In der Energiewirtschaft sprudeln die Gewinne – gleichzeitig nehmen Sicherheitsmängel zu und steigen die Preise
Ein Störfall im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark vom 25. Juli hätte beinahe eine Katastrophe ausgelöst. Aus einem internen Bericht der deutschen Gesellschaft für Anlagen-und Reaktorsicherheit geht hervor, dass die Anlage nach dem Ausfall der gesamten Stromversorgung nur noch 18 Minuten von dem Größten Anzunehmenden Unfall (GAU) entfernt war.
von Pablo Alderete, Stuttgart
Ein Warnruf, der nach Tschernobyl eigentlich auch in Deutschland gehört werden müsste – sollte man meinen. Doch der deutsche Stromriese EnBW beispielsweise bezieht weiterhin drei Viertel des Stroms aus Atomkraftwerken.
Gehen auch hier mal die Lichter aus?
Auch beim deutschen Stromnetz mehren sich die Fragezeichen. Auslöser dafür war der Stromausfall im Spätherbst dieses Jahres. Das wirft weitere Fragen auf – nach Investitionen und Kapazitäten. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz des Kapitalismus, das nach Privatisierungen und „Marktöffnung“ knapp kalkuliert und spitz gerechnet wird, um vor allem eines zu erzielen: eine hohe Rendite.
Monopoly
Die Liberalisierung des Strommarktes 1998 hat nicht, wie behauptet, dazu geführt, dass die „unsichtbare Hand des Marktes“ Angebot und Nachfrage reguliert und kleineren Anbietern eine Chance gibt. Im Gegenteil.
Es sind in der Bundesrepublik eine Handvoll Stromkonzerne, die sich ihre Bilanzen vergolden. Die Monopolisten E.on, RWE, EnBW und Vattenfall kommen auf einen Marktanteil von 80 Prozent bei der Stromerzeugung.
Allein im ersten Halbjahr 2006 konnte E.on einen Gewinn von 2,8 Milliarden Euro erwirtschaften, RWE 1,66 Milliarden, EnBW und Vattenfall je eine Milliarde. Kurz nach Bekanntgabe dieser Zahlen im August sickerte durch, dass die Strompreise erneut um im Schnitt zehn Prozent erhöht werden sollen.
Der Filz
Verflechtungen garantieren eine große Einflussnahme auf die Politik. Ex-Bundeswirtschaftsminister Müller arbeitet heute als Berater für RWE. Zahlreiche Politiker aus Nordrhein-Westfalen hatten Beraterverträge mit der gleichen Firma – bis diese „Nebeneinkünfte“ zusätzlich zu den üppigen Diäten öffentlich wurden. Gegen die Umweltministerin von Baden-Württemberg, wird jetzt ermittelt, weil sie gleichzeitig in der Atomaufsichtsbehörde sitzt. Übrigens bekam sie von EnBW zwei Freikarten für die Fußball-WM. Im Südwesten ist EnBW in puncto Sponsoring allgegenwärtig.
Wie der Kapitalismus (nicht) funktioniert
Die Wurzeln der derzeitigen Macht der Stromkonzerne liegen in dem privaten Eigentum an einem lukrativen und wichtigen Bereich der öffentlichen Vorsorge. Privateigentum führt zwangsläufig zu Konkurrenzkampf und Profitstreben. Dem wird alles andere untergeordnet. Die Erhöhung der Rendite gerät in Widerspruch zu den gesamtgesellschaftlichen Interessen. Für Investitionen und Erneuerungen wird höchstens das Nötigste ausgegeben, oft nicht einmal das. Damit sind weitere Stromausfälle vorprogrammiert. Umweltrisiken und Schäden werden in Kauf genommen. Damit die Rendite stimmt, geht die Umwelt den Bach runter.
Sozialistische Politik
Wenn wir nennenswert was verbessern wollen, dann müssen wir an die Wurzeln gehen. Die Stromriesen müssen in Gemeineigentum überführt werden. Denn nur was einem gehört, kann man auch kontrollieren.
Gemeineigentum darf nicht heißen, dass einige kapitalistische Politiker das Sagen haben. Vielmehr müssen die Belegschaften und andere gesellschaftliche Gruppen eine wirksame Kontrolle darüber erlangen, wie die Produktion ausgerichtet sein soll, wo investiert wird, wer zu welchem Zweck in welchem Bereich forscht. Nötig ist also eine demokratische Kontrolle und Verwaltung von Produktion und Forschung im Energiesektor.
Wenn keine Profite mehr für eine kleine Minderheit erwirtschaftet werden müssen, um Konkurrenten auszustechen, und zudem ein Leben für einige Wenige in Saus und Braus zu garantieren, dann könnten viele Gelder eingespart werden. Gelder, die in die Infrastruktur und zur Erforschung alternativer Energien und von Energieeinsparmodellen gesteckt werden könnten.
Es geht um unsere Zukunft
Im August wurde bekannt, dass die Eisschicht in Grönland in den vergangenen zwei Jahren dreimal schneller geschmolzen ist, als in den vorangegangenen fünf Jahren. Geschmolzenes Eiswasser ist nicht so hell wie das weiße Eis (welches Sonne reflektiert) und absorbiert mehr Sonnenstrahlen. Das könnte dazu führen, dass die Erde mehr Sonnenstrahlen aufnimmt, die Erderwärmung weiter steigt, was wiederum mehr Eis zum schmelzen bringt und einen voranschreitenden Kreislauf auslöst.
Um aber die Erderwärmung und die Klimaprobleme in den Griff zu bekommen, wird es notwendig sein, nicht nur die Energieindustrie dem privaten Zugriff und den Profitinteressen einer kleinen Minderheit zu entziehen, sondern auch die Wirtschaft im Allgemeinen nach den Bedürfnissen von Mensch und Umwelt zu gestalten.
Das schreit nach sozialistischer Planung. Und zwar über Ländergrenzen hinweg. Radioaktive Strahlen machen auch nicht an Grenzen halt. Stromausfälle in einem Land können auch die Nachbarländer treffen.