Die neuen Richtlinien der Bundeswehr erlauben weltweite Angriffskriege
von Stefan Hammelstein, Köln
Um bei der Neuaufteilung der Welt mithalten zu können, wird die Bundeswehr hochgerüstet und bekommt neue Aufgaben. Kriege auf der ganzen Welt werden ihr genauso erleichtert wie der Einsatz im Landesinneren.
„Deutschland wird in Zukunft auch am Hindukusch verteidigt“ – wahrscheinlich hat sich Verteidigungsminister Peter Struck schon oft gewünscht, er hätte den Kritikern der Bundeswehr-Reform kein so griffiges Zitat geliefert. Allerdings braucht es solche verbalen Schnellschüsse nicht, um zu erkennen, dass die Bundeswehr für globale Einsätze ausgebaut wird. Die treibende Frage ist dabei: Wie rechtfertige ich einen Einsatz und damit einen Krieg, wenn mich niemand angreift? Bereits die Haltung der Bundesregierung im Irak-Krieg hat gezeigt, dass das Verbot eines Angriffskrieges im Grundgesetz das Papier nicht wert ist, auf dem es gedruckt steht: Von Militärbasen in Deutschland und vom deutschen Luftraum aus konnten US- und britische Truppen ihre Schläge gegen den Irak organisieren.
Ehrlicher sind die Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundeswehr. Schon die alten Richtlinien von 1992 betonten, eines der wichtigsten Ziele der Bundeswehr sei die „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt“. Die Verhinderung von Rohstofflieferungen kann einen Krieg rechtfertigen.
Krieg als „Krisenvorsorge“
Aber selbst diese Richtlinien werden zur Zeit überarbeitet und verschärft. Die endgültige Neufassung soll noch im Mai dem Kabinett vorgestellt und in den nächsten Monaten veröffentlicht werden. In seinem Entwurf spricht Struck offen von der „frühzeitigen Anwendung militärischer Maßnahmen zur politischen Krisenvorsorge“. Damit werden Präventivkriege zur offiziellen Strategie der Bundeswehr. In den USA ist das gleiche Konzept Teil der „National Security Strategy“ und diente als Rechtfertigung für den Irak-Krieg.
Die Landesverteidigung spielt dagegen keine Rolle mehr. Sie wird, so Struck, „angesichts des neuen internationalen Umfeldes nicht länger benötigt.“
Für Einsätze auf der ganzen Welt soll es keinerlei Begrenzungen geben, denn schließlich gilt: „Der politische Zweck bestimmt Ziel, Ort, Dauer und Art eines Einsatzes“. Um solche Kriege leichter führen zu können, wird die Bundesregierung im Laufe des Jahres ein Entsendegesetz einbringen. Demnach soll der Bundestag in Zukunft nur noch über die Entsendung von Soldaten abstimmen – die Verlängerung eines Mandats wäre dann allein Sache der Regierung, die parlamentarische Kontrolle ausgeschaltet.
Wirtschaftliche Gründe
Die Bekämpfung terroristischer Gruppen wie al-Qaida ist nur ein vorgeschobener Grund für eine solche Haltung. Schließlich sorgt jeder neue Krieg, wie jetzt im Irak, für neuen Hass in der Bevölkerung und droht damit, gerade terroristischen Organisationen neuen Zulauf zu liefern. Vielmehr geht es der deutschen Wirtschaft darum, ein Wort bei der Neuaufteilung der Welt mitzureden.
Auch im Inneren soll die Bundeswehr, wenn es nach Strucks Entwürfen geht, verstärkt eingesetzt werden „zum Schutz der Bevölkerung und lebenswichtiger Infrastruktur des Landes vor terroristischen und asymmetrischen Bedrohungen“. Asymmetrisch sind alle Bedrohungen, die nicht von einer annähernd gleichstarken Armee ausgehen – vielleicht auch streikende ArbeiterInnen, die „lebenswichtige“ Fabriken besetzen?
Aus dem Verteidigungsministerium heißt es, dass dieser Teil des Entwurfs entschärft werde – was das konkret heißt, wird sich bald zeigen.