dokumentiert: Rede von Nina Baucke, Mitglied im LandesprecherInnenrat der Linksjugend[’solid] NRW bei der antifaschistischen Demonstration in Stolberg am 12. April 2008.
Guten Morgen liebe AntifaschistInnen und Antifaschisten,
mein Name ist Nina Baucke. Ich spreche im Namen vom LandessprecherInnenrat von Linksjugend[’solid] , dem Jugendverband der Partei die Linke.
Es ist ein Skandal, dass die Nazis noch immer offen aufmarschieren dürfen. Erst letzte Woche sind hier in Stolberg 100 Nazis aufmarschiert und haben unter den Augen der Polizei rassistische Parolen gebrüllt und den Hitlergruß gezeigt.
Es ist unglaublich, rechtsextreme Organisationen wie die NDP und andere rassistische Organisationen sind nicht verboten. Sie dürfen, von unseren Steuergeldern finanziert, zu Wahlen antreten, Veranstaltungen und Demonstrationen durchführen, wo sie ihr menschenverachtendes Gedankengut verbreiten. Und gerade hier in der Stolberger und Aachener Region häufen sich in letzter Zeit rassistische Übergriffe auf, MigrantInnen und Überfälle auf AntifaschistInnen. Außerdem sind Linke und GewerkschafterInnen bundesweit Zielscheibe der Nazis.
Ich werde tagtäglich mit latentem und offenem Rassismus konfrontiert.
Seien es komische Blicke im Bus, Bahn oder blöde Bemerkungen und rassistische Sprüche. Rassistische Übergriffe mehren sich wieder und als Linker muss man heutzutage wieder aufpassen, was man trägt oder wo man langgeht, um nicht Opfer von rassistischen Übergriffen zu werden.
Dabei wenden die Nazis neuerdings andere Taktiken an. Die sogenannten „Autonome Nationalisten“ tarnen sich als „Autonome“ indem sie ihre Kleidung imitieren, Symbole und Kultur kopieren und versuchen, sie auf ihre rechte Gesinnung umzudeuten. Letzte Woche erst wurden in der Duisburger Innenstadt Mitglieder von Linksjugend["solid] von zwei „autonomen Nationalisten“ brutal angegriffen.
Aber auch andere rechte Bürgerbewegungen wie „Pro Köln“ oder „Pro NRW“, tarnen sich, indem sie sich in der Öffentlichkeit als Biedermänner geben. Dass macht es umso notwendiger, sie zu entlarven.
Ich komme aus Köln und dort versucht gerade die selbst ernannte „Bürgerbewegung“ „Pro Köln“ Fuß zu fassen und sich zu etablieren. Sie sitzt seit den letzten Kommunalwahlen mit Fraktionsstärke im Kölner Stadtrat.
Dabei handelt es sich aber in Wirklichkeit um eine rechtextreme Gruppierung, die Kontakte zur NPD und den Schlägertruppen der „freien Kameradschaften“ pflegt.
Am 19./20. September diesen Jahres will „Pro Köln“ nun mit der von ihnen ins Leben gerufenen Bürgerbewegung „Pro NRW“ in Köln den ersten so genannten „europäischen Anti-Islam-Kongress“ durchführen. Die Rechtsextremen rechnen selbst mit 1000 Teilnehmern. Sie werben in ihren Reihen damit, dass die gesamte Prominenz der europäischen Rechtsextremen dort auftreten wird.
Unter den geladenen Gästen befindet sich Jean-Marie Le Pen, Vorsitzender der französischen Rechtspartei „ Front National“, Heinz-Christian Strache, Vorsitzender der österreichischen FPÖ, und Bart Debbie, ein wegen Amtsmissbrauch und Gewalttaten verurteilter Polizist und Mitglied des rechten belgischen „Vlaams Belang“.
Wir von Linksjugend["solid] wollen nicht hinnehmen, dass ein solcher Kongress in Köln oder anderswo stattfindet. Wir haben genug von der spalterischen Hetze gegen AusländerInnen und Menschen anderen Glaubens. Wir wollen nicht, dass eine als „Bürgerbewegung“ getarnte rechtsextreme Organisation öffentliche Gelder bekommt. Wir wollen nicht, dass „Pro Köln“ von der Stadt Köln einen Platz zur Verfügung gestellt bekommt, um ihre rassistische Propaganda in die Öffentlichkeit zu posaunen.
„Pro Köln“ benutzt den Kongress als Auftaktveranstaltung für ihren Wahlkampf für die kommunalen Wahlen nächstes Jahr in NRW. Lasst uns ihnen das gründlich vermiesen.
Unterstützt unsere Kampagne und kommt alle am 19.September nach Köln und stellt euch den Nazis in den Weg. Unser Ziel ist es, den Kongress zu verhindern und dafür benötigen wir jeden einzelnen von euch.
Aber ich frage, wie kann man die Nazis bekämpfen.
Ich bin davon überzeugt, dass in diesem Land die Antifaschistinnen und Antifaschisten klar in der Mehrheit sind. Die Nazis sind nur eine kleine Minderheit. Die Gewerkschaften, linke Organisationen und Parteien wie die Linke haben die Möglichkeit und die Pflicht, durch Massenmobilisierung Gegenwehr zu organisieren.
Ich vermisse hier heute die großen Gewerkschaften wie ver.di und IG Metall. Warum haben die Gewerkschaften nicht hierher aufgerufen und ihre Mitgliedschaft mobilisiert.
Alle Erfahrung zeigt, dass man sich beim Kampf gegen Nazis nicht auf den Staat und die etablierten Parteien verlassen kann. Die bürgerlichen Parteien, einschließlich der neoliberalen SPD tragen mit ihrer Asyl- und Abschiebepolitik die Schuld daran, dass Mitmenschen mit Migrationshintergrund heutzutage fast ganz selbstverständlich als Bürger 2.Klasse gesehen werden. Menschen, deren „einziges Vergehen“ darin besteht, um Asyl zu bitten, werden in Abschiebknäste gesteckt und der persönlichen Freiheit beraubt. Menschen, die hier leben, denen wird das Wahlrecht verwehrt. Der staatliche Rassismus trägt dazu bei, dass rechtsextreme Bürgerbewegungen wie „Pro Köln“ bestehen und in der Öffentlichkeit gegen Moslems hetzen können.
Die systematische Ungleichbehandlung und systematische Diskriminierung von Ausländern durch staatliche Gesetze, die Beschneidung ihrer demokratischen Rechte und ausländerfeindliche Sprüche von Politiker, haben den Nazis den Boden bereitet.
Rassismus bedeutet Spaltung.
Statt einen gemeinsamen Kampf zu führen und sich über diejenigen aufzuregen, die die Hartz- Gesetze eingeführt haben, die Fabriken schließen, Löhne kürzen, Studiengebühren einführen, Leute entlassen, soll die Bevölkerung gegeneinander aufgehetzt werden.
Wir lehnen jede Form von Rassismus ab, den Rassismus der Nazischläger, aber auch den staatlichen Rassismus.
Wir fordern gleiche politische und soziale Rechte für alle. Wer in Deutschland lebt, muss auch Zugang zu allen Rechten haben, einschließlich des allgemeinen Wahlrechts, der vollen Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit.
Es reicht. Das Maß ist voll. So kann es nicht weitergehen.
Ich möchte, wie sicherlich Ihr alle hier, und fast alle anderen Menschen auf diesem Planeten, Teil einer friedlichen, solidarischen Welt sein.
Eine Welt, frei von Vorurteilen, Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Religion, der sexuellen Orientierung und des Aussehens. Eine Gesellschaft, frei von Kampf um Ausbildungsplätze, eine Gesellschaft ohne Arbeitslose und wo keine Konkurrenzkampf herrscht. So eine Welt ist unvereinbar mit dem Kapitalismus.
Unser Ziel ist eine sozialistische, demokratische Gesellschaft. Die kann man nur erreichen im gemeinsamen Kampf über nationale und religiöse Grenzen hinweg.