„Für 2005 schließe ich eine Koalition aus.“ G. Gysi

Zum Gysi-Interview im Tagesspiegel vom 18. Juni 2005
 

In seinem Interview vom 18.6. mit dem Tagesspiegel wartet Gysi mit folgender Neuigkeit auf, die in diametralem Gegensatz allem steht, was die Wahlalternative bisher zum Thema Koalitionen mit der SPD verkündet und ihren Wählern in NRW versprochen hat:

„Was bleibt von einer Gysi-Lafontaine-Partei, wenn die SPD nach links schwenkt?

Wenn die SPD das wirklich tut – und das hoffe ich – kann man später auch über eine Zusammenarbeit reden. Für 2005 schließe ich eine Koalition aus. Neoliberale Politik ist für uns nicht tolerierbar. In einer Linkspartei wird unsere Ost-Kompetenz bleiben. Und wir werden, was die Frage der sozialen Gerechtigkeit angeht, deutlich zuverlässiger sein als die SPD.“

Das bedeutet im Klartext, daß die „Gysi-Lafontaine-Partei“, wie sich die Wahlalternative inzwischen ohne Widerspruch von Herrn Gysi bezeichnen lassen muß, nach Ablauf einer nur sechsmonaten Anpassungsfrist die Beteiligung an einer SPD-geführten Bundesregierung in Aussicht stellt. Was die Bedingung „neoliberale Politik ist für uns nicht tolerierbar“ wert ist, beweist ja die Politik der Berliner Landesregierung, aus der Gysi – wie er im Interview berichtet – keineswegs aus Protest gegen die neoliberale Politik von Wowereit, sondern nur wegen seiner persönlichen Fehler ausgeschieden ist.

Damit ist auch klar, daß es bei den Protesten vieler WASG-Mitglieder gegen die Mitarbeit der PDS-Regierungsvertreter am Sozialabbau und an der Umsetzung von Hartz IV in Berlin und Mecklenburg keineswegs nur um landespolitische Probleme, sondern um die grundsätzliche Frage geht, ob das Nein zum Sozialabbau nur für den Wahlkampf gilt und in dem Augenblick vergessen ist, wo den auf dieser Grundlage gewählten Abgeordneten der „Gysi-Lafontaine-Partei“ eine Regierungsbeteiligung angeboten wird.

Gegen diese Art von Politik, die links blinkt, um dann rechts abzubiegen, ist die Wahlalternative gegründet worden. Diese Art von Politik, die Gysi hier ankündigt und die er in Berlin praktiziert hat, kennen die Menschen zur Genüge von der SPD und inzwischen eben auch von der PDS. Weil sie von dieser Art von Politik die Nase gestrichen voll haben, bleiben so viele Menschen bei Wahlen zuhause. Wenn die Wahlalternative Herrn Gysi auf diesem Weg folgen sollte, macht sie sich schlicht und einfach überflüssig. Das können Müntefering und eine „nach links geschwenkte SPD“ viel besser.

Die Äußerungen von Gysi zur Frage, was von der Selbständigkeit der WASG auf den PDS-Listen übrig bleiben wird, sind ebenfalls eindeutig:

„Sie betreiben doch Etikettenschwindel: Die PDS bestimmt die Kandidaten, gibt das Geld, managt den Wahlkampf.
Ich weiß, dass das der WASG nicht schmeckt. Aber diese Bedingungen hängen mit den vorgezogenen Wahlen und dem Recht zusammen. Die Perspektive ist klar: Innerhalb von zwei Jahren soll es eine Vereinigung der beiden Parteien geben.“

Gysi bestreitet nicht, wer auf der neu etikettierten Wahlliste der PDS das Sagen hat und wer als Aushängeschild dient. Er räumt sogar ein, daß dies für die WASG eine Zumutung ist. Er weist nur darauf hin, daß der Zeitdruck und das Wahlrecht der PDS die Möglichkeit gegeben haben, diese Zumutungen gegenüber der WASG durchzusetzen…

„Warum nehmen Sie die Wahlalternative so ernst? In Berlin und Nordrhein-Westfalen führen linke Sektierer das Wort.
Die WASG wird sich entwickeln. Wer etwas Neues macht, bekommt immer auch ein paar gescheiterte Leute und schwierige Mitglieder“

Diejenigen in der WASG, die Kritik an diesen Zumutungen wagen und angeblich in den beiden größten Landesverbänden der WASG „das Wort führen“ sind für Gysi also „linke Sektierer“ und „gescheiterte Leute“. Aber die WASG werde sich ja „entwickeln“… und sie dabei ausscheiden?

Um diesen Kritikern vor dem Bundesparteitag und vor der Urabstimmung entgegen zu kommen, beginnen nun auch die Anhänger einer Kandidatur für die PDS gewisse Zweifel an der neoliberalen Politik in den rot/roten Landesregierungen anzudeuten:

„„Klaus Ernst, Bundesvorstand der WASG, erkennt „mit Blick auf die Koalition zwischen SPD und PDS ein beachtliches Konfliktpotential“. Ernsts Vorstandskollege Joachim Bischoff kündigt spätestens für die Zeit nach den Bundestagswahlen harte Debatten an: „Die Konflikte müssen alle auf den Tisch. Sonst ist das Bündnis eine Mogelpackung.“ (Morgenpost 21.6.)“

Die Frage ist nur, warum diese Probleme erst nach den Bundestagswahlen „auf den Tisch kommen sollen“, und nicht jetzt, wo der Inhalt der „Mogelpackung“, also das Wahlprogramm einer Wahlliste ausgehandelt wird. Nach den Wahlen wird es zu spät sein…

Gastkommentar von Heino Berg, Bremen