Es besteht die Chance, die PRC als kämpferische Arbeiterpartei neu aufzustellen.
CWI (Komitee für eine Arbeiterinternationale, dessen Sektion in Deutschland die SAV ist), 31. Juli 2008, socialistworld.net
Nach einer harten Phase interner Debatten und Diskussionen und angesichts des heraufziehenden Orkans in der italienischen Wirtschaft scheint sich die Rifondazione Comunista gerade noch vor der Zerstörung zu retten. Die Delegierten des siebten Landeskongresses der Partito della Rifondazione Comunista (Partei der Kommunistischen Wiedergründung, PRC) haben für eine „Linkswende“ gestimmt, die möglicherweise die Grundlage für den Beginn einer kämpferischen antikapitalistischen Arbeiterpartei in Italien bilden könnte. Auf dem vermutlich verbittertsten und polarisierendsten Kongress in der 17jährigen Geschichte der Partei wurde Paolo Ferrero zum neuen Landesvorsitzenden, der damit Nichi Vendola, den vom ehemaligen Parteichef Fausto Bertinotti gewünschten Erben und Führer des rechten Flügels der Partei, knapp schlagen konnte.
Der Kongress fand nach der vernichtenden Niederlage der PRC bei den Parlamentswahlen im April dieses Jahres statt. Dabei erlangte die Partei als Sinistra Arcobaleno (Linker Regenbogen) zusammen mit drei kleineren Parteien lediglich drei Prozent der Stimmen und wurde flog komplett aus Senat und Abgeordnetenkammer. Das war die bittere Ernte der zwei Jahre währenden Teilnahme an der kapitalistischen Regierung unter der Führung von Romano Prodi und der Demokratischen Partei (PD), die eine neoliberale Politik betrieb und Millionen von ArbeiterInnen und jungen Menschen desillusionierte.
Bei dem Kongress stand die komplette Existenz der Partei auf dem Spiel. Ein Sieg für Vendola hätte das Ende der PRC als kommunistische Partei und eine Fortsetzung der bisherigen fehlgeschlagenen Politik der Sinistra Arcobaleno und der Regierungsallianzen mit der kapitalistischen PD bedeutet.
Jubel über Niederlage der Parteirechten
Vendolas Kongressantrag (Dokument 2) unterstützte die Auflösung der Rifondazione in einen „linken Bestandteil“ – namentlich der „Sinistra Arcobaleno Teil 2“. (Vgl. frühere Artikel auf www.socialistworld.net; Anm. D. Übers.). Darin wäre (in den Worten Bertinottis) Kommunismus nur eine „kulturelle Richtung“ unter vielen. Auf Orts- und Regionalkongressen der Partei, die im Vorfeld des Landeskongresses stattgefunden hatten, erreichte keines der fünf vorgelegten Strategiepapiere eine breite Mehrheit. Dokument 2 erreichte den höchsten prozentualen Anteil der Stimmen: 47 Prozent im Vergleich zu den 40 Prozent für den Antrag Ferreros (Dokument 1). Dies geschah allerdings vor dem Hintergrund zweifelhafter Abläufe und Abstimmungspraktiken. In einer Region im Süden des Landes, in der Vendola gewann, stimmten zum Beispiel mehr Menschen beim örtlichen PRC-Kongress ab als insgesamt Stimmen für den Sinistra Arcobaleno bei den Parlamentswahlen gezählt wurden!
Da sie die meisten Stimmen (und somit die meisten Delegierten) bekam, erwartete die Parteirechte eine knappe Mehrheit beim Landeskongress und einen Sieg für Vendola als Parteivorsitzendem. Ihre Strategie war es, die UnterstützerInnen des Dokuments 1 durch eine breite Mehrheit zu spalten. Doch damit scheiterten sie trotz einer stürmischen und scheinbar versöhnlichen Rede Bertinottis. Das endgültige Ergebnis stand bis zum Schluss auf Messers Schneide als die UnterstützerInnen der Dokumente 1, 3, 4 und 5 sich vereint hinter einem gemeinsamen Antrag sammelten, der mit 342 zu 304 die Mehrheit bekam.
Die Delegierten feierten die Niederlage der Parteirechten und den Fortbestand der Rifondazione als kommunistische Partei durch das Anstimmen der Internationale, Bandiera Rossa und Bella Ciao, während Vendola und seine AnhängerInnen wütend, verbittert und demoralisiert den Saal verließen. Bertinotti beschrieb die Gesänge und die geballten Fäuste, die nach Ferreros Rede erhoben wurden, als „abscheuliche Szenerie“, die er nie zuvor in der Geschichte der Partei erlebt habe.
Vendola sagt, dass es nicht zu einer Spaltung der Partei kommen werde. Aber es ist eindeutig, dass das der Weg ist, den er gehen wird. Er hat seine eigene Gruppe Rifondazione per la sinistra gegründet, die zu einer eigenen landesweiten Demonstration im September aufruft. Er hat den Kongress als „das Ende der Geschichte der Rifondazione Comunista“ beschrieben und seine AnhängerInnen lehnen eine Mitarbeit in den landesweiten Institutionen der Partei ab. Eine endgültige Spaltung ist für die Zeit vor den Europawahlen – wenn nicht schon vorher – wahrscheinlich.
Zukünftige Kämpfe
Das abschließende Kongressdokument besagt, dass die Phase der Zusammenarbeit mit der PD in der Regierung auf Landesebene nun vorüber ist. Es weist den Ansatz der Auflösung der PRC in einen „linken Bestandteil“ vollends zurück und ruft zur Wiederbelebung der Rifondazione auf der Grundlage von sozialen und Arbeitskämpfen gegen die Regierung Berlusconi auf. Es sagt aus, dass die PRC bei den Europawahlen nächstes Jahr unter ihrem eigenen Symbol aus Hammer und Sichel antreten und dabei versuchen soll, Verabredungen mit anderen antikapitalistischen, kommunistischen und linken Kräften zu treffen.
Dies stellt möglicherweise eine Plattform zur Wiederbelebung der PRC und ein Sprungbrett dafür dar, um andere Kräfte (KommunistInnen, GewerkschafterInnen, soziale und Community-Bewegungen, Jugendliche usw.) einzubeziehen und eine antikapitalistische Partei mit Wurzeln am Arbeitsplatz und in den Communities und mit einem kämpferischen Programm für die revolutionäre Transformation der Gesellschaft zu schmieden. In einer ökonomischen Krise, die die täglichen und brutalen Angriffe der Berlusconi-Regierung auf die Bedingungen der ArbeiterInnen und ImmigrantInnen sowie auf die demokratischen Rechte allgemein verschlimmert, kommt es zwangsläufig zu Arbeiter- und sozialen Bewegungen. Die Presse spricht bereits von einem „heißen Herbst“ mit den Beschäftgiten des öffentlichen Dienstes an der Spitze. Vor diesem Hintergrund kann eine kämpferische, antikapitalistische Partei mit einem korrekten Programm möglicherweise eine Massenbasis entwickeln und rasch wachsen.
Dennoch ist eine solche Entwicklung lange noch nicht sicher. Rifondazione hat viel von ihrer Glaubwürdigkeit und die meisten ihrer Verbindungen zu ArbeiterInnen und den radikalisierteren Teilen der Gesellschaft verspielt. Es wird nicht einfach für die PRC sein, sich von ihrer momentanen demoralisierten und geschlagenen Situation zu erholen und es könnte sich sogar als unmöglich erweisen. Sollte sich die Parteirechte abspalten – was am wahrscheinlichsten ist -, wird das von der herrschenden Klasse und den Medien genutzt werden, um zu versuchen, die Partei weiter zu diskreditieren und sie für tot zu erklären. Wenn die Rechte sich aber dazu entscheidet zu bleiben und den Kampf aufzunehmen, dann könnte das die Lage innerhalb der Partei extrem bitter und schwierig werden lassen und zu einer gesteigerten Demoralisierung sowie einem weiteren Abwandern der Mitglieder und der Anhängerschaft führen.
Ferrero selbst war Teil der Mehrheit in der Parteiführung, die die Teilnahme an der Regierung Prodi unterstützten. Er wurde Sozialminister. Während er dieser Erfahrung im Nachhinein kritisch gegenüber steht, bleibt er in der Frage des Verhältnisses der Partei zur PD unklar. Er spricht von der Unmöglichkeit, dass die PRC sich mit „dieser“ PD zusammenschließt, was impliziert, dass eine Allianz in Zukunft möglich sein kann. Nach dem Kongress bleibt die Positionierung der Partei hinsichtlich regionaler Koalitionen mit der PD durch eine Resolution unklar, die besagt, dass von Fall zu Fall einzeln und im Einklang mit der auf dem Kongress angenommenen allgemeinen politischen Ausrichtung entschieden werden muss. Eine Partei, die in Stadt- und Gemeinderäten, die bei Bildung, Gesundheit und anderen Dienstleistungen privatisieren und kürzen, weiterhin partizipiert, wird es schwer haben, neue Unterstützung zu erlangen. Um die Basis für eine Arbeiterpartei der Massen zu schaffen, ist ein klarer Bruch mit der Vergangenheit nötig und eine Kampagne notwendig, in der alle wichtigen Arbeitsstätten aufgesucht werden, um ArbeiterInnen in den Aufbau einer kämpferischen Kraft gegen den Kapitalismus einzubeziehen, die eine Mehrheit in der Gesellschaft gewinnen kann, unabhängig von allen arbeitnehmerfeindlichen Parteien. Die direkte Beteiligung an aufkommenden Kämpfen kann eine wiederbelebte PRC vollends ausfüllen.
Die momentane Mehrheit ist zerbrechlich und schwach, und sie weist erhebliche Differenzen nicht nur zwischen den Fraktionen, die die fünf ursprünglichen Kongressdokumente unterstützten, sondern auch innerhalb der vielen Gruppierungen selbst auf. Ein ernsthafter politischer Kampf wird innerhalb und außerhalb der Partei geführt werden müssen, um sicherzustellen, dass eine kämpferische antikapitalistische Partei mit einem revolutionär-sozialistischen Programm aufgebaut wird, welches nicht nur auf dem Papier besteht, sondern für das auch inmitten der Arbeiterklasse gekämpft wird. Mit unseren bisher noch kleinen Kräften werden die CWI-Mitglieder in Italien zusammen mit anderen an diesen Kämpfen teilnehmen. Das Ergebnis des Kongresses unterstreicht die falsche Taktik von Gruppen wie Sinistra Critica und der PCL (Kommunistische Arbeiterpartei, ehemals Progetto Comunista), die voreilig mit der PRC gebrochen haben statt zu bleiben und den Kampf bis zu Ende durchzuziehen.
Es gibt natürlich keine Garantie dafür, dass der Kampf letzten Endes auch gewonnen wird. Doch dieser Kongress könnte einen entscheidenden Wendepunkt markieren. Ein Sieg der Parteirechten würde einen weiteren Rückschlag beim Aufbau einer wirklichen Massenpartei der ArbeiterInnen in Italien darstellen. Die Niederlage der Rechten eröffnet dennoch zumindest die Möglichkeit dafür, dass die PRC in Zukunft zu einem Katalysator oder der Keimzelle für den Aufbau einer solchen Partei wird.