Weg mit dem Horrorkabinett

Stellungnahme der Sozialistischen LinksPartei (Schwesterorganisation der SAV in Österreich) zur Spaltung der FPÖ, der BZÖ und zur Regierungskrise
 
Das Theater um FPÖ, BZÖ und ÖVP wäre nur mehr lächerlich – hätte es nicht Auswirkungen auf die Situation von AreitnehmerInnen und Jugendlichen. Denn die blau-schwarz-orangen Sesselkleber beschließen weiterhin im Parlament Sozialabbau. Die Neugründung der BZO rund um Haider und die FPÖ-Regierungsmannschaft stellt eine neue Qualität in den Entwicklungen der letzten Monate dar – und steht scheinbar im Gegensatz zu raschen Aufstieg der FPÖ zwischen 1986-99. Die Ursachen sind aber keineswegs nur in der Person Haiders, sondern im Spagat zwischen Rechtspopulismus und neoliberaler Regierungsarbeit zu finden. Die Bundesregierung ist dadurch weiter destabilisiert worden. Neuwahlen sind möglich, aber nicht unumgänglich. Zentrale Verantwortung kommt hierbei dem ÖGB zu – er muss im Interesse der ArbeitnehmerInnen Widerstand und Proteste organisieren, um den Sozialabbau rückgängig zu machen und um dieses Horrorkabinett endlich weg zu bekommen. Wichtig ist aber auch die Frage, wie eine sozialistische Alternative zum Theater der herrschenden und etablierten Parteien aufgebaut werden kann.

Analysen der Vergangenheit bestätigt

Der Aufstieg der FPÖ ist die populistischen Antwort der Haider-FPÖ in den 80er und 90er Jahren war vor allem der auf die Privatisierungs- und Sozialabbau-Politik der SPÖ/ÖVP-Regierung zu verdanken: Als „kantige“ Opposition verband sie erfolgreich soziale Töne mit ihren rechtsextremen, rassistischen und antigewerkschaftlichen Inhalten. Unterstützt wurde ihre rassistische Politik de facto von der SPÖVP-Bundesregierung mit ihrer Anti-ImmigrantInnen-Politik. Ausdruck fand das in der Feststellung Haiders, der SPÖ-Innenminister Löschnak sei sein „bester Mann in der Regierung“.
Die Rechtsentwicklung der SPÖ, aber auch der anderen Parlamentsparteien in den 80er und 90er Jahren beschränkten den Raum für die FPÖ. Für eine faschistische Partei, für eine Partei mit einem bewaffneten Arm der Terror verbreitet, war die politische Situation in Österreich nicht reif. Mit dem Eintreten in die Regierung und die Umsetzung ihrer tatsächlichen Ziele (die im Gegensatz zu der populistisch angepriesenen Politik für „den kleinen Mann“ steht) ist die Grundlage der FPÖ für ihr populistisches Agieren weitgehend weggefallen. Die Versuche beides – Regierungspolitik und gleichzeitige populistische Kritik daran – gleichzeitig durchzuführen hat die FPÖ v.a. unglaubwürdig gemacht und ist Ursache der Krise.
Die SLP (und auch die Vorgängerorganisation SOV) hat die FPÖ stets als Partei mit rechtsextremer Basis und seit 1986 stark populistischem Auftreten charakterisiert. Trotz ihrer historischen Wurzeln im deutschnationalen, faschistischen Lager versuchte die FPÖ in ihrer Geschichte sich mehrmals ein liberales Image zu geben. In den 80er und 90er Jahren wurden sich daraus ergebende Widersprüche durch Ausschlüsse, Spaltungen und v.a. eine neue Positionierung, die rechtsextreme Hetze und neoliberale Inhalte als Partei des „kleinen Mannes“ populistische verband, vorübergehend überwunden. Während andere die FPÖ als faschistisch oder als ArbeiterInnenpartei abstempelten, hat sich unsere Analyse der FPÖ auch in der jetzigen Krise bestätigt.
Zwischen 1986 und 1999 wurde der Populismus das zentrale Element der FPÖ. In der Regierungsarbeit konnte auf Dauer dieser Spagat zur neoliberalen Regierungsarbeit mit klar anti-sozialpartnerschaftlicher Ausrichtung, die radikalen Teilen des österreichischen Kapitals als Bedingung für die Regierungsbeteiligung gefordert haben, nicht aufrechterhalten bleiben. Die sozialen Probleme haben unter der schwarz-blauen Regierung weiter zugenommen und wurden nicht – im Gegensatz zur FPÖ-Propaganda – durch ein schärferes Vorgehen gegen ImmigrantInnen reduziert. Die FPÖ verlor seit Regierungsantritt stark an Unterstützung.
Auch die Analyse der SLP bezüglich der potentiellen Instabilität der Regierung, die wir schon 2000 getroffen haben, wurde aufs neuerliche bestätigt. Ihre größte Stärke schöpft sie aus der Unfähigkeit der Opposition, eine echte Alternative anzubieten – was logisch ist, da SPÖ und Grüne der selben neoliberalen Logik anhängen und diese, wo sie an der Macht sind (OÖ, Wien, Kärnten) auch (mit-)umsetzen.
Aufrecht ist aber auch trotz der FPÖ-Krise und der BZÖ-Abspaltung unsere Analyse, das die rechtsextreme Gefahr letztlich nur durch die AreiterInnenbewegung gestoppt werden kann. Die Streikwelle 2003 hat der FPÖ einiges an Basis entzogen, konnte den Rechtsextremismus an sich aber aufgrund des „in der Mitte stehenbleibens“ der ÖGB-Führung, nicht wirklich stoppen. Die jetzige Krise und Selbstzerfleischung von FPÖ/BZO – so sehr sich viele darüber freuen – darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass gleichzeitig ein Neu- und Umformierungsprozess der radikalen und extremen Rechten stattfindet. Die neue, alte FPÖ wird noch stärker vom ultrarechten Flügel dominiert und auch außerhalb gehen Organisationen wie der BFJ in die Offensive.

Ursachen der Spaltung

Neben dem unlösbaren Spagat zwischen neoliberaler Politik und populistischen Auftreten, hat die FPÖ seit ihrem Regierungseintritt auch das Image „anders“ zu sein eingebüsst. Wie bei anderen Parteien gibt es Korruption, Privilegien und Machtgeilheit. Wie bei anderen Parteien werden Wahlversprechen nicht gehalten.
Die Vielzahl von Skandalen, Rücktritten etc. macht die dünne Kaderdecke der FPÖ deutlich. Der Höheflug der Partei unter populistischen Vorzeichen wurde auf organisatorischer Ebene zu keinem Zeitpunkt nachvollzogen: Während zwischen 1986 und 1999 über 1 Million Wähler gewonnen wurden, kamen es zu einem Mitgliederzuwachs von lediglich 10.000 Personen. Dieses Strukturproblem wurde seit dem Regierungseintritt auch an der Spitze sichtbar: Die MinisterkandidatInnen müssen oft aus der fünften oder sechsten Reihe bzw. von außerhalb geholt werden – und haben nur kurze Haltbarkeit. Viele der FunktionärInnen sprangen auf, solang es etwas zu verteilen gab, verlassen aber angesichts der Krise die FPÖ wie die Ratten das sinkende Schiff. Während in Knittelfeld noch von einem „Aufstand der Basis die Rede war, ist in den aktuellen Debatten die Partei“basis“ meist nicht einmal mehr verbal existent. Regionale KandidatInnen und Strukturen lösen sich teilweise auf. Mit dem Ergebnis, dass bei Regionalwahlen die FPÖ nicht mehr überall mit KandidatInnen/Listen antreten kann. Auch in der jetzigen Krise ist der Wunsch, eine Funktion (und damit das Einkommen) halten zu können offensichtlich zentral für die Entscheidung der Parteizugehörigkeit.

Der Faktor Haider

Nachdem die FPÖ über 30 Jahre nur knapp über der 5-Prozent-Hürde angesiedelt war, fand nach dem Machtantritt von Haider 1986 ein starkes Wachstum statt. Es wurde vom „Phänomen Haider“ gesprochen, der die Massen begeistert, ein charismatischer Führer ist und die FPÖ zu einer One-Man-Show machte. Die Rolle der Person Haiders darf aber weder über- noch unterschätzt werden.
Haider hat es in den 80er und 90er Jahren verstanden, den Finger auf die Wunden zu legen, die „richtigen“ Fragen aufzugreifen und populistische Scheinlösungen zu geben. Aber Haider ist nicht das Phänomen an sich, sondern war damals nur der richtige Mann zur richtigen Zeit die Möglichkeiten, die ihm die Unzufriedenheit über die Politik der „Grossen Koalition“ gab, für eine „neue“ Bewegung/Partei zu nutzen. Der Glaube, das Wachstum der FPÖ könnte heute mit einer BZÖ unter Haider einfach wiederholt werden, ignoriert die geänderten Rahmenbedingungen. Haider ist – auch durch seine Launenhaftigkeit (er kommt, geht, kommt….) – entzaubert.
Die Tatsache, dass Haider bei den Landtagswahlen in Kärnten entgegen des bundesweiten Trends Stimmen für die FPÖ gewinnen konnte, muss vor dem Hintergrund einer rechten kärntner SPÖ, die Jahrzehntelang selbstherrlich regierte, einer schwachen und machtgeilen ÖVP und einer 10-Prozent-Hürde, die es allen anderen Kräften schwer macht, gesehen werden. Darüber hinaus verwendet Haider Unsummen für Werbemaßnahmen für die Marke „Haider“.
Politisch war Haider stets in erster Linie ein Populist, auch wenn er seine persönlichen und familiären Wurzeln im deutschnationalen Lager hat. Sein heutiges Bekenntnis zur Regierung, ist auf den Druck der Wirtschaft zurück zu führen. Das Haider – plötzlich mit Brille – auf seriös macht, soll ein Zeichen an die Wirtschaft sein, das er für Stabilität steht. Für die Wirtschaft ist jede Regierungskonstellation besser, als Neuwahlen.

Wie weiter mit der BZÖ?

Bisher gab es mit SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grünen vier bürgerliche Parteien im Parlament. Nun kommt mit der BZÖ eine fünfte hinzu. Welche Rolle werden FPÖ und BZÖ künftig übernehmen, welche Klientel werden sie ansprechen, welches Potential gibt es für sie?
FPÖ und BZÖ berufen sich beide auf die „echte FPÖ“ – also auf jene Periode des Aufstiegs zwischen 1986-99. Beide Seiten versuchen „Abtrünnige“ wie Steger, Riess-Passer etc. wieder ins Boot zu holen. Die Spaltung hat also nicht in erster Linie inhaltliche Differenzen als Grundlage! Jörg Haider ist nicht plötzlich zum „Liberalen“ mutiert, sondern steht nach wie vor für einen rechtsextremen und populistischen Kurs. Darüber darf auch eine „freundliches Orange“ und die „Abgrenzung“ Haiders zu Mölzer&Co nicht hinwegtäuschen.
Zu ihrem Höhepunkt hat die FPÖ 27 % erreicht, vor Haider mit einer Ausrichtung auf das deutschnationale Lager 4-6%. Nach einem letzten Test bezüglich der Kräfteverhältnisse in der FPÖ angesichts der Abstimmung über den Ausschluss Mölzers hat sich Haider für die Trennung entschieden. Haiders Vorstellung ist folgende: er überlässt Strache&Co mit der FPÖ diese 4-6% und holt sich die restlichen 21-23%. Diese Rechnung wird nicht aufgehen.
Die BZÖ ist alles andere, als ein neues, attraktives Angebot. Sie besteht im wesentlichen aus der jetzigen Regierungsmannschaft, die durch ihren Sozialabbau diskreditiert ist. Der Versuch, durch die Farbe Orange an Justschenko Erfolg anzuknüpfen und sich als besonders „demokratisch“ zu präsentieren ist offensichtlich und durchschaubar. Der Versuch, mit dem Begriff „Bündnis“ an die Anti-Parteien-Stimmung anzuknüpfen ist schon mit der „Bewegung“ F(PÖ) in den 90er Jahren fehlgeschlagen. Es wird versucht, mit einer Strukturen- und Basislosen Partei (Haider zur Nationalratswahl 2006: „dort werden wir als Bewegung antreten und auf den Luxus von Parteistrukturen verzichten“) künftige Konflikte zu verhindern und schielt damit auch ein bisschen nach dem Erfolg von HP Martin bei den EU-Wahlen. Das im 70er-Jahre-Retro-Stile gehaltene Logo ist ebenso wenig „zukunftsweisend“ wie die verkrampfte Benützung des Begriffes „Zukunft“. Auch wenn Haider wieder die Führung übernimmt, hat er sich durch die Bindung an die Regierung die Möglichkeit zum Populismus weitgehend selbst genommen. Falls Stronach (der seinen Rückzug als Geschäftsführer der Magna International Inc. bekannt gab) mit an Bord geholt wird, ist das zwar ein Zeichen an die Wirtschaft, aber wahrscheinlich für WählerInnen wenig attraktiv. Die BZÖ versucht einerseits Signale an die Wirtschaft Richtung „wir stehen für Stabilität“ auszusenden, andererseits sich neuerlich als „Vertreter des kleinen Mannes“ zu präsentieren, wobei hier ein Schwerpunkt auf Kleinunternehmen aber auch ArbeitnehmerInnen gelegt wird. Um diesen Spagat zu schaffen (und mit dem Schielen auf die Erfolge der Anti-Privilegienliste von HP Martin bei den EU-Wahlen) können hier wieder Angriffe auf die Arbeiterkammern u.ä. kommen.
Die BZÖ ist vom Liberalen Forum v.a. in zwei Punkten zu unterscheiden: sie kettet sich selbst an die ÖVP (auch die Abspaltung dürfte mit Schüssel, und Gerüchteweise auch mit Dichand, abgesprochen gewesen sein) und die Regierung und sie hat in gesellschaftspolitischen Fragen (die für manche beim LiF ein Attraktionspool waren) nichts fortschrittliches zu bieten. Für Menschen, die eine bürgerliche Partei suchen, ist die ÖVP stabiler. Auch ein Abwandern von Teilen der BZÖ zur ÖVP sind nicht auszuschließen (Grasser hat diesen Schritt schon gemacht, bezüglich Gorbach gab es Gerüchte).
Die Zukunft der BZÖ ist offen. Der Start dürfte weniger fulminant gewesen sein, also von Haider geplant. Die Teile der FPÖ, die nicht zur BZÖ wechseln, kleiner als geplant. Wie groß ein WählerInnenpotential ist, wird sich erst zeigen, ebenso die Frage, ob die ZÖ in dieser Form überhaupt weiter bestehen wird.

Wie weiter mit der FPÖ?

Wer in der Zukunft noch zur FPÖ gehören wird in den nächsten Wochen deutlicher werden. Wobei nach kommenden Wahlen bzw. angesichts von eventuellen Rechtsstreitigkeiten bezüglich der Schulden und Ressourcen der FPÖ weitere Übertritte – in beide Richtungen – möglich sind. Es gibt bereits Appelle in Richtung Wiedervereinigung.
Die Rest-FPÖ ist in sich keineswegs stabil. Auch hier wird in der kommenden Periode eine Debatte über die künftige Ausrichtung stattfinden. Wie stark soll man sich auf das deutschnationale Lager stützen, wie stark einen „modernen“ Rechtspopulismus fahren? Die Krise der FPÖ ist keineswegs vorbei, es gibt keine klare Führung, unterschiedliche Interessen und eine Finanz- und Legitimitätskrise: eine gute Grundlage für weitere interne Konflikte und ev. Abspaltungen. Dem entgegen steht der Wunsch, Konflikte zu vermeiden, um weitere (Ab-)Spaltungen zu verhindern. Die gemeinsamen Kernthemen – Rassismus, Rechtsextremismus – werden daher künftig noch zentraler sein.
Die unmittelbare Gefahr ist ein deutlicher Rechtsruck, der ein weit gefährlicheres Bedrohungspotential bietet, als es die FPÖ 1986-1999 war. Sollten sich Mölzer&Co durchsetzen (die Autorität von Mölzer in diesem Klientel und sein Einfluss durch „Zur Zeit“ sollte nicht unterschätzt werden), steht die Frage der Neuorientierung der FPÖ als noch weiter rechts stehende Partei im Raum. Es ist möglich, dass – auf der Basis der 22.000 Vorzugstimmen für Mölzer bei den EU-Wahlen – versucht wird an die Erfolge verschiedener rechtsextremer aber auch faschistischer Formationen in Europa (NPD in Deutschland, Front National in Frankreich, Vlaams Block/Vlaams Belang in Belgien) anzuknüpfen.
Eine solche neue FPÖ könnte ein Sammelbecken für – alte und neue – Nazis sein, die sich seit der Krise der FPÖ wieder zunehmend außerhalb organisiert haben. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind in Österreich noch nicht so weit fortgeschritten, wie in Ostdeutschland, trotzdem gibt es ein gewisses Potential für eine solche, weit rechts stehende Partei – die Größe dieses Potentials hängt von der Entwicklung von Klassenkämpfen und auf der Linken ab.
Eine solche neue, noch rechtere Partei wäre eine Gefahr für Linke, ImmigrantInnen und GewerkschafterInnen, da sie einen radikaleren Kurs einschlagen würde und neben offen rassistischer Propaganda auch zu gewalttätigen Mitteln greifen könnte.

Wie weiter mit der Regierung?

Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Probleme, die im Rahmen des Kapitalismus zu Kürzungen auf dem Rücken der ArbeiterInnenbewegung führen, ist die Regierung seit ihrem Antritt 2000 instabil. Die FPÖ war aufgrund ihres populistischen Auftretens hierbei ein weiterer destabilisierender Faktor. Die jetzige Krise kommt daher nicht überraschend.
Allerdings muss man Schüssel eines lassen: die Konsequenz mit der er Probleme ignoriert und Fähigkeit zum Sesselkleben und Fakten verdrehen ist einzigartig. Die Selbstherrlichkeit, mit der an dieser „Koalition“ festgehalten wird, die offensichtlich undemokratisch ist, wird zu einer weiteren Ablehnung von „Politik“ bzw. dem Establishment führen. Die orangen BZÖ-FunktionärInnen sind allerdings um nichts besser und krallen sich ebenfalls an ihre gutbezahlten ParlamentarierInnensitze. Um sich für alle Eventualitäten abzusichern, setzen die meisten von Ihnen auf eine Doppelmitgliedschaft bei BZÖ und FPÖ – man weiß ja nicht, wie das ganze ausgehen wird.
Der ÖVP ist der Koalitionspartner abhanden gekommen, als neuer Mehrheitsbeschaffer bietet sich eine Handvoll Menschen an, von der noch nicht klar ist, ob sie eine Organisation hinter sich haben und wenn ja, eine mit bundesweiter Verankerung. Haider, der seit 2000 ständig aus Kärnten gegen die Regierung geschossen hat (und der Regierung vor wenigen Monaten noch Securitate-Methoden vorgeworfen hat), wird nun als Garant für Stabilität verkauft.
Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass Schüssel mit diesem Modell noch einige Zeit weitermachen kann. Die Mehrheit im Parlament (ÖVP, BZÖ, FPÖ) hat kein Interesse an Neuwahlen und wird alles tun, um diese zu verhindern. Die ÖVP weil klar ist, dass sie sich dann einen neuen Koalitionspartner suchen muss, BZÖ und FPÖ weil sie sich zuerst sammeln, aufbauen, auf einen Kurs einigen müssen.
Schüssel konnte die FPÖ in den letzten Jahr auf Basis von deren nicht durchhaltbarem Spagat und der Kaderschwäche als Mehrheitsbeschafferin benutzen. Er versucht nun das selbe mit der BZÖ von der er von Anfang an verlangt, auf jedes eigene Profil zu verzichten (als Bedingung für eine Koalition soll die BZÖ auf eigene Anträge verzichten und sich darauf festlegen, nicht gegen die ÖVP zu stimmen). Die BZÖ ist in einer schwierigen Situation – stimmt sie zu, verzichtet sie darauf, sich selbst zu präsentieren und damit auf die Grundlagen für die nächsten Wahlen, stimmt sie nicht zu, gibt es Neuwahlen, auf die die BZÖ nicht vorbereitet ist.
Die ÖVP wird versuchen, von der FPÖ-Krise zu profitieren und den FPÖ-WählerInnen ein „attraktives“ Angebot zu machen – also sich noch weiter nach rechts zu lehnen. Auch wenn Schüssel als undemokratischer Sesselkleber gesehen wird, kann das traditionell bürgerliche Lager von der FPÖ-Spaltung profitieren, da bürgerliche FPÖ-WählerInnen noch stärker als bisher zur ÖVP wechseln werden.
Das die Regierung immer noch hält ist auf die Schwäche der Opposition zurück zu führen, die es während der letzten fünf Jahre nicht geschafft hat, sich als Alternative zu präsentieren – die sie ja auch tatsächlich nicht ist. Die SPÖ wird nicht wirklich als Alternative gesehen. In Kärnten ist noch nicht klar, ob bzw. mit wem sie in der Koalition bleibt. Heinz Fischer, im Wahlkampf als moralische Bastion gegen Rechtsextremismus verkauft, hat offensichtlich weder ein moralisches noch ein demokratiepolitisches Problem mit dem de facto fliegenden Koalitionswechsel der ÖVP zu einer (noch) nicht existierenden Partei. Inhaltlich haben weder SPÖ noch Grüne eine Alternative anzubieten.
Die jetzige Situation ist auch Ausdruck für das Fehlen einer ArbeiterInnenpartei, die die sozialen und politischen Interessen der ArbeiterInnenklasse im Parlament aber v.a. auf der Strasse vertritt. Seit der Verbürgerlichung der Sozialdemokratie gibt es in Österreich keine ArbeiterInnenpartei mehr – gerade jetzt wäre sie aber wichtig. Eine solche Aufzubauen, ist daher eine dringende Aufgabe.
Ein wichtiger Faktor für die kommende Entwicklung wird die Rolle der ArbeiterInnenbewegung sein. Sie hat 2003 ein deutliches Zeichen gesetzt. Unter dem Einfluss der Gewerkschaftsbürokratie wurden die Kämpfe damals aber nicht erfolgreich zu Ende geführt und die Regierung gestürzt, sondern im Gegenteil seither weitere Angriffe hingenommen. Im Kampf für ihre sozialen Rechte kommt der ArbeiterInnenewegung die zentrale Rolle zu – diese Fragen werden nicht bei Wahlen, sondern auf der Strasse und in den Betrieben gelöst werden. Die momentane demokratiepolitische Farce kann die Ablehnung in das Establishment weiter erhöhen (insbesondere da die Opposition nicht in der Lage ist, sich als Alternative zu präsentieren) und bei kommenden Wahlen (neben wahrscheinlicher Zugewinne für die SPÖ) v.a. das Lager der nicht-WählerInnen verstärken.
Die Aufgabe von SozialistInnen wird es nicht nur sein, bei kommenden Wahlen eine wählbare Alternative, eine ArbeiterInnenpartei bzw. eine sozialistische Partei, anzubieten sondern v.a. klar zu machen, das es Politik jenseits der etablierten Parteien gibt und das sich die ArbeiterInnenklasse in ihrem Kampf für soziale und demokratische Rechte nicht auf die etablierten Parteien verlassen kann, sondern nur auf sich selbst.
Das sich der ÖGB angesichts einer solchen Regierungskrise in Schweigen hüllt, ist ein Armutszeugnis. Jetzt wäre es nötig, nicht nur Neuwahlen zu fordern, sondern Proteste und Widerstand zu organisieren, die dieser Regierung ein Ende bringen und jeder neuen klar machen, dass künftiger Sozialabbau auf massiven Widerstand seitens der ArbeiterInnenbewegung treffen wird.
Der ÖGB braucht ein Sozial- und Wirtschaftsprogramm, dass nicht in der neoliberalen Logik des Kapitalismus stecken bleibt, sondern sich an den Bedürfnissen der ArbeiterInnenklasse orientiert. Das bedeutet u.a. die Rücknahme der Pensions“reformen“, der Zerschlagungen bei Postbus und Bahn, sowie des Sozialabbaus der letzten Jahre.
Der ÖGB muss umgehend zu einer Grossdemonstration zum Ende der Regierung aufrufen.
In den Betrieben und Dienstellen müssen Aktionsgruppen gebildet werden deren Aufgabe die Vorbereitung und Umsetzung von Maßnahmen gegen Sozialabbau und Privatisierung sind: Kundgebungen, Demonstrationen und Streiks. Im Rahmen dieser Aktionsgruppen sollte auch über die Notwendigkeit und die Möglichkeiten für eine politische Alternative diskutiert werden.
Damit nach Neuwahlen die österreichische ArbeiterInnenklasse nicht mit einer neuen, neoliberalen Regierung (mit ähnlichem Programm aber unterschiedlichen Akteuren) konfrontiert ist, ist der Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei mit sozialistischen Programm notwendig. Weder SPÖ noch Grüne können diese Aufgabe erfüllen, die Impulse dafür müssen aus der Gewerkschaftsbewegung und von kämpferischen KollegInnen kommen.

Wien, den 8. April 2005