Rechte Rattenfänger als Wahlgewinner

Aufschwung für Neonazis sowohl bei Europa- als auch bei Kommunalwahlen am 13. Juni in der BRD
 
Von den Massenmedien kaum beachtet, konnten rechtsextreme Parteien bei den Europa- und Kommunalwahlen am 13. Juni in der Bundesrepublik deutlich zulegen und zum Teil beachtliche Wahlerfolge verbuchen. Bei der Europawahl stieg bundesweit der Stimmenanteil rechtsextremer bzw. offen neonazistischer Parteien im Vergleich zum Urnengang 1999 von 2,1 Prozent auf 3,6 Prozent. Den höchsten Stimmenanteil erzielten dabei die »Republikaner« (REP) mit 1,9 Prozent (1999: 1,7 Prozent). Die offen neofaschistische NPD konnte ihr Ergebnis von 0,4 Prozent auf 0,9 Prozent mehr als verdoppeln und wird zum ersten Mal seit fast zwei Jahrzehnten wieder Wahlkampfkostenerstattung nach einer bundesweiten Wahl erhalten. Auch die absolute Zahl der Stimmen für die NPD hat sich von rund 100 000 auf über 200 000 gesteigert.
Das Wiedererstarken gerade der NPD wird deutlich, wenn man sich die Wahlergebnisse detaillierter ansieht. In Sachsen konnte sich die Partei von 1,2 Prozent auf 3,3 Prozent steigern. Insgesamt erreichten die rechtsextremen Parteien in Sachsen 8,1 Prozent (darunter REP 3,4 Prozent und NPD 3,3 Prozent), womit sie in die Nähe des SPD-Ergebnisses von 11,9 Prozent kommen. Gerade die NPD verzeichnete in West und Ost deutliche Zuwächse; in den alten Bundesländern schnitt sie im Saarland mit 1,7 Prozent (1999: 0,3 Prozent) am besten ab, im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen konnte sie sich von 0,26 auf 0,6 Prozent steigern. In Hessen war das Ergebnis der NPD mit 0,8 Prozent fast dreimal so hoch wie 1999.
Auch bei den Kommunalwahlen verbuchte insbesondere die NPD beachtliche Ergebnisse – sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern. Bei den Wahlen zum Stadtverband und zum Stadtrat Saarbrücken konnte die NPD jeweils 4,4 Prozent, bei der Wahl zum Stadtrat von Völklingen sogar knapp 9,6 Prozent (fünf Sitze) erreichen, in der Völklinger Innenstadt lag die NPD bei bis zu über 26 Prozent der Stimmen. In Dresden schaffte das von NPD-, DVU- und REP-Kadern gebildete »Nationale Bündnis« mit rund vier Prozent den Einzug in den Stadtrat mit drei Mandaten. Bei der Kreistagswahl in der Sächsischen Schweiz erhielt die NPD 13,4 Prozent (sechs Mandate), bei der Stadtratswahl Meißen 9,6 Prozent (zwei Mandate), in Annaberg neun (zwei Sitze), in Wurzen 11,8 (drei Sitze), in Riesa neun Prozent (zwei Sitze). Die höchsten NPD-Stimmenanteile gab es bei den Stadtratswahlen in Königstein (21,1 Prozent und drei Sitze) und bei der Gemeinderatswahl in Reinhardsdorf-Schöna (25,4 Prozent und zwei Sitze). In Sachsen-Anhalt gelang der NPD in Halle und Quedlinburg der Einzug in die Kommunalparlamente (1,8 Prozent bzw. 2,8 Prozent und jeweils ein Mandat); in Mecklenburg-Vorpommern zog die NPD unter anderem in den Stadtrat von Stralsund mit 4,1 Prozent (zwei Sitze) ein.
Auch bei den baden-württembergischen Kommunalwahlen kam es zu rechtsextremen Wahlerfolgen. In Villingen-Schwenningen erreichte die »Deutsche Liga für Volk und Heimat« 6,1 Prozent der Stimmen, in der Landeshauptstadt Stuttgart zogen die REPs mit vier Prozent der Stimmen und zwei Mandaten in das Kommunalparlament ein, in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz kamen die REPs bei den Stadtratswahlen nach der letzten Hochrechnung sogar auf 7,7 Prozent der abgegebenen Stimmen.
Die Ergebnisse zeigen, daß es keinen Grund zur Entwarnung gibt, nur weil neonazistische und rassistische Gewalttaten aus den Schlagzeilen der Massenmedien verschwunden sind. Sie zeigen auch, daß rechtsextreme und neonazistische Parteien in den alten und in den neuen Bundesländern bei kommunalen und bundesweiten Wahlen beachtliche Stimmenergebnisse verbuchen. Insbesondere das Erstarken der NPD sowohl auf Bundesebene als auch in Sachsen und im Saarland zeigt, daß die Gefahr von rechts nach wie vor akut ist. Allen zunächst gegenteiligen Anzeichen zum Trotz ist die NPD offenkundig aus dem durch den Verfassungsschutz zum Scheitern gebrachten Verbotsverfahren zumindest mittelfristig gestärkt hervorgegangen. Sie wird sich nunmehr motivierter und durch die Wahlkampfkostenerstattung finanziell gestärkt im Herbst an den Landtagswahlen in Sachsen und im Saarland beteiligen können.

Jörg Fischer, Quelle: junge welt