Der Einmarsch georgischer Truppen in Südossetien in der Nacht vom 7. auf den 8. August kostete über tausend Menschen das Leben und zwang viele weitere zur Flucht. Russland war daraufhin mit Panzern in Südossetien eingerückt und hatte Luftangriffe nicht nur gegen Militärstützpunkte, sondern auch gegen Hafenanlagen und Flughäfen geflogen.
Außerdem waren russische Truppen in Georgien eingedrungen. Unter anderem wurden die Stadt Gori und der Hafen Poti angegriffen.
Auch wenn sich Georgien und Russland inzwischen auf einen „Friedensplan“ geeinigt haben, ist die Gefahr zukünftiger weiterer militärischer Eskalationen in der Region keineswegs gebannt.
von Tinette Schnatterer, Stuttgart
Der Konflikt um Südossetien ist nicht neu. Seit dem Krieg von 1990 bis 1992 – vor dem Hintergrund der Auflösung der Sowjetunion – ist Südossetien de facto von Georgien unabhängig. 90 Prozent der 70.000 EinwohnerInnen Südossetiens haben einen russischen Pass. 1992 und 2006 stimmten sie in zwei Referenden mehrheitlich für die Lostrennung von Georgien. Eine gemischte „Friedenstruppe“ unter russischer Beteiligung ist seit dem Waffenstillstand 1992 im Land stationiert.
Wie kam es zur miliärischen Eskalation?
Seit Längerem sah der georgische Präsident Micheil Saakaschwili seine Position gefährdet. Ende letzten Jahres gelang es ihm nur mit Mühe, Massenproteste gegen Korruption zu überstehen. Seit einiger Zeit versucht Russland, die von Georgien abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien weiter unter Kontrolle zu bekommen.
Schon vor dem Angriff hatte Georgien verstärkt Truppen Richtung Südossetien verschoben. Im Frühsommer fand ein dreiwöchiges Militärmanöver unter der Beteiligung von 1.000 US-Soldaten statt. Zuvor hatten die USA ihre Unterstützung für Georgiens Mitgliedschaft in der NATO bekräftigt. Als Saakaschwili, dadurch ermutigt, Südossetien erneut Georgien einverleiben wollte, schlug Moskau zurück und nutzte die Situation, um gegenüber Georgien, aber auch als Warnung für andere Staaten in der Region, Stärke zu demonstrieren.
Konflikt zwischen Washington und Moskau
Bei dem Konflikt geht es weder Georgien noch Russland um das Wohl der Bevölkerung in Südossetien. Es sind vielmehr die konkurrierenden Interessen der kapitalistischen Mächte USA und Russland, die auf dem Rücken der dortigen Bevölkerung ausgetragen werden.
Saakaschwili ist ein Verbündeter Washingtons, Georgien ein Brückenkopf der USA in der Region. 127 US-amerikanische Militärausbilder befinden sich beispielsweise zur Zeit in Georgien.
Einfluss und Vormacht in der energiereichen Region sind für beide Mächte entscheidend. Georgien hat zwar selbst keine Gas- oder Ölvorkommen, ist aber für den Westen eine wichtige Transitroute.
Moskau ist darauf aus, die Region, die bis zum Ende der Sowjetunion fast 200 Jahre unter der Herrschaft Russlands stand, wieder unter ihre Kontrolle zu bekommen. Demgegenüber streben die USA danach, den Einfluss von Wladimir Putin und Co. in Osteuropa und Zentralasien zu schwächen. Die Präsidenten der den USA nahe stehenden EU-Staaten Polen, Estland, Lettland und Litauen waren zusammen mit dem ukrainischen Staatschef am 12. August nach Tiflis gereist, um ihre Solidarität mit Saakaschwili zu demonstrieren. Das Abkommen zwischen den USA und Polen über die Einrichtung eines US-Raketenabwehrschildes – lange geplant, nun plötzlich über Nacht realisiert – ist eine erste Antwort Washingtons auf Russlands Intervention in Georgien.
EU und Deutschland
Im Gegensatz zu Polen oder Großbritannien nahmen die Regierungen anderer EU-Länder wie vor allem Deutschland nicht die gleiche konfrontative Haltung gegenüber Russland ein. In dieser Frage sind zwischen den USA und wichtigen Teilen der EU sowie innerhalb der EU ähnliche Konflikte wie im Irak-Krieg aufgerissen.
Europa ist stark von russischem Öl und Gas abhängig. Zudem intensiviert sich der Handel. So wuchsen die deutschen Exporte nach Russland im ersten Halbjahr 2008 um über 50 Prozent auf 19,4 Milliarden Euro.
Dazu kommt, dass die Herrschenden in Deutschland aufrüsten, Truppen ins Ausland schicken und verstärkt eine eigenständigere Rolle international spielen wollen. Allerdings gibt es Unterschiede, wie weit die gegenüber den USA eigenständigere Rolle gehen soll – was sich auch in unterschiedlichen Betonungen zwischen Angela Merkel (CDU) und führenden SPD-Politikern zeigt.
Gegen Krieg, Nationalismus und Rassismus
Der Kreml wird den Konflikt für eine rassistische Propagandaoffensive gegen in Russland lebende Georgier nutzen. Die georgische Regierung wird gleichzeitig verschärft gegen russische EinwohnerInnen hetzen. Damit wird die Spaltung der arbeitenden Menschen entlang ethnischer Linien vertieft. Mit nationalistischer Kriegspropaganda soll erreicht werden, dass sich die Bevölkerung hinter die jeweilige Regierung stellt. Zudem soll von den eigentlich Verantwortlichen für die sozialen Probleme abgelenkt werden. So lebt in Georgien jeder Zweite in Armut, während die Weltbank das Land als „Musterknaben“ des Neoliberalismus lobt.
Statt auf Regierungen und „Friedenstruppen“ zu vertrauen, die die Interessen imperialistischer Kräfte und Konzerne vertreten, tritt die russische Schwesterorganisation der SAV für gemeinsame Aktivitäten der arbeitenden Bevölkerung von Georgien, Russland und Südossetien ein, um gegen Kriegspolitik und Sozialraub Widerstand zu leisten. CWI-Mitglieder verteidigen gleichzeitig das Recht der Bevölkerung in Südossetien auf Selbstbestimmung und treten dafür ein, dass allen unterdrückten Nationalitäten das Recht auf Selbstbestimmung zugestanden wird. Ziel ist eine sozialistische Umgestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft sowie eine demokratische, sozialistische Föderation des Kaukasus auf freiwilliger Basis – damit der Reichtum der Region allen Menschen zu Gute kommen kann.