Schülerdatei für eine bessere Bildung?

Rot-rot in Berlin plant die Einführung einer zentralen Schülerdatei, um das Bildungssystem zu „verbessern“. Dabei geht der Datenschutz verloren.


 

von Ongoo, Berlin

Zum ersten Mal wurde das bundesweite zentrale Verzeichnis Mitte Oktober 2006 bei der Kultusministerkonferenz (KMK) besprochen. Der Gesetzesentwurf wurde auf der Grundlage des internen Berichts „zur langfristigen Sicherstellung der Datenbasis für die Bildungsberichterstattung “ und das in Österreich bereits umgesetze Bildungsdokumentationsgesetzes entworfen.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan(CDU) und Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) wollten schon lange eine solche Schülerdatei einrichten und sind die grössten Befürworter.

Das Gesetz sieht vor, insgesamt 16 persönliche Informationen von allen SchülerInnen in einer zentralen Datenbank bis zum Schulabschluss, sofern keine Schulpflicht mehr besteht, zu sammeln. Unter diesen 16 Informationen zählen Name, Geburtsort- und Datum, Geschlecht, Anschrift, Kontaktdaten der Eltern und Informationen zur besuchten Schule, aber auch Angaben zur „nichtdeutschen Herkunftssprache“, besonderer Förderbedarf oder die Befreiung von Lehrmittelzahlungen auf Grund eines zu geringen Elterneinkommens.

Zugang zu diesen äusserst sensiblen Daten sollen nicht nur der Senat und die Schulen haben, sondern auch Behörden und Ämter, wie Jugend- und Bezirksschulämter sowie die Polizei, bei „individuellem Bedarf“.

Besonders die Polizei begrüsst diese Datenbank,da sie straffällige oder schwänzende SchülerInnen schneller der entsprechenden Schule zuordnen könne und potenzielle Straftäter besser im Blick habe.

Den SchülerInnen soll durch Identifikationsnummern die Sicherheit in der Anonymität gewährleistet sein. Allerdings ist das schwer vorstellbar, da die Informationen so intim sind, dass eine Pseudonymisierung oder Anonymisierung als Schutz vor einer Identifizierung einzelner nicht ausreicht und damit auch die Erstellung von Personenprofilen möglich wäre.

In Hamburg, wo bereits die Schülerdatei besteht, konnten illegale Schüler durch die Aufnahme in die Datenbank herausgefiltert und abgeschoben werden. Aus Angst vor Entdeckung könnten Kinder in Berlin nicht mehr zur Schule gehen.

Die Schülerdatei soll zwar nach dem Schulabschluss gelöscht werden, aber in anbetracht der Tatsache, dass der Datenhunger immer grösser wird, ist es nicht auszuschliessen, dass sobald das Prozedere am Laufen ist, das Spektrum auch erweitert wird, zum Beispiel Kindergarten- und Studienzeit. Jeder Bürger ist schulpflichtig und wäre in einer umfangreichen Datei unter einer Identifikationsnummer zusammengefasst!

Die Datenbank hätte Informationen über Generationen hinweg, nicht nur für die Regierung interessant, sondern auch für „Dritte“ wie zum Beispiel Arbeitgeber etc.

Datenbank zur Planung und Organisierung des Schulwesens

Die rot-rote Regierungskoalition in Berlin hat sich November 2008 zu einem gemeinsamen Gesetzesentwurf geeinigt. Mit der zentralen Schülerdatei könne eine geziehlte Verbesserung der Oragnisation des Schuljahres erziehlt werden, darunter fällt zum Beispiel die Bedarfsplanung, Gründung, Zusammenlegung, Umwandlung und Aufhebung von Ausbildungseinrichtungen; Festsetzung der Aufnahmekapazitäten und Vergabe von Schulplätzen einschliesslich der Lehrkräftezuteilung. Die Vergabe der Schulplätze soll die Eltern daran hindern, ihre Kinder zur Einschulung oder Wechsel in eine weiterführende Institution an mehreren Schulen anzumelden. Die Datenbank verschaffe einen besseren Überblick über das Bildungsnetzwerk und würde zur „Kontrolle und Durchsetzung der Schulpflicht“ beitragen. Wozu man dafür Informationen zur Herkunft oder zum Einkommen braucht, das bleibt offen.

„Sobald sie regieren, werden sie schizophren“

Obwohl Die Linke bundesweit engagiert für den Datenschutz eintritt, spielt sie in Berlin für die Einführung der Schülerdatei in den vordersten Reihen. Anfangs gab es bei einigen Abgeordneten zögernden Widerspruch wegen den einfliessenden persönlichen Infomationen. Nach kurzen internen Diskussionen ist der Widerspruch schnell verpufft. Jede Schule sammle ohne gesetzliche Grundlage eh schon Daten und nur mit der Schülerdatei könne man diesem Sammelsorium einen gesetzlichen Rahmen geben und somit den Missbrauch der Daten verhindern, so die Begründung der Linken.

Es ist schon bezeichnend, dass die einzigen oppositionellen im Parlament Die Grünen sind, rot-rot kann auf die Unterstützung seitens der CDU fest rechnen.

Schüler, Eltern, Bürgerrechtler und Datenschutzbeauftragte wehren sich zwar mit Protestaktionen gegen das Gesetz. Ein Familienvater beschwerte sich über die Linke mit den Worten: „Sobald sie regieren, werden sie schizophren. Das war bei den Grünen genau dasselbe“. Aber solange die Proteste nur auf Anhörungen im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses Hoffnungen setzen, werden nur kleine Erfolge erziehlt. Die Beratungen des KMK in Berlin haben zwar noch keinen endgültigen Beschluss gefasst, aber das Gesetz soll zum neuen Schuljahr "09 in Kraft treten.

Antwort des Senats auf die bundesweiten SchülerInnen-Demonstrationen!

Am 12.11.08 sind bundesweit 100000 SchülerInnen auf die Strasse gegangen, um gegen die massiven Kürzungen im Bildungswesen zu protestieren. Die Antwort des Senats auf das Begehren ist ein neues Repressionsmittel! Die Schülerdatei entmündigt nicht nur die Schulen, sie untergräbt auch die Selbstbestimmungsrechte der SchülerInnen und Eltern.

Allein der Aufwand, eine so grosse Datenbank zu finanzieren und zu verwalten, steht dem Nutzen entgegen. Es würde nur unnötig Steuergelder verschlingen und ein weiterer Bürokratenapparat wäre geboren. Das Verwaltungswesen des Bildungssystems ist nicht renovierungsbedürftig, sondern das System selbst!

Bessere Bildung ohne bürokratischen Aufwand!

Die Probleme werden durch die Datenspeicherung nicht gelöst. Wenns zu wenig Plätze für SchülerInnen gibt, dann hilft auch die bessere Verwaltung des Mangels nicht weiter. Die Schulen müssen wieder ausreichend finanziert, mehr Lehrer eingestellt und kleinere Klassen gebildet werden.

Die Bildung muss endlich kostenlos werden, alle Schüler müssen die gleiche Chance auf Bildung haben.

Es ist höchste Zeit, dass SchülerInnen sich in einer kämpferischen, demokratischen und unabhängigen Bewegung organisieren und massiven Widerstand leisten, um der Regierung ordentlich einzuheizen. Der bundesweite Streik war nur der Anfang! Internationale Schüler-und StudentenInnen Streiks haben gezeigt, dass die Herrschenden in die Knie gezwungen werden können!