswahl gibt. Was würde eine gestärkte SPÖ bedeuten? Eine Option sowohl für rosa-schwarz, als auch für rosa-grün. In beiden Fällen ist das Regierungsprogramm eine Drohung für ArbeitnehmerInnen, Arbeitslose und Jugendliche. Die SPÖ sieht sich als die bessere Partei der Wirtschaft und steht ebenso für neoliberale Politik wie Blau-Schwarz.
Die Grünen mögen sich zwar in einigen gesellschaftspolitischen Fragen links von der SPÖ positionieren, aber bei der Wirtschaftspolitik gibt es klare Signale Richtung ÖVP. Und angesichts der FPÖ-Krise fiel Grünen-Boss Van der Bellen nur ein, Riess-Passer gegenüber großen Respekt auszudrücken! Die rosa-grüne Regierung in Deutschland hat in ihrer Politik gegenüber PensionistInnen und gegenüber Arbeitslosen Blau-Schwarz rechts überholt.
Zur Erinnerung: das Regierungsprogramm der FPÖVP-Regierung wurde fast vollständig von jenem geplatzten Deal übernommen, dass SPÖ und ÖVP zuvor ausgehandelt hatten. Das AusländerInnenwahlrecht – im Wiener Wahlkampf 2001 ein Versuch der SPÖ, den Grünen linke Stimmen abzunehmen – gibt es in Wien immer noch nicht.
Diese Neuwahlen werden das Problem von rassistischer und Sozialabbau-Politik nicht lösen. Deswegen wäre es auch fatal, wenn die Gewerkschaften ihre geplanten Proteste mit Verweis auf Neuwahlen absagen würden. Schon in der Vergangenheit hat die Gewerkschaftsbürokratie auf eine Regierung mit SPÖ-Beteiligung verwiesen, um Verbesserungen zu erreichen. Und genau diese SPÖ-Regierungen haben für uns alle Veschlechterungen und sogar Blau-Schwarz gebracht.

Gewerkschaft in die Offensive

Von verschiedenen Teilen des ÖGB gibt es Ankündigungen zu Protesten. Im Öffentlichen Dienst hat Neugebauer für die Zeit rund um die Budgetrede (bisheriger Termin: 9.10.) sogar Streiks angekündigt. Der Verkauf des Postbusses an die ÖBB und seine Privatisierung ist über die Bühne gegangen – nicht einmal „Arbeitsplatzgarantien“ gibt es. In der ersten Jahreshälfte haben die Beschäftigten bei den Postbussen ihre Kampfbereitschaft in zwei Streiks bewiesen.
Weitere Schritte werden diskutiert. Bei den EisenbahnerInnen gibt es großen Unmut über die haltlosen ‘Privilegien‘vorwürfe durch die Unternehmensleitung. Beim Antritt der blau-schwarzen Regierung hat der ÖGB immer auf später vertröstet. Das klare Votum der Urabstimmung 2001 für Kampfmaßnahmen wurde ignoriert. Es ist endlich nötig, schon VOR der Wahl allen Parteien zu zeigen, dass sich die ArbeiterInnenschaft nicht alles gefallen lassen. Der ÖGB sollte die Gunst der Stunde nutzen und zu einem 1-tägigen Generalstreik gegen Privatisierungen und Sozialabbau aufrufen.

WEN ODER WAS WÄHLEN?

Für Viele stellt sich die Frage: „Wen wählen?“. Bei den kommenden Wahlen wäre die Kandidatur einer wirklichen sozialistischen Alternative notwendig. Die SPÖ ist nicht das ‘kleinere Übel‘, sondern jene Partei, die die politische Verantwortung für den Aufstieg der FPÖ trägt. Die Privatisierungspolitik der 80er Jahre und der massive Sozialabbau in den 90er Jahren, kombiniert mit ausländerInnenfeindlichen Gesetzen (alles unter der Führung der SPÖ) waren die Grundlage, auf der Haider mächtig wurde. Ein Wahlsieg der SPÖ oder gestärkte Grüne werden das Problem Haider nicht lösen. In Italien wurde Berlusconis extrem rechte Regierung 1994 durch das „mitte-links“ Olivenbaumbündnis abgelöst. Diese Regierung setzte den Sozialabbau fort, vernichtete 2 Millionen Arbeitsplätze. 2001 kehrte Berlusconi gestärkt und mit einer noch rechteren Regierung zurück. Wie in Italien würde eine rosa-grüne Regierung die direkte Regierungsbeteiligung der rechtsextremen FPÖ bestenfalls hinauszögern und längerfristig zu ihrer Stärkung beitragen.

Jetzt aktiv werden

In Österreich haben sich mit dem Regierungsantritt von Blau-Schwarz Hunderttausende an Protesten beteiligt. Sie waren nicht erfolgreich, weil es nicht gelungen ist, die Gewerkschaften in die Bewegung zu ziehen und die AktivistInnen in einer echten Alternative zu organisieren. Wäre das damals gelungen,
ständen heute eher sozialistische KandidatInnen zur Wahl. Der Aufbau einer neuen sozialistischen ArbeiterInnenpartei wird immer dringender. Kämpfe der ArbeiterInnenklasse werden ein wichtiger Schritt bei ihrer Entstehung sein. Damals waren SchülerInnen und Studierende, ArbeitnehmerInnen aus verschiedenen Bereichen, Jugendliche und ImmigrantInnen aktiv – und sind auch heute jene, die Widerstand organisieren können.
Wir können jetzt noch nicht feiern: „es“ ist nicht „vorbei“. Denn welche Regierung auch immer nach den Neuwahlen ans Ruder kommt; an der Politik wird sich bei den vorhandenen Parteien im Wesentlichen nichts ändern. Daher: in den Schulen, an der Uni, in den Büros und Betrieben jetzt aktiv werden und eine sozialistische Alternative aufbauen!
Auch für die Wahlebene ist eine echte Alternative zu den etablierten Parteien nötig. Die SLP stellt sich diese Frage konkret. Um den Rechtsextremismus zu stoppen, braucht es einen Bruch mit dem System, das auf der Ausbeutung von Menschen beruht und sich an der Profitlogik orientiert. SPÖ und Grüne sind dazu nicht bereit.
Die SLP ist eine sozialistische Partei und Teil des Komitees für eine ArbeiterInnen-Internationale (KAI/CWI); aktiv für eine sozialistische Welt in 37 Ländern auf allen Kontinenten. Wir haben im Jahr 2000 darauf hingewiesen, dass es vor allem ein Kampf gegen das Programm von FPÖVP ist. Dieser Kampf geht weiter. Diskussionen, Kundgebungen, Demonstrationen und Streiks stehen auf der Tagesordnung.
Alle jene, die nicht das ‘kleinere Übel‘ wählen, sondern den Kampf fortführen und eine sozialistische Alternative aufbauen wollen, können und sollen dies gemeinsam mit der SLP tun. Jetzt Mitglied bei der SLP werden!

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