Interview mit Norbert Ahlers, Betriebsratsmitglied* bei CNH
Seit dem 21. Februar streiken 500 KollegInnen bei CNH, früher Orenstein und Koppel (O&K), gegen die vom Mutterkonzern Fiat betriebene Werkschließung in Berlin-Spandau. Das Interview führte Johannes Ullrich am 6. März.
Was ist der Stand der Verhandlungen mit der Geschäftsleitung?
Es gab bisher ein Treffen, während dem aber vom Management nur die bei Betriebsschließungen gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen angeboten wurden und keine Gesprächs- bzw. Verhandlungsbereitschaft signalisiert wurde. Heute (06.03.) um 14.30 Uhr wird es ein weiteres Gespräch geben, in dem sich vielleicht ein anderes Bild ergeben wird.
Welche Auswirkungen hat der Streik ökonomisch?
Hier in Berlin-Spandau werden zwar „nur“ die Maschinen zusammengebaut, aber dennoch sind natürlich Zwischenhändler von unseren Lieferungen abhängig. Außerdem ist hier das weltweite Ingenieurs-Kompetenzzentrum von CNH, das heißt, wenn diese Kollegen Anfragen anderer Werke nicht bearbeiten können, entsteht schon wirtschaftlicher Druck.
Und wie ist es mit den politischen Auswirkungen?
Es gibt quer durch alle Parteien die Aussage, dass sie „zum Standort Berlin stehen“, was in der Konsequenz auch ein Eintreten für uns CNH"ler bedeutet. Das wird auch immer wieder in Reden von Politikern bei Veranstaltungen bei uns betont, die unseren Kampf ausdrücklich unterstützen. Eine Strategie der Berliner Politik besteht z.B. darin, geflossene Investitionen und Subventionen von CNH zurückzufordern, falls der Standort wirklich geschlossen werden soll. Dabei ist von 70 Mio. EUR die Rede.
Gibt es spezifische Auswirkungen auf den Bezirk Berlin-Spandau?
Ich würde von einem generellen „Standortproblem“ sprechen. Man geht davon aus, dass jeder Industriearbeitsplatz fünf Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor trägt. Daher wird die Situation für Berlin ab einer gewissen Untergrenze schwierig – der Arbeitgeberverband geht von einer Zahl von 100.000 Beschäftigten in der Industrie aus.
Wie ist die Situation für Auszubildende?
Diejenigen Azubis, die im Juni ihre Prüfung haben, könnten wohl noch hier die Vorbereitung machen. Aber für das erste und zweite Lehrjahr müßten Regelungen gefunden werden, die Ausbildung in anderen Betrieben fortzusetzen. Das würde dann so aussehen, dass CNH diese Fortführung der Ausbildung zahlt. Der ganze Komplex wird aber auf jeden Fall auch ein wichtiges Thema in den Verhandlungen mit CNH werden.
Was ist eure Einschätzung, lässt sich das Werk erhalten?
Wenn sich in den anstehenden Gesprächen die Position von CNH nicht ändert, sieht es nicht so aus, als könnte unsere Produktion unter deren Dach weitergeführt werden. Aber es besteht ja z.B. auch die Möglichkeit, einen anderen Investor zu finden. Aber unser Streikziel ist auf jeden Fall die Aufrechterhaltung der Produktion.
A propos Aufrechterhaltung der Produktion: Wäre mit den Kollegen ein ähnlicher Abschluß, wie er jetzt bei AEG Nürnberg ausgehandelt wurde, zu machen?
Ein klares Nein. Je mehr Details aus dem Nürnberger Ergebnis bekannt werden, desto mehr wächst der Unmut bei unseren Kollegen. Zum Beispiel gilt die dort vereinbarte 53er-Regelung erst ab 29 Jahren Betriebszugehörigkeit. Unsere Basisdemokratie funktioniert – erst wenn ein Verhandlungsergebnis mit dem Kleingedrucktem bekannt ist, können die einzelnen Beschäftigten darüber abstimmen. Aber unabhängig davon hat der Betriebsrat ja auch Leute in der Verhandlungskommission, die unsere Positionen konsequent vertreten werden.
Heute (06.03.) morgen gab es einen Versuch der Geschäftsleitung, auf das Betriebsgelände zu kommen. Warum hat das nicht geklappt?
Eine von der SPD Spandau angemeldete Dauerdemonstration vor unserem Gelände hat dazu geführt, dass der Vorstand nicht durchkam. Solche kreativen solidarischen Aktionen sind ein Beispiel dafür, wie auch die Bevölkerung mit für einen erfolgreichen Streik sorgen kann. Wir freuen uns jedenfalls über jede Soliaktion!
* dient nur der Kenntlichmachung der Person