Eigenständiger WASG-Wahlkampf: "Jeden Tag auf der Straße"

Gespräch mit Hakan Doganay, Mitglied im Landesvorstand der WASG Berlin, über den Wahlkampf und seinen Eintritt in die SAV
 

In Berlin wird der gemeinsame Wahlantritt von WASG und Linkspartei/PDS aufgrund der unsozialen Politik der PDS in der rot-roten Landesregierung erheblich erschwert. Wie positioniert sich die WASG Berlin in diesem Wahlkampf?

Meiner Ansicht nach ist es dringend notwendig, dass es nach dem 18. September eine starke Bundestagsfraktion gibt, die gegen Sozialabbau und Neoliberalismus kämpft. Ein Grund, warum sich die WASG gegründet hat, war genau das: der Aufbau einer starken außer- und innerparlamentarischen Opposition gegen Sozialkahlschlag, den Abbau von Arbeiterrechten und Privatisierungsvorhaben.

Doch in Berlin betreibt die Linkspartei/PDS leider das genaue Gegenteil: Soziale Leistungen werden zusammengestrichen, öffentliche Betriebe privatisiert und Löhne gekürzt. Das ist purer Neoliberalismus. Die WASG in Berlin hat deshalb beschlossen, den bundesweiten Antritt der WASG auf den Listen der Linkspartei zu akzeptieren, aber einen eigenständigen Wahlkampf zu führen. Berliner Bezirksgruppen organisieren täglich bis zu zwei WASG-Infotische. Auch ich bin jeden Tag auf der Straße. Wir haben eine Wahlkampfzeitung, den WASG-Kurier, und verschiedene WASG-Themenflugblätter herausgegeben und versuchen mit einem eigenständigem kämpferischen Profil neue Mitglieder für die WASG zu gewinnen.

Nach der Bundestagswahl soll ein Prozess eingeleitet werden, an dessen Ende wahrscheinlich eine Vereinigung von Linkspartei/PDS und WASG und eventuell anderen Kräften steht. Die WASG Berlin hat auf ihrer Landesmitgliederversammlung beschlossen, bei der Abgeordnetenhauswahl im nächsten Jahr eigenständig anzutreten. Was ist deiner Meinung nach die Perspektive für Berlin?

Ich stehe für den Aufbau einer Partei, die abhängig Beschäftigte und Erwerbslose vertritt – einer Partei der Arbeiterklasse. Die PDS hat zwar den Sozialismus im Namen, macht jedoch real in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern keine Politik für die Arbeiterklasse. Sie ist viel eher eine Partei der Mittelschicht – gerade in Berlin.

Wenn es zu einer Fusion von Linkspartei/PDS und WASG kommen soll, dann nur unter der Voraussetzung, dass die Linkspartei/PDS mit ihrer bisherigen Politik bricht. Nur dann ist es möglich, dass eine zukünftige gemeinsame Partei Kämpfe im betrieblichen und sozialen Bereich unterstützen und mit voran treiben kann.

Für die Verhandlungen in Berlin ist es wichtig, dass die WASG in die Offensive kommt. Wir sollten der Linkspartei/PDS nach der Bundestagswahl Gespräche anbieten und darin inhaltliche Bedingungen formulieren, die deutlich gegen die neoliberale Regierungsbeteiligung gerichtet sind. Würde sich die Linkspartei/PDS darauf einlassen – was logischerweise zum Bruch mit der SPD-Koalition führen müsste – könnte die WASG meiner Ansicht nach einer gemeinsamen, paritätisch besetzten Liste zur Abgeordnetenhauswahl im Jahr 2006 zustimmen. Ist die Linkspartei/PDS dazu nicht bereit, sind wir in der Lage, eigenständig anzutreten. Diese Frage sollte von der Mitgliedschaft der Berliner WASG entschieden werden.

Du warst zwanzig Jahre lang Mitglied des Betriebsrats bei Bosch-Siemens-Hausgeräte (BSH) in Berlin und hast vor kurzem das Solidaritätskomitee für den Erhalt des BSH-Werks in Spandau mit aufgebaut. Seit einigen Monaten bist Du Mitglied der WASG. Nun hast Du dich entschlossen, Mitglied der SAV zu werden. Warum?

Meine Haltung als Gewerkschafter war immer systemkritisch. Zwanzig Jahre Erfahrung im betrieblichen und gewerkschaftlichen Bereich haben meine Auffassung bestätigt, dass das kapitalistische System von innen heraus nicht reformierbar ist. Für mich ist der Aufbau einer Arbeiterpartei nicht nur marxistische Theorie, sondern konkrete Notwendigkeit. Deshalb baue ich die WASG mit auf und setze mich mit GenossInnen der SAV und anderen Linken für eine WASG-Politik ein, die nicht die kapitalistischen Sachzwänge, sondern die Menschen und ihre Bedürfnisse ins Zentrum rückt.

So habe ich zum Beispiel den Antrag auf einer WASG-Landesmitgliederversammlung unterstützt, dem zufolge Bosch-Siemens-Hausgeräte verstaatlicht werden und unter demokratischer Kontrolle weitergeführt werden sollte.

In vielen praktischen und inhaltlichen Punkten habe ich bereits in den letzten Wochen mit der SAV zusammen gearbeitet. Jetzt habe ich mich entschlossen, ihr beizutreten, um den sozialistischen Flügel in der WASG zu stärken.

Ich komme jedoch nicht aus dem luftleeren Raum und nur wegen der Gemeinsamkeiten innerhalb der WASG zur SAV. Ich verstehe mich seit vielen Jahren als Trotzkist und war auch in anderen politischen Organisationen Mitglied.

Ich hoffe, dass es uns gemeinsam gelingt, nicht nur eine kämpferische Arbeiterpartei mitaufzubauen, sondern gemeinsam eine bessere Gesellschaft zu erkämpfen.

Das Gespräch führte Lucy Redler von der SAV-Bundesleitung und Mitglied im Länderrat der WASG

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