Bündnis gegen Arbeitsplatzvernichtung und Armut gegründet
Entgegen der Versuche seitens der vom ANC dominierten sogenannten "dreiteiligen Allianz" bestehend aus ANC, kommunistischer Partei (SACP) und dem Führungsapparat von COSATU (Gewerkschaftsdachverband von Südafrika), das Treffen zu zerreden und des offenen Boykottaufrufs von SACP und ANC, haben sich am 22. August 2005 1300 Delegierte aus über 70 Einzelorganisationen getroffen, um ein Bündnis gegen Arbeitsplatzvernichtung und Armut ins Leben zu rufen. Die teilnehmenden Organisationen reichten von solchen, die seit Jahren in Opposition zum ANC und zur "dreiteiligen Allianz" stehen (z.B. die "Kampagne gegen Zwangsräumungen"), über jene, wie etwa das New Women´s Movement, einer Graswurzel-Frauen-Bewegung aus der Arbeiterklasse, die sich selbst als keiner politischen Richtung zugehörig beschreibt.
ArbeiterInnen aus der Fisch verarbeitenden Industrie, die einen ehemals kompromisslosen ANC-Anhänger zu ihrem Sprecher wählten, sind heutzutage tief enttäuscht und desillusioniert über die Entwicklung des ANC. Des Weiteren waren VertreterInnen anwesend von den Kirchen, den NGOs, der Treatment Action Campaign (einer Bewegung, die sehr erfolgreich im Kampf mit der Regierung für die Entwicklung eines Masterplans zur Unterstützung von HIV/Aids-Infizierten war), den Women on Farms (auf Farmen meist prekär beschäftige Frauen), den Right To Work – AktivistInnen, der Jugendorganisation Youth in Action, der Landless Peoples Movement (Landlosenbewegung) und weitere AktivistInnen von kürzlich erst gegründeten Hausbesetzergruppen.
Tony Ehrenreich, der COSATU-Bevollmächtigte der Provinz Western Cape (Hauptstadt: Kapstadt) beschrieb die Veranstaltung folgendermaßen: "Die VertreterInnen all dieser Organisationen füllten die Stadthalle bis an den Rand ihres Fassungsvermögens. Sie erzeugten ein Gefühl von Zusammengehörigkeit, einen Geist, den man zuletzt im Kampf gegen das Apartheid-Regime oder in den ersten Tagen der Demokratie spüren konnte." (The Star, 1. Sept. 2005)
Auf roten Bannern waren die Forderungen nach Wohnungsbau, Arbeitsplätzen, einem Mindestlohn, Grund und Boden sowie einer funktionierenden Gesundheitsversorgung zu lesen. Das Treffen selbst war hauptsächlich von einer Analyse des bisherigen Widerstands der Arbeiterklasse gegen die verheerende neoliberal-kapitalistische Politik der Regierung und die Auswirkungen auf die persönlichen Lebensverhältnisse bestimmt. Äußerst bemerkenswert war dabei auch eine recht große Einzelveranstaltung von COSATU-Betriebsräten, auf der weder T-Shirts des ANC zu erblicken noch Slogans oder Lieder der ehemaligen Freiheitsbewegung Nelson Mandelas zu hören waren.
Obwohl NGOs wie das "alternative Informationszentrum" eine bedeutende Rolle bei der Vorbereitung des Meetings spielten, kam die Initiative zu dem Treffen vom Exekutivkomitee des COSATU mit Tony Ehrenreich als Leiter der Steuerungskommission. In einem bedeutungsschwangeren Moment, der an die Abstimmung über die Freedom Charta 1955 erinnert, sollten alle teilnehmenden Gruppierungen ihre jeweiligen Forderungen auf den Tisch legen.
Die SprecherInnen auf dem Podium wurden gebeten, sich lediglich auf kurze, vorstellende Worte zu beschränken, um so vielen AktivistInnen wie möglich Rederecht einräumen zu können. Es bildete sich schnell eine lange Schlange, als die ersten VertreterInnen begeistert begannen, ihre Vorstellungen vorzubringen. So wurde die Forderung nach einem sofortigen Ende der Privatisierungsmaßnahmen von der Nehawu (Gewerkschaft der Angestellten im Bildungs- und Gesundheitsbereich) vorgebracht und Studierende begründeten die Forderung nach freiem Zugang zu Bildung und Lehre. KollegInnen der Fisch verarbeitenden Industrie verurteilten das System der Fangquoten, das eingeführt wurde, um für einen vermeintlich besseren Zugang der Schwarzen ins Wirtschaftsleben zu sorgen. Tatsächlich trägt diese Bestimmung nur dazu bei, die ArbeiterInnen in ihrer Arbeit zu beschränken und gleichzeitig der dunkelhäutigen kapitalistischen Elite des Landes den Weg für weitere Großinvestitionen zu ebnen. Die Quoten schränken die Fangrechte der örtlichen FischerInnen ein und zerstören die Lebensgrundlagen ganzer Familien, während gleichzeitig ein enormer Reichtum für eine aufkommende Minderheit dunkelhäutiger Eliten zusammenkommt. Die "Kampagne gegen Zwangsräumungen" rief die Versammelten dazu auf, sich über zwei Dinge klar zu werden: Erstens die Ursachen für Armut und Arbeitslosigkeit, die im Kapitalismus und der zur Zeit neoliberal ausgerichteten Politik zu suchen sind, und andererseits die Verantwortung, die die ANC-Regierung dabei trägt.
All diese Ansätze sollten zunächst zusammengetragen und zur weiteren Diskussion auf einem Folgetreffen am 20. September 2005 vorgestellt werden. Dort soll dann auch ein Entwurf einer gemeinsamen Erklärung und mögliche Grundsätze diskutiert und abgestimmt werden.
Seit der ersten Zusammenkunft wurde versucht, das Bündnis in verschiedene politische Richtungen zu drängen. Einige scheinen dabei den Versuch zu unternehmen, die ganze Idee schon am Anfang scheitern lassen zu wollen. Andere Kräfte sehen sich hingegen veranlasst, die Resolution des achten COSATU-Kongresses in die Tat umzusetzen, die zur Gründung von Bündnissen gegen Armut aufruft. Bis jetzt sind diese Bündnisse lebendig…
von Weizmann Hamilton, Johannesburg, Mitglied des Democratic Socialist Movement (Schwesterpartei der SAV und Sektion des CWI in Südafrika)
7. Oktober 2005
Anmerkungen:
Der African National Congress wurde schon 1912 im kolonisierten Südafrika gegen die Unterdrückung britischer und niederländischer Kräfte gegründet. Als nach der Einführung der rassistischen Apartheid-Politik Ende der 1940er Jahre viele Widerstandsgruppen (gerade auch Gewerkschaften) verboten wurden, wurde der ANC (teils unfreiwillig) zum Sammelbecken des südafrikanischen Widerstands. Zur weiteren Entwicklung ein Artikel auf www.sozialistischealternative.info
In Kliptown, Soweto, wurde damals dem weitgehendste Positionspapier der Befreiungsbewegung von Tausenden Menschen zugestimmt, das dem ANC je aufgedrängt wurde. Noch heute rühmt sich der ANC damit auf seiner Website, obwohl die Tagespolitik längst ins Gegenteil umgeschlagen ist.