Streik ausweiten statt klein beigeben

Flugblatt der SAV zum Metallstreik in Ostdeutschland vom 25. Juni 2003
 

Die Berliner BZ hetzte: „Metaller außer Rand und Band.“ Arbeitgeber-Vertreter Kannegießer tönte, dass der Streik „absurd“ sei. Beim Dresdener Autozulieferer Federal Mogul ließen die Unternehmer Streikbrecher per Hubschrauber einfliegen. Gleichzeitig ergriffen die Gerichte Partei gegen die Gewerkschaften, in dem sie dem IG Metall-Vorsitzenden Zwickel drei Monate Haft androhten.

Das Arbeitgeberlager will ein Exempel statuieren. Es geht nicht mehr nur um die Einführung der 35-Stunden-Woche, es geht auch um die Verteidigung des Streikrechts, um das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit und es geht darum, die Unternehmeroffensive und den Sozialkahlschlag von Schröder und der ganzen Politikerbande zu stoppen.

Keine faulen Kompromisse

Der Streik steht auf der Kippe. Um eine Niederlage abzuwenden, müssen sofort ein paar Schippen draufgelegt werden. Nötig ist eine Ausdehnung des Streiks, um den Druck auf die Unternehmer zu erhöhen. Die Politik von Klaus Zwickel und der IG Metall-Führung geht leider in die völlig falsche Richtung. Wenn wir den Herren in den Chefetagen den kleinen Finger geben, dann nehmen sie die ganze Hand. Darum ist es ein Fehler, dass Zwickel einen Betrieb wie ZF Brandenburg gerade dann aus dem Streik rausnimmt, wenn die Arbeitsniederlegung einen Konzern wie BMW ökonomisch trifft. Es ist auch ein Fehler, dass die IGM-Spitze über den Abschluss von Haustarifverträgen die Streikfront bröckeln lässt. Und es ist daneben, dass Zwickel mitten im Arbeitskampf das Streikziel in Frage stellt, wenn er vorschlägt, die drei Stunden auch für Qualifizierungsmaßnahmen zu verwenden.

Ein Erfolg im Metaller-Streik wäre ein Erfolg für alle KollegInnen in Ost und West

Mit der Angleichung der Ost-Arbeitszeit an das Westniveau sehen die Unternehmer, ihre Politiker und die Medien den Untergang des Abendlandes kommen. Diese Hetzkampagne richtet sich nicht nur gegen die streikenden Metaller im Osten. Die Herren in den Chefetagen haben Blut geleckt. Sie glauben, das Rad der Geschichte zurückdrehen zu können. Alle Errungeschaften der Arbeiterbewegung stehen auf dem Spiel.

Gemeinsam mit der rot-grünen Bundesregierung (und den Unions-Politikern) wird zu einer Generaloffensive gegen Arbeitnehmerrechte geblasen: Schaffung eines Niedriglohnsektors, Ausbau der Zwei-Klassen-Medizin, Aufweichung des Kündigungsschutzes, Förderung von Altersarmut…

CDU-Chefin Merkel und SPD-Wirtschaftsminister Clement haben mitten im Arbeitskampf längere Arbeitszeiten im Westen gefordert. Darum geht der Streik der Ost-Metaller alle Kolleginnen und Kollegen in Ost und West an. Wenn der Streik verloren geht, dann werden die Kannegießers, Merkels und Clements ihre Rotstiftpolitik auch im Westen noch brutaler fortsetzen.

Kampfkraft voll nutzen

Medienhetze, Politikerschelte und Gerichtsbeschlüsse gegen Streikende – das stellt eine Kampfansage an alle KollegInnen in Ost und West dar. Statt fauler Kompromisse muss der Streik ausgedehnt werden. Die Westmetaller müssen einbezogen werden, um Solidarität zu leisten – aber vor allem, um das Streikrecht und die Arbeitnehmerinteressen in Ost und West mit zu verteidigen.

Entscheidend ist, dass Streiks im Westen über Betriebsversammlungen und die Bildung von Streikkomitees gut vorbereitet werden. Ein erster Schritt könnten mehrstündige Versammlungen der Belegschaften wie in Salzgitter sein.

Mehr Öffentlichkeitsarbeit nötig

Streikmaßnahmen im Westen sollten einhergehen mit Veranstaltungen, auf die Ost-KollegInnen eingeladen werden. Außerdem sollte die IG Metall nicht nur vereinzelt, sondern in allen Städten regelmäßig Busfahrten zur Unterstützung der Streikenden im Osten organisieren. Darüber hinaus sollten die Gewerkschaften bundesweit flächendeckend Flugblattverteilungen, Informationsstände und Veranstaltungen durchführen.

Für einen Vollstreik in der ostdeutschen Metallindustrie

Die ganze Kampfkraft muss in die Waagschale geworfen werden. Dass inzwischen große Westbetriebe von BMW und VW die Produktion drosseln, zeigt: Ohne die Beschäftigten läuft nichts. Nach wie vor gilt: Alle Räder stehen still, wenn der starke Arm es will. Die Gewerkschaften sind noch immer die potenziell stärkste Kraft in der Gesellschaft. Aber IG Metall-Führung nutzt diese Kraft bislang nicht.

Streiks im Westen und ein Vollstreik aller ostdeutschen KollegInnen sind die besten Waffen, die Unternehmer in die Knie zu zwingen. Darum sollten auch in den übrigen Ost-Bundesländern Streik-Urabstimmungen durchgeführt werden. Wenn zum Beispiel ein Betrieb wie Opel Eisenach am Streik beteiligt würde, dann ließe sich der ökonomische Druck enorm erhöhen.

Für einen eintägigen Generalstreik gegen Sozialkahlschlag

Die Gewerkschaften haben die Macht, zu demonstrieren, dass der gesamte gesellschaftliche Reichtum auf der Arbeit der lohnabhängig Beschäftigten beruht. Bei den bisherigen vereinzelten Protesten gegen Unternehmerwillkür und gegen die Regierungspläne wurde diese Kraft nicht gezeigt. Um Schröder und seine Unternehmerfreunde zu stoppen, helfen verzettelte Aktionen nicht weiter. Ein eintägiger Generalstreik gegen den Generalangriff auf die arbeitende Bevölkerung dagegen wäre die beste Kampfmaßnahme, um die Gewerkschaften aus der Defensive führen. Auf dieser Basis könnten auch Lohnerhöhungen und ein öffentliches Investitionsprogramm in Bereichen wie Gesundheit, Bildung, Soziales und Umwelt erkämpft werden. Zur Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit wären auch weitere Arbeitszeitverkürzungen nötig – bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Das ließe sich auch finanzieren – durch eine Umverteilungspolitik von oben nach unten. Wenn die Kapitalisten jammern, dass sie sich das nicht leisten können, müssen wir ihnen antworten: Wir können uns kein Wirtschaftssystem mehr leisten, in dem die Beschäftigten an Arbeitshetze kaputtgehen, während Millionen keine Hoffnung auf einen Arbeitsplatz haben.