? Ausbleibende Profite sollen auf die Allgemeinheit abgew?lzt werden
Vor einigen Tagen (Samstag, 4.12.2004) vermeldete die Rostocker Ostsee-Zeitung: “Warnowtunnel droht die Pleite”. Der Tunnel unterhalb der Warnow, der den Rostocker Nordwesten mit dem Nordosten und der Autobahn verbindet, ist das erste privat finanzierte Strassenbauprojekt dieser Art und wurde zu einem Prestige-Objekt des Bundes, insbesondere des Bundesverkehrsministers Stolpe.
Laut einem Gutachten, daß im Auftrage des Finanzkonsortiums (bestehend aus 14 Banken, daß den 220 Mio ? teuren Tunnelbau zu 68 % kreditfinanzierte ? der Rest sind Einlagen der Betreibeergesellschafter und EU-Fördermittel) durch Faber Maunsell und BPI Consult erstellt wurde, drohe der WQG (Gesellschafter zu 70 % der australische Logistikkonzern ETI Maquarie und zu 30 % der französische Baukonzern Boygues) 2005/2006 die Zahlungsunfähigkeit. Dies gehe laut OZ aus einem internen Protokoll eines im Oktober in Bonn stattgefundenen Treffens zwischen dem Finanzkonsortium, Vertretern der Landesregierung und des Bundesverkehrsministeriums (BVM) hervor, wo das Finanzkonsortium dieses Gutachten vorlegte.
Tritt die Zahlungsunfähigkeit tatsächlich ein, so fiele laut BVM die komplette Last von 220 Mio ? an den Straßenbauträger ? also HRO. Bund und Land sehen keinen Spielraum für finanzielle Hilfen. Rostock hat bereits jetzt ein Haushaltsloch von 150 Mio ?. Kämen diese 220 Mio ? tatsächlich auch noch hinzu, würde Rostock der finanzielle Kollaps bevorstehen. Von der Sachlage, die laut dem BVM-Referatsleiter Rinke vorliegt, scheint aber in Rostock niemand etwas zu wissen. Es gilt wieder mal Mein Name ist Hase, ich weiß von nix!
Ex-OB Pöker (für seine wirtschaftlichen “Verdienste” von Frankreich zum Ritter der Ehrenlegion ernannt – Zu den “wirtschaftlichen Leistungen” dieses Herrn gehören zB die IGA-Schulden in Höhe von 20 Mio ? die er Rostock bereits hinterlässt) höre davon zum ersten Mal, so seine Aussage auf Nachfrage der OZ, und verweist an den ehemaligen Wirtschaftssenator Schörken (CDU und OB-Kandidat). Schörken sagt, er habe nur ausgeführt was Pöker auf dem Weg gebracht habe, aber: Die Behauptung des BVM sei definitiv falsch. Wörtlich sagte er: “Das ist ein rein unternehmerisches Problem.”
Hauptproblem für die finazielle Schieflage des Warnowtunnels sei die mangelnde Nutzung. Geplant wurde mit ca 20.000 Durchfahrten täglich. Stattdessen nutzen nur 8.500 Fahrzeuge (wovon 2 % nur LKW?s sind) den kostenpflichtigen Tunnel. Die Stadt habe bei der Tunnelbauplanung, so Rinke vom BVM, eine Verkehrsberuhigung der Rostocker City zugesagt. Die Zusage sei Geschäftsgrundlage für den Konzessionsvertrag gewesen. Außerdem sei Rostock die Auftraggeberin für den Tunnelbau und auch Eigentümerin des Tunnels, auch wenn die Betreiber-Konzession für 30 Jahre an die WQG gegangen ist, womit der Tunnelbau über die Maut-Einnahmen in dieser Zeit refinanziert werden soll.
Und genau diese Refinanzierung, plus natürlich einer saftigen vorab eingeplanten Profitmarge für die Banken, scheint nun nicht ganz nach Wunsch zu laufen. WQG-Geschäftsführer Herrmann sagte (siehe OZ vom 7.09.2004) noch am 6.09.2004, daß man die ursprünglich angestrebte Durchfahrtszahl von 20.000 gar nicht benötige um wirtschaftlich überleben zu können. Für die Anfangsphase von 3 bis 5 Jahren (also bis 2008) seien alle laufenden Kosten mit der derzeitigen Auslastung (betrug zu diesem Zeitpunkt 9.000) gedeckt. Rund 13.000 Durchfahrten erhoffe man sich für das Ende der Anfangsphase 2008. Wörtlich sagte Herrmann: “Der Trend geht in die richtige Richtung.”
Wenige Wochen nach dieser Aussage scheint nun alles ganz anders ? Plötzlich reicht das doch nicht. Die Banken wollen halt mehr. Sie wollen Profite einfahren und drohen ihre Anteile zu unter Einstandspreis zu veräussern und dies wiederum würde letzlich zu den Zahlungsschwierigkeiten dann führen, die den Tunnelbetreiber mit Zahlungsunfähigkeit dann bedrohen. Daher nun stellen die Banken Forderungen an Rostock, daß nun für die ausbleibenden, aber eben kalkulierten Profite gefälligst sorgen soll. Die Stadt müsse verkehrsberuhigt werden, so die Forderung des Finanzkonsortiums, damit die Autofahrer den Tunnel als Alternative “freiwillig” annehmen. Als “verkehrsberuhigende” Maßnahmen fordern sie, daß die B 105 (führt am Alten Hafen vorbei und dann die Hamburger Str.) und die B 103 (Stadtautobahn nach Warnemünde) von ihren bis zu 4 Spuren auf maximal 2 Spuren zurückgebaut werden und dort jeweils nur noch Tempo 30 herrschen solle. Aus diesen Bundesstrassen sollen kommunale Strassen werden, wofür bereits Umwidmungspläne auch vorliegen. So sollen künstliche Staus erzeugt und die Autofahrer zur Tunnelnutzung gezwungen werden.
Als Alternative schlagen die Banken vor: Übernahme des Tunnels und Rückzahlung der Kredite durch die öffentliche Hand. Solange das Finanzkonsortium Profite sprudeln sehen hat (wenn auch nur in der Zukunft), hat es nicht angeboten, daß die öffentliche Hand daran partizipiert. Stattdessen soll die öffentliche Hand jetzt für ausbleibende Profite einspringen und der normale Bürger für völlige Fehlplanungen der abgehobenen Konzernspitzen aufkommen. => Und dies scheint auch von vorn herein so vorgesehen gewesen zu sein. Denn laut dem BVM sei dies schon in den Konzessionsverträgen so vorgesehen gewesen.
Von vorn herein war also letztlich vorgesehen, daß die Kapitalisten die Profite einstecken und falls es nicht zu Profiten kommt die öffentliche Hand (was ja die Steuerzahler, also letztlich die Masse der LohnempfängerInnen, der Erwerbslosen u. a. einfache Schichten sind) aufzukommen habe.
An derart durch das Kapital diktierten Verträgen zeigt sich wieder mal wer tatsächlich die Macht in diesem System hat. Das Kapital regiert und was es fordert hat gefälligst zu geschehen. Und die von der Bevölkerung gewählten Volksvertreter? Sie stimmen dem zu, werfen die Interessen ihrer Wähler über Bord und beugen sich den Forderungen der Banken und Konzerne ? den wahren Machtzentren in diesenm System. Anders lässt es sich nicht erklären, daß derartige Verträge durch Bund und Land und Kommune mit Konzernen abgeschlossen werden, in denen sie derartige Zusagen machen.
Leider ist bislang nicht nachvollziehbar was tatsächlich in den in diesem Falle in den abgeschlossenen Konzessionsverträgen steht. Diese sind nach wie vor Verschlußsache. Selbst die gewählten VolksvertreterInnen der Hansestadt Rostock kennen nicht den Inhalt dieser Verträge und erhalten bislang auch keinen Zugang dazu und dies obwohl der Inhalt dieser Verträge eine gigantische Bedeutung für die Stadt haben. Mehrfach wurde in der letzten Legislaturperiode der Bürgerschaft die Einsicht und Offenlegung der Verträge beantragt, jedoch bis heute wurde diese nicht gewährt.
Die Verträge müssen aber umgehend offengelegt werden, denn trifft es zu das Rostock für das Finanzdesaster einspringen muß und die oben genannten 220 Mio ? zur Belastung für die Stadt werden, dann bedeutet das letztlich wieder das das Geld innert der Stadt eingespart werden muß und dies bedeutet letztlich wieder, daß man da kürzt wo es immer geschieht: Im sozialen Bereich und anderen Bereichen die den Einwohnern das Leben in Rostock etwas erleichtern sollen (Jugendbereich u. ä.).
Deshalb:
Umgehende Offenlegung der Verträge.
Bürgschaften von Land und Bund (die Vertragspartner beim Konzessionsvertrag des Tunnels waren/sind), damit Rostock keine finanzielle Belastungen durch den Tunnel entstehen. Geld dafür ist da, zB durch Rücknahme der Steuererleichterungen für Reiche (Senkung des Spitzensteuersatzes – Einkommensmillionäre, und davon gibt es einige, bekommen ab Jan 2005 eine Steuerentlastung von mehr als 8.000 ? monatlich)
Die Banken und Konzerne müssen die Verantwortung für ihre eigenen Pläne übernehmen ? das bedeutet: Nicht nur Profite einstecken, sondern gegebenenfalls auch für Verluste einstehen, die aus früher erzielten Profiten zudem gedeckt sind. Übernahme durch die öffentliche Hand nur, wenn Bedürftigkeit besteht und diese durch Offenlegung der Bücher der betroffenen Banken und Konzerne nachgewiesen wird. ? Überführung der Finanz- und Kapitalriesen in staatliche Kontrolle.
von Heike H?rig, Rostock