Jahrzehntelang musste die britische Gewerkschaftsbewegung herbe Niederlagen hinnehmen. Jetzt mit einer linken kämpferischen Mehrheit ändert sich das.
Nach Jahrzehnten der Niederlagen für die britische Gewerkschaftsbewegung gibt es nun erstmals wieder landesweite Erfolge. Nach einem langen Arbeitskampf im öffentlichen Dienst schlägt die Gewerkschaft PCS (Gewerkschaft der Staatsangestellten) ihren Mitgliedern einen Tarifvertrag zur Annahme vor. Die Urabstimmung findet noch im Februar statt.
Die PCS hat eine linke Führung. Ihre Vorsitzende Janice Godrich ist Mitglied der International Socialists, der Schwesterorganisation der deutschen Sozialistischen Alternative (SAV) in Schottland, der Stellvertretende Generalsekretär und mehrere Vorstandsmitglieder sind aktiv in der Socialist Party, der Schwesterpartei der SAV in England und Wales, Generalsekretär Mark Serwotka ist ebenfalls überzeugter Sozialist. Diese linke Gewerkschaftsführung ist der Grund, dass dieser Kampf zustande kam, denn kampfbereit sind Beschäftigte auch in anderen Branchen und Grund zur Gegenwehr gibt es anderswo auch. Aber meist wird die Kampfkraft nicht genutzt oder es gibt einen faulen Kompromiss, wie nach dem großartigen Kampf der Feuerwehrleute vor 2 Jahren. Auch bei der PCS wäre die Beteiligung noch besser gewesen, wenn nicht vielen rechte örtliche und betriebliche Gewerkschaftsverteter die Hände in den Schoß gelegt hätten, statt für den Streik zu mobilisieren (manche beteiligten sich nicht einmal selbst).
Ungleicher Lohn für gleiche Arbeit
Der Arbeitskampf in der Behörde für Arbeit und Renten (DWP) hatte sich über 18 Monate hingezogen. Dazu gehörten sechs Streiktage, viele spontane Aktionen, Dienst nach Vorschrift und die Weigerung der Kolleginnen und Kollegen, Überstunden zu machen.
Im Laufe der Aktionen konnte die Gewerkschaft PCS 17.000 neue Mitglieder (bei 300.000 Mitgliedern insgesamt) gewinnen. Auslöser der Kampagne war der Versuch der Arbeitgeberseite, für die Beschäftigten der Behörde eine unterhalb der Inflationsrate liegende Gehaltserhöhung, also eigentlich eine Gehaltssenkung, gerichtlich festsetzen zu lassen.
Dies wird nun mit einer 15-prozentigen Gehaltserhöhung für die niedrigsten Lohngruppen und einer 20-prozentigen Erhöhung der Anfangsgehälter über die kommenden drei Jahre ausgehebelt. Der Arbeitgeber wollte außerdem die Individualisierung der Gehälter weiter verschärfen, wie es in Großbritannien heißt, indem ein so genanntes persönliches Entwicklungssystem eingeführt werden sollte. Nach diesem System könnten Beschäftigte für die gleiche Arbeit und die gleiche Zahl an Arbeitsstunden pro Woche völlig unterschiedlich bezahlt werden.
Hätte die Behörde sich damit durchgesetzt, wäre das System auf den gesamten öffentlichen Sektor Großbritanniens ausgeweitet worden. Aber auch dieser Versuch ist mit dem vorliegenden Tarifabschluss gescheitert. Die Gewerkschaft kann sich nun dem nächsten Problem zuwenden, den unterschiedlichen Gehaltsstrukturen in den verschiedenen Regierungsbehörden. Denn ein einheitlicher Tarifvertrag existiert für die britischen Regierungsbehörden bisher nicht.
Und noch eine wichtige Auseinandersetzung steht an. Die Gewerkschaften wollen Widerstand gegen das Vorhaben der Regierung leisten, das Rentenalter im öffentlichen Sektor auf 65 Jahre heraufzusetzen.
Der nächste Streik steht schon an
Im Februar erklärten Mark Servotka und Janice Godrich, der Generalsekretär und die Präsidentin der Gewerkschaft PCS, dass die PCS sich der Urabstimmung der anderen Gewerkschaften im öffentlichen Sektor Großbritanniens über einen gemeinsamen Streik anschließen wird.
Wenn die Beschäftigten dem Vorschlag zustimmen, soll der Streik am 23. März stattfinden. Der gesamte öffentliche Dienst des Landes, mehrere Millionen Menschen, würden dann an einer der größten Streikaktionen in der Geschichte Großbritanniens teilnehmen.
von Christian Bunke, Manchester
siehe auch: Bericht über den Streik vom 18. November 2004