Absurde Murkswirtschaft: Krisen aus Überfluss

Die Weltwirtschaftskrise zeigt die Unfähigkeit des Kapitalismus die Bedürfnisse der Menschheit zu befriedigen Autos auf Halde, Handys unverkäuflich, der Einzelhandel überbietet sich mit Rabatt-Aktionen – die Symptome der derzeitigen Wirtschaftskrise äußern sich in unverkäuflicher Überschuss-Ware. Krisen nicht aus Mangel, sondern aus Überfluss hat es in keiner anderen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung außer im Kapitalismus gegeben. Woher kommen solche Krisen?

von Angela Bankert, Köln

 
In der kapitalistischen Marktwirtschaft geht es allein um die höchstmögliche Verwertung des eingesetzten Kapitals in Konkurrenz zu anderen Unternehmen.
Jedes Einzelunternehmen versucht, möglichst viel zu verkaufen und baut dabei Kapazitäten auf, um mit Wachstum die Profite zu steigern. Das denkt und tut der Konkurrent allerdings ganz genauso. Insgesamt wird daher zuviel produziert und Überkapazitäten aufgebaut (natürlich gemessen an der begrenzten kaufkräftigen Nachfrage, nicht gemessen an den Bedürfnissen).
Das weiß auch jedes einzelne Unternehmen, Absatz-Statistik und Marktforschung geben Auskunft über das gesamte Marktvolumen. Jedes Unternehmen hofft aber, dabei besser weg zu kommen als die Konkurrenz, frei nach dem Motto eines ehemaligen BMW-Managers: „Sicher gibt es zu viele Autos auf der Welt, aber zu wenige BMW“.

Überkapazitäten

Überproduktion gibt es in der gesamten Weltwirtschaft. Die US-Industrie insge-samt verzeichnet derzeit nur noch einen Auslastungsgrad von 76 Prozent. Rund ein Drittel der Kapazitäten der internationalen Auto-Industrie zum Beispiel liegt brach. Und das obwohl zwischen 1980 und 1994 allein in den USA 32 Montagewerke für Kraftfahrzeuge geschlossen und fast sechs Millionen Einheiten Produktionskapazität stillgelegt wurden.
Auch der Hintergrund des derzeitigen Handelskonflikts in der Stahlindustrie zwischen den USA und der EU sind die Überkapazitäten. Die OECD (eine Organisation der führenden Industrienationen) geht für dieses Jahr von einer theoretischen Rohstahl-Kapazität von weltweit 1,07 Milliarden Jahrestonnen aus. Ausgelastet sind sie jedoch laut der Vereinigung der US-Stahlproduzenten nur zu rund 70 Prozent. Der Kampf geht nun darum, wer den Konkurrenzkampf überlebt.
Überkapazitäten entstehen nicht nur in der Industrie, sondern in allen Bereichen, die markt- und warenförmig organisiert sind, zum Beispiel auch im Dienstleistungsbereich.

Profitraten

Überproduktion heißt auch Überproduktion von Kapital, sei es nun Sachkapital, Geldkapital oder das Kapital, das in Form von Löhnen und Gehältern für ArbeitnehmerInnen ausgelegt ist. Die Massenarbeitslosigkeit wiederspiegelt auch auf diesem Markt das „Überangebot“ an arbeitsfähigen Menschen.
Es wird Kapital aufgehäuft, das keine genügend profitablen Anlagemöglichkeiten mehr findet. Daher die Aufblähung der Finanzmärkte, die Globalisierung der Jagd nach Märkten und Anlagemöglichkeiten, der Druck Richtung Privatisierung profitabler Bereiche von staatlichen (und damit dem Markt entzogenen) Einrichtungen und Dienstleitungen.
Im technologischen Wettlauf um die Marktführerschaft werden die Investitionskosten für neue Anlagen immer höher.
Menschliche Arbeitskraft, die allein neue Werte schafft, wird dabei zunehmend eingespart.
Die Profite geraten von zwei Seiten unter Druck:
– steigende Investitionskosten bei geringerer Wertschöpfung einerseits
– schlechtere Absatzaussichten anderer-seits, denn die kaufkräftige Nachfrage (nur um diese geht es im Kapitalismus) kann mit dem wachsenden Güteraustoß nicht mithalten. Die Überproduktion drückt auf Absatz, Preise und Gewinnspannen.
Längerfristig sinken dadurch die Profitraten tendenziell, das heißt die Verzinsung des in der Warenproduktion eingesetzten Kapitals.
In der akuten Krise wird Kapital entwertet: durch Vernichtung oder Brachliegen von Produktionskapazitäten, Konkurse, Entlassungen, Entwertung (Verbilligung) von Produkten, Absenken der Reallöhne, parallel dazu auch Vernichtung von Vermögenswerten wie Aktien und Immobilien. Zurück bleiben Industriewüsten, millionenfach Arbeitslose und vernichtete Existenzen.
Wenn sich dadurch die Profitaussichten wieder verbessert haben, beginnt ein neuer Konjunkturzyklus. Das zugrunde liegende Problem, dass immer wieder neue Überkapazitäten aufgebaut werden, wird nicht gelöst und kann auch im Rahmen des Kapitalismus nicht gelöst werden. Die Wirtschaftskrisen sind nur zu verhindern, wenn der Konkurrenz- und Profitmechanismus des Kapitalismus ausgehebelt wird. Dies geht nur, wenn das Privateigentum an den Produktionsmitteln aufgehoben wird. Erst dann kann die Gesellschaft das wirtschaftliche Geschehen kontrollieren und im Interesse von Mensch und Umwelt demokratisch planen.