Schule macht krank

Durchschnittlich jeder vierte Berliner Schüler leidet unter schulischbedingten Stresssymptomen (z.B. Aggressivität, Bauchschmerzen, Schlafstörungen). Einer von 12 leidet sogar unter schweren psychischen Problemen wie Depressionen. Dieses Bild ergibt sich aus Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO).


 

von Verena Saalmann, Berlin

Verwunderlich ist es nicht, dass Schüler sich unter Druck fühlen. Schon als Realschüler ist es heute schwer eine Lehrstelle zu bekommen – Hauptschüler können sich als die Hartz IV-Empfänger von Morgen fühlen – und werden häufig auch so in der Schule behandelt. Und priviligiert brauchen auch die Gymnasiasten sich schon lange nicht mehr zu fühlen. Durch das 12 Jahre Abitur sind die Lehrpläne so voll geworden, dass viele mit einer weit über vierzig Stundenwoche darum kämpfen müssen, ihre Noten zu halten.

Das Schulklima leidet unter solchen Bedingungen: Rund die Hälfte der Berliner Schüler findet das Klima nur mittelmäßig, jeder fünfte findet es sogar schlecht. Dazu passt, dass gestresste Schüler häufig gar nicht mehr in die Schule wollen.

Mädchen besonders betroffen

Besonders Mädchen sind betroffen. Nicht nur, dass sie häufiger unter Stress leiden (jede dritte Schülerin, statt jedem vierten Schüler gesamt), sie leiden auch deutlich mehr unter Selbstzweifeln und Essstörungen – fast jedes zweite Mädchen fühlt sich heutzutage zu dick. Was bei einer Kombination aus Prüfungsdruck, Mc Donalds und Fernsehserien wie „Germanys next Topmodel“ auch nicht verwundern kann. Die WHO verzeichnet einen deutlichen Anstieg an Magersucht und Übergewicht an den Berliner Schulen.

Solche Studien sind allerdings nichts wirklich neues. 2003 ergab eine WHO Studie schon Ähnliches, die Uni Bielefeld hat im gleichen Jahr eine Studie veröffentlicht die ergab, dass die Schüler immer mehr unter psychischen Problemen leiden; 2006 veröffentlichte der Focus eine bundesweite Umfrage in der fast 60 Prozent der Eltern ihre Kinder gesundheitsschädigendem Stress durch die Schule ausgesetzt sahen – schon damals finanzierten weit über 30 Prozent ihren Kindern Nachhilfe und 3 von 4 Eltern halfen bei den Hausaufgaben. Doch verbessert hat sich seither nichts. Im Gegenteil: Turbo-Abi, Zentralprüfungen, Unterrichtsausfall – die Misere geht weiter.

Es geht auch anders

Wir finden: Schule muss nicht so sein. Es bedarf eines Investitionsprogrammes, mit dem neue Lehrer finanziert werden können, neue Bücher angeschafft werden und eine finanzielle Beteiligung durch die Schüler an den Lehrmaterialen ausgeschlossen wird. Bildung muss kostenlos und für alle gleichermaßen zugänglich sein. Die Klassenstärke muss auf 15 Schüler reduziert werden, so dass auf

schwächere und leistungsstärkere Schüler individuell eingegangen werden kann. Am besten in einer integrierten Gesamtschule, in der alle gemeinsam ohne Druck lernen können. Wo das Abitur jetzt auf 12 Jahre reduziert wurde, muss das zurückgenommen werden – eine Auflockerung der Lehrpläne, um individuell auf die Interessen und Fragen der Schüler und das Lerntempo der Klasse eingehen zu können.