Krieg im Kaukasus: Neuauflage des „großen Spiels“

Der Krieg im Kaukasus war ein Krieg um Transitwege für Öl und Gas


 

In jedem Sommer veröffentlicht die FAZ eine Auflistung der größten Konzerne auf dem Planeten. Den jüngsten Zahlen zu Folge finden sich unter den 50 umsatzstärksten Unternehmen 27 Öl- und Autokonzerne. Nie zuvor in der Geschichte gab es eine vergleichbare Abhängigkeit von einer strategischen Ressource, dem Erdöl. Und angesichts globaler ökonomischer Krise und verschärften zwischenimperialisti-schen Spannungen droht eine Zunahme von Kriegen um den Zugriff auf die Ressource Öl.

von Aron Amm, Berlin

In Rudyard Kiplings Roman „Kim“ heißt es: „Jetzt soll ich mich weit in den Norden begeben, um am großen Spiel teilzunehmen.“ Unter dem „großen Spiel“ wurde im späten 19. Jahrhundert der Kampf um die Vorherrschaft Zentralasiens verstanden. Hauptakteure waren damals Russland und Großbritannien. Heute erleben wir eine Neuauflage dieses „großen Spiels“. Heute sind Russland und die USA Hauptakteure, aber auch China, Indien und mehrere EU-Staaten mischen mit. Heute geht es wesentlich um die Rohstoffvorkommen am Kaspischen Meer.

Ölknappheit

Die Abhängigkeit vom Öl, dem „schwarzen Gold“, ist immens. Innerhalb einer Generation wird das Rohöl zur Neige gehen. Nach verschiedenen Schätzungen soll es in den nächsten zehn Jahren kein Öl mehr in der Nordsee geben, in 15 Jahren kein Öl mehr in Nordamerika, in 20 Jahren kein Öl mehr in Afrika. Mehr und mehr konzentriert sich dann in den letzten zwei Jahrzehnten alles auf die Regionen im arabischen Raum und am Kaspischen Meer. Unter dem Grund dieses größten Binnenmeeres der Welt – mit den Anliegerstaaten Iran, Turkmenistan, Kasachstan, Russland und Aserbaidschan – werden 20 Milliarden Tonnen Öl und Gas vermutet (das wäre etwa das Zehnfache der Nordsee-Lagerstätten).

Spielfigur Georgien

Die FAZ schrieb am 15. August, dass der Krieg zwischen Russland und Georgien „wieder einmal verdeutlicht [hat], wie anfällig die Energieversorgung westlicher Länder ist. Georgien hat sich in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Transitland für Erdöl aus dem Raum des Kaspischen Meeres entwickelt, das vor allem für Europa bestimmt ist. Zudem sollen über Georgien eine Anzahl neuer Leitungen für Erdöl und Erdgas aus Zentralasien gelegt werden.“ Der Westen setzt damit auf Alternativrouten zu den russischen Pipelines. Darin liegt die Bedeutung Georgiens.

Bereits heute führen drei wichtige Pipelines durch Georgien: Erstens die vom Ölmulti BP betriebene Pipeline Baku-Tiflis-Ceyhan, die eine Kapazität hat, die einem Prozent des Ölangebots in der Welt entspricht (mit der künftigen Beförderung von kasachischem Erdöl soll die Kapazität fast verdoppelt werden); zweitens die Pipeline zwischen dem aserbaidschanischen Baku und Supsa in West-Georgien; drittens die Erdgas-Leitung Baku-Tiflis-Erzurum in der Türkei.

Schachbrett Kaukasus

Seit dem Zerfall der Sowjetunion streiten der US-Imperialismus und die neu entstandene Kapitalistenklasse Russlands um Märkte, Einfluss und die Bodenschätze in den ehemaligen Sowjet-Republiken. Südossetien, Abchasien und andere Regionen sind für Washington und Moskau nur Figuren auf einem riesigen Schachbrett. Das Weiße Haus macht einen Zug, dann der Kreml… Und irgendwann knallt es, wie im August in Südossetien.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es erneut knallen muss. Die USA hat Dutzende von Militärstützpunkten in Zentralasien errichtet, will Georgien neben der Ukraine in die NATO aufnehmen und versucht, Russlands Radius weiter einzuschränken – mit der Stationierung von Armee- und Marineeinheiten in Georgien (unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe) und der Raketenabwehr in Polen als jüngste Schachzüge. Im selben Augenblick hofft der Kreml, die US-Schwierigkeiten im Irak und Afghanistan für sich ausschlachten zu können. Dabei werden sie versuchen, den Umstand auszunutzen, dass viele RussInnen in Kasachstan, in der Ukraine oder im Baltikum leben.

Kapitalismus = Krieg

Es gibt einen inneren Zusammenhang von Krise, Weltmarkt-Konkurrenz, Kriegen und Ölknappheit. Solange den Kapitaleignern und ihren politischen Repräsentanten nicht das Handwerk gelegt wird, solange wird sich diese mörderische Spirale weiterdrehen.

Angesichts der Schrecken des Ersten Weltkriegs schrieb schon Rosa Luxemburg: „Geschändet, entehrt im Blute wartend, von Schmutz triefend, so steht die bürgerliche Gesellschaft jetzt da. So ist sie. Nicht wenn sie geleckt und sittsam, Kultur, Philosophie und Ethik, Ordnung und Frieden und Rechtsstaat mimt.“

Aron Amm ist Mitglied der SAV-Bundesleitung