Nach dem dreiwöchigen Streik, der von zahlreichen Kundgebungen und Protestaktionen begleitet war, haben die rumänischen Dacia-Beschäftigten die höchste Lohnerhöhung in Rumänien in den letzten fünfzehn Jahren erzielt.
von Tinette Schnatterer, Stuttgart
Alle Dacia-Beschäftigten bekommen rückwirkend zum 1. Januar 300 Lei (knapp 90 Euro) mehr Lohn und ab September eine weitere Lohnerhöhung um 60 Lei. Zusätzlich bekommt jeder Arbeiter als Gewinnbeteiligung eine Jahresprämie in Höhe seines Bruttolohnes, bzw. mindestens 900 Lei. Nach Aussagen der Gewerkschaft ergibt das eine durchschnittliche Lohnerhöhung von rund 450 Lei im Monat. Ein großer Erfolg, wenn man bedenkt dass das ursprüngliche Angebot des Arbeitgebers bei 112 Lei mehr Lohn gelegen hatte! Und, auch wenn die ursprünglichen Forderungen der Kollegen, 550 Lei mehr Lohn, eine Gewinnbeteiligung, höheres Oster- und Weihnachtsgeld sowie Rabatte beim Kauf von Dacia-Autos nicht ganz erreicht wurden, hat der Streik bereits ermutigende Wirkung auf andere Belegschaften.
Nach Dacia: ArcelorMittal im Streik
Am 14. April traten die 14.000 Beschäftigten des größten Werks des Stahlkonzerns ArcelorMittal in Galati in einen unbefristeten Streik für höhere Löhne. Die Unternehmensleitung hatte eine Lohnerhöhung von zwölf Prozent angeboten, die Gewerkschaft fordert allerdings das Dreifache.
Bei einer Kundgebung am Montag vor dem Werkstor riefen die Streikenden Parolen die Bezug auf den Streik der Daciaarbeiter nahmen. Auch die Beschäftigten einer Reifenfabrik in Alexandria die von dem japanischen Konzern Koyo aufgekauft worden war diskutieren bereits Streikmaßnahmen.
Genau diesen motivierenden Effekt fürchten die Großkonzerne die in Rumänien investieren. Die Geschäftsleitung von Dacia hatte die Auswirkungen des Streiks heruntergespielt während dieser andauerte, aber nur um jetzt umso lauter darüber zu jammern, genau wie über die angeblichen Folgen des Abkommens. Insgesamt soll der Streik das Unternehmen mindestens 13 Millionen Euro gekostet haben. 17.000 Fahrzeuge seien in dieser Zeit nicht gefertigt worden, hieß es. Durch die beschlossene Lohnerhöhung steigen die Kosten für Dacia um 1,6 Millionen Euro im Monat. Allerdings muss man sich um die Profite von Dacia nach wie vor keine Sorgen machen! Dacia konnte die Anzahl der verkauften Autos 2007 um 17,4% im Vergleich zum Vorjahr steigern, in den ersten zwei Monaten 2008 verzeichnete der Konzern eine Verkaufssteigerung von 62%.
Zudem profitiert ausländisches Kapital in Rumänien von den zweit-niedrigsten Löhnen in der EU und von einer Steuer-Flat-Rate von 16 Prozent. Recht offen drückte die Financial Times am 15.4. die Sorgen der westlichen Konzerne aus: „Ein ähnliches Muster scheint sich in Osteuropa auszubreiten – mit einem beunruhigenden Unterschied. Während es ungefähr 20 Jahre dauerte bis der Niedriglohnzyklus in Spanien vorbei war, sieht der jetzige so aus, als ob er in Osteuropa nur Jahre anhalten würde. Firmen müssen eventuell noch weiter weg suchen um Lösungen für ihre Kosten zu finden.“
Die Drohung der Konzernleitung die Produktion in Länder zu verlagern, die noch billiger produzieren, hatte die Wut der KollegInnen in den letzten Wochen noch zusätzlich angeheizt. Stattdessen forderten sie Löhne wie beim Mutterkonzern Renault in Frankreich. „Man sagt uns, wir seien Mitglieder Europas, aber im Moment sind es nur die Preise die uns daran erinnern“, so ein Gewerkschaftssekretär.
„Ein warmes Essen für die Mitarbeiter“
Die Konzernleitung rühmt sich einiges für die Mitarbeiter zu tun. So gäbe es für jeden eine warme Mahlzeit am Tag. Aber die KollegInnen wollen sich nicht mit Almosen abspeisen lassen. Maria, die seit 25 Jahren in dem Betrieb arbeitet erklärte gegenüber der französischen Zeitung Autojournal :“Es nützt gar nichts, uns ein warmes Mittagessen zu geben, wenn wir unseren Kindern kein Abendessen auf den Tisch bringen können.“ Gheorge Gheorghu, 40 Jahre alt wohnt noch bei seinen Eltern. „Ich nehme den Bus zur Arbeit weil der Sprit zu teuer ist“, erklärt er und meint, „wir dachten mit dem Sturz des Kommunismus euer Lebensniveau zu erreichen.“
Allgemein herrscht heute eher das Gefühl vor mit der Einführung des Kapitalismus vom Regen in die Traufe gekommen zu sein. Umso wichtiger ist die Wirkung des Streiks bei Dacia. Er zeigt nicht nur auf, dass Gegenwehr erfolgreich sein kann, sondern setzte, mit dem Verweis auf die französischen Löhne, auch ein wichtiges Zeichen, dass die KollegInnen nicht mehr bereit sind sich international gegeneinander auspielen zu lassen.
Ion Diacomescu, der seit 24 Jahren in der Montage arbeitet und nach Feierabend noch Fenster montiert um seine Familie ernähren zu können betont gegenüber einem Journalisten der Zeitschrift „Es war wichtig für uns zu hören was ein französischer Renaultarbeiter verdient. Es darf in Europa keine verschiedenen Löhne für die gleiche Arbeit geben.“
Die meisten KollegInnen sind mit dem Ergebnis zufrieden, dies drückt sich auch in den Beiträgen in den zahlreichen Internetforen aus die in den letzten Wochen entstaneden und dem Streik gewidmet sind. Gegenüber der Zeitung Liberation äußerte sich der Arbeiter Nicu Oprea: „Jeden Abend [während des Streiks] habe ich mich gefragt wie ich das durchstehen soll und wie meine Rechnungen zahlen. Und dann, ihr habt es gesehen, haben wir gewonnen! Das ist die höchste Lohnsteigerung die in den letzten Jahren in Rumänien je erreicht wurde.“
Möglicherweise wäre sogar noch mehr drin gewesen wenn der Streik weiter gegangen wäre. Aber die KollegInnen sehen das jetzt erzielte auch als vorläufiges Ergebnis an. Der zuständige Gewerkschaftssekretär hat bereits angekündigt, dass Ende des Jahres nochmal verhandelt werden soll. Und die Provokationen der Werksleitung reißen nicht ab. Jetzt sollen die KollegInnen in den nächsten Wochen mehr arbeiten um die liegengebliebene Arbeit nachzuholen. Im April waren wegen dem orthodoxen Ostern fünf freie Tage vorgesehen, die jetzt doch gearbeitet werden sollen. Zudem sollen Kollegen zu Samstags- und Sonntagsschichten rangezogen werden.