Massenentlassungen und Verelendung drohen
Drei Thesen sollen hier aufgestellt werden. Erstens: Beim weltweiten wirtschaftlichen Abschwung erleben wir nicht den Anfang vom Ende, sondern gerade erst das Ende vom Anfang der tiefsten Krise seit Jahrzehnten. Zweitens: Auch in der Bundesrepublik greift inzwischen die Rezession. Drittens: In einem der reichsten Länder auf dem Globus droht die schlimmste Verarmung seit den dreißiger Jahren.
von Aron Amm, Berlin
In einem Gastbeitrag in der Financial Times schrieb der Ex-Chef der US-Notenbank, Alan Greenspan, Anfang August: „Diese Krise ist anders – ein Ereignis, wie es ein oder zwei Mal pro Jahrhundert vorkommt.“
These Nr. 1: Weltwirtschaftskrise
Nachdem die Dotcom-Blase platzte, bauten viele Kapitalbesitzer auf Hypotheken-Geschäfte. Könnte sich für sie nach dem Platzen der Immobilienblase nun nicht einfach wieder ein neues Feld auftun? Davon ist nicht auszugehen. Schließlich ist mittlerweile ein Punkt erreicht, an dem der globale Kapitalismus an die Grenzen der kreditfinanzierten Expansion gerät. Laut IWF entsprach die Summe der Finanzanlagen wie Aktien, Anleihen oder Schuldverschreibungen 1980 dem Volumen einer Jahresproduktion. 2005 hatte die Summe das Volumen von 3,7 Jahresproduktionen erreicht! Die Krise hat seine Wurzeln allerdings nicht in einem spekulativen Wahn, sondern in den beschränkten profitablen Anlagemöglichkeiten in der Produktion. So haben sich zum Beispiel die Kapitalinvestitionen seit den siebziger Jahren halbiert.
In den letzten zwölf Monaten verbuchten die Banken Verluste von 400 Milliarden Dollar. Geschätzt wird aber, dass die Gesamtverluste zwischen einer und drei Billionen Dollar betragen werden. Kürzlich zeichnete der IWF-Chefökonom Kenneth Rogoff ein düsteres Bild: „Das Schlimmste kommt noch.“ Für die kommenden Monate erwartet er nicht nur die Pleite einiger mittelgroßer Banken: „Es wird ein echter Klopper kommen, eine der großen Investmentbanken oder Großbanken.“
These Nr. 2: Rezession in der BRD
Jetzt ist es amtlich: Im zweiten Quartal schrumpfte die deutsche Wirtschaft um 0,5 Prozent. Wenn es im dritten Quartal ebenfalls ein Minus geben sollte, wäre die Bundesrepublik nach Definition bürgerlicher Ökonomen in der Rezession. Der Auftragseingang ist schon seit einem halben Jahr rückläufig. Abgearbeitet wird nur noch das frühere Auftragspolster.
Dass die deutsche Ökonomie von der internationalen Talfahrt nicht verschont bleibt, zeigten bereits die Dax-30-Wertverluste (minus 200 Milliarden Euro seit Juli 2007) und die Erschütterungen im Bankensektor. Dass es noch knüppeldick kommen wird, macht ein Umstand klar: Der Exportanteil hat sich in den letzten 15 Jahren von 24 auf 47 Prozent erhöht.
These Nr. 3: Verarmung
Manch einer mag sich fragen, was sich jetzt groß ändern wird. Fast drei Viertel geben in einer SPIEGEL-Umfrage an, dass es für sie gar keinen Aufschwung gegeben hat.
Ein kurzer Blick über den Atlantik reicht, eine Ahnung davon zu bekommen, was in einer Wirtschaftskrise droht. Im letzten Jahr fanden in den USA 2,2 Millionen Zwangsversteigerungen statt. Derzeit verlieren täglich 10.000 Familien ihr Haus. Hunderttausende müssen in ihrem Auto oder in Zelten hausen. 28 Millionen sind bereits auf Lebensmittelmarken angewiesen. Fast eine halbe Million hat im ersten Halbjahr 2008 ihren Job verloren. General Motors, der größte Autobauer der Welt, machte im zweiten Quartal einen Verlust von 15,5 Milliarden Dollar und will 74.000 Beschäftigte, die halbe Belegschaft, entlassen. Und das ist erst der Anfang. Auch in den USA hat die Krise gerade erst begonnen!