Schottland: Betriebsbesetzung bei Prisme

„Wir müssen für unsere Rechte kämpfen.“


 

Die zwölf Beschäftigten des Verpackungsunternehmens Prisme, die ihren Betrieb in Dundee besetzt halten, haben sich dafür entschieden, ihren Protest für eine weitere Nacht fortzusetzen.

von International Socialists (Schwesterorganisation der SAV in Schottland), 2.3.09

Die Zwölf, denen ohne Vorankündigung gekündigt und daraufhin mitgeteilt wurde, dass ihnen das Unternehmen weder eine Abfindung, noch ausstehende Löhne oder aufgelaufene bezahlte Freizeit zahlen wird, haben am Donnerstag um 17 Uhr mit ihrer Besetzung begonnen.

Maureen hat dreizehn Jahre für Prisme gearbeitet. Sie hat uns Folgendes erzählt: „Wir haben uns für die Fortsetzung der Besetzung entschieden, um das beschämende Verhalten dieses Unternehmens klar zu machen. Wir müssen für unsere Rechte kämpfen. Die Unterstützung, die wir bekommen haben, war einfach riesig, vollkommen unglaublich. Gestern Abend habe ich mit Tommy Sheridan gesprochen und das war perfekt. Es hat uns nur darin bestärkt, noch energischer für das zu kämpfen, was man uns schuldig ist. Wir sind immer loyale ArbeiterInnen gewesen und werden jetzt schmachvoll behandelt.“

Matthew, 25 Jahre alt und knapp zwei Jahren bei Prisme, erkärte: „Der Unternehmenschef ist heute Morgen zurückgekommen, tiptop, gestriegelt und wie aus dem Ei gepellt. Er sagte uns, dass er nicht verstehe, warum wir derart vorgehen würden. Er machte uns stattdessen ein anderes »Angebot«: Ein Richterspruch solle über unsere Abfindungen und andere Gelder entscheiden, die noch offen sind. Unsere Antwort darauf war, dass wir sagten, dass wir so lange bleiben werden, wie es braucht, um das, was uns zusteht, zu bekommen.“

„Wir haben über Briefe, Anrufe und Emails massenweise Unterstützung gekriegt. Das hat uns großen Auftrieb gebracht. Darunter waren Mitteilungen von Gewerkschaftern aus dem ganzen Land und Sozialisten aus Schottland und sogar aus Orten wie Brighton, Wales, Coventry, sogar ein Brief aus Australien und auch von der Youth Fight For Jobs campaign, von Solidarity und vielen anderen, die uns ihre volle Unterstützung zusichern.“

Mitglieder der International Socialists, von Solidarity und der Youth Fight For Jobs campaign sind über Nacht bei den ArbeiterInnen geblieben und helfen dabei, so viel Unterstützung wie möglich für diese Aktion zu bekommen. Das ist eine Inspiration für alle, die gegen die Offensive der Chefs gegen Arbeitsplätze und Arbeitnehmerrechte kämpfen müssen.

Die vorbildlich handelnden ArbeiterInnen brauchen weiterhin unsere Unterstützung und Solidarität. Schickt daher bitte Mails und Solidaritätserklärungen!

Richtet eure Solidaritätsadressen bitte an 00447970875455 oder prismeworkerssolidarity@googlemail.com

Bericht vom 9.3.2009

ArbeiterInnen erhalten breite Unterstützung für ihr nicht normgerechtes Vorgehen

Die Besetzung bei der Verpackungsfabrik Prisme in Dundee hält nun schon den sechsten Tag in Folge an. Zwölf ArbeiterInnen sind dort vergangenen Mittwoch fristlos entlassen worden. Ihre Kündigungsschreiben erhielten sie in einem Umschlag zusammen mit einem Schreiben, in dem festgestellt wurde, dass – obwohl die Geschäftsführung anerkannt habe, dass ihnen noch Tausende von britischen Pfund an Abfindungen, bezahltem Urlaub und weitere ausstehende Zahlungen zustehen – „wir leider kein Geld haben, um diese Gelder auszuzahlen.“ In diesen Schreiben wurde dem Personal „freundlich“ empfohlen, den Weg in ein Beratungsbüro zu gehen und die „alternative Möglichkeit“ eines Gerichtsentscheids über die mögliche Auszahlung der ihnen zustehenden Gelder in Betracht zu ziehen. Ohne Zweifel hoffte die Geschäftsführung, dass die ArbeiterInnen still und leise nach Hause gehen würden. Mit dieser Einschätzung sollten sie jedoch falsch liegen.

Am Mittwoch, dem 4. März, ihrem offiziell letzten Arbeitstag, entschieden sich die ArbeiterInnen um 17 Uhr für die mutige Alternative und besetzten die Produktionsstätte, um einzufordern, was ihnen zusteht und das schäbige Verhalten der Unternehmensvorstände öffentlich zu machen. David Taylor, einer der entlassenen Arbeiter, sagte: „Sie haben uns wie Bürger zweiter Klasse behandelt und wollten ihre Hände in Unschuld waschen – wir waren nicht in der Lage, dies hinzunehmen.“

Möglicher Weise handelte es sich nur um den Versuch, eventuelle Haftungsansprüche zu vermeiden, jedenfalls legte der geschäftsführende Vorstand noch zwei Tage bevor die ArbeiterInnen entlassen wurden sein Amt nieder. Es war, als verließen die Ratten das sinkende Schiff. Der Jurist, der den verbliebenen Geschäftsführer vertrat, weigerte sich, der Belegschaft zu sagen, wer der wirkliche Besitzer der Firma Prisme ist. Dabei behauptete er, dass der Geschäftsführer nicht der Mehrheitseigner sei. Als die ArbeiterInnen aber weitere Nachforschungen anstellten, kam heraus, dass 85 Prozent der Aktien bis zum vorigen Jahr noch an ein Unternehmen namens GO Automatics transferiert worden waren, das unter derselben Adresse wie das Wirtschaftsprüfungsbüro Dand and Carnegie in Dundee registriert ist. Als Geschäftsführer von GO Automatics wurde Alan Dand genannt.

Obwohl sie versuchten, Alan Dand zu kontaktieren und ihnen dabei verschiedentlich mitgeteilt wurde, dass GO Automatics nicht mehr existiere und Alan Dand auch nicht mehr der Geschäftsführer sei, wollten die ArbeiterInnen nicht klein beigeben. Mitglieder von SOLIDARITY (linke Partei, in der CWI-Mitglieder in Schottland mitarbeiten; Anm. d. Übers.) und den International Socialists gingen am Freitag zu den Büros von Dand und Carnegie und baten um ein Gespräch mit Alan Dand. Dieser lehnte es allerdings ab, rauszukommen und mit uns zu sprechen. Durch seinen Sekretär übergaben wir ihm die Nachricht, dass – solange Alan Dand nicht anrufen und sich mit den ArbeiterInnen treffen würde – wir keine andere Wahl hätten, als am Nachmittag zusammen mit den Protestierenden wiederzukommen und die Medien mitzubringen. 20 Minuten später rief er die ArbeiterInnen an und verabredete ein Treffen mit BelegschaftsvertreterInnen noch am selben Nachmittag.

Momentan sieht es so aus, als hielte Alan Dand in seiner Funktion als Rechnungsprüfer die Aktienanteile, für die ihm Prisme monatlich 3.500 britische Pfund (entspricht rund 4.000,-€; Anm. d. Übers.) gezahlt hat. Dies geschah allem Anschein nach deshalb, weil die Eigentümer von Prisme Angst bekamen, das Unternehmen könnte in Schwierigkeiten geraten und weil sie sich selbst absichern wollten, indem sie die Aktienanteile außerhalb ihres Verantwortungsbereiches transferierten. Schätzungen gehen davon aus, dass sie der Firma von Alan Dand 40.000 britische Pfund (entspricht rund 45.000,-€; Anm. d. Übers.) für deren Dienste überwiesen haben – während sie gleichzeitig behaupteten, für Abfindungen kein Geld zu haben.

All dies ist offenkundig legal. Es zeigt, wie stark Unternehmens- und Arbeitsrecht im Sinne der Konzernlenker und auf Kosten der ArbeiterInnen gewichtet sind, die jetzt damit konfrontiert sind, bis zu sechs Monate auf eine Entscheidung eines Arbeitsgerichts zu warten, um erst dann zu wissen, ob sie das, was ihnen einwandfrei zusteht, auch erhalten werden.

Breite Unterstützung

Das mutige Handeln der ArbeiterInnen, die die Fabrik kurzerhand besetzt haben, schlug sich landesweit in den Medien nieder und führte zu viel Solidarität von jungen Leuten, ArbeiterInnen, GewerkschafterInnen und SozialistInnen in ganz Schottland, Großbritannien und international. Samstag sprachen sie bei einer Versammlung der CWU (britische. Gewerkschaft der Beschäftigten in der Telekommunikationsbranche; Anm. d. Übers.) in Dundee, die organisiert wurde, um den Skandal um die drohende Privatisierung der Royal Mail herauszustellen. Hier wurden über 300,- britische. Pfund (rund 340,-€; Anm. d. Übers.) für die Prisme-BesetzerInnen gesammelt. Sie erhielten etliche weitere Spenden und GewerkschafterInnen aus Dundee, Glasgow, Aberdeen und Edinburgh statten der Fabrik Solidaritätsbesuche ab. Eine Gruppe von Arbeitern fuhr am Montag nach Glasgow, um auf einer öffentlichen Versammlung von SOLIDARITY zusammen mit Tommy Sheridan und anderen zu sprechen.

Mitglieder der International Socialists and von SOLIDARITY sind in starkem Maße in die Unterstützungsarbeit für die an der Besetzung beteiligten ArbeiterInnen eingebunden. Sie organisieren auch die politische Unterstützung. „Die Unterstützung, die wir bisher erhalten, ist große klasse. Sie gibt uns das Gefühl, tausendfach stärker zu sein. Leute kamen und schlugen sich mit uns die Nächte um die Ohren, sie brachten Essen, organisierten Spendensammlungen. Wenn ihr nicht hingegangen wäret und eine Reaktion erzwungen hättet, dann würden wir immer noch hier sitzen und darauf warten, mit Alan Dand sprechen zu können.“

Die Besetzungsaktion, die weiterhin anhält, hat gezeigt, dass Konzernchefs und Arbeitgeber die ArbeiterInnen nicht einfach mit Füßen treten können. David Taylor drückte es so aus: „Wir waren gar nicht so kämpferisch; nur kleine Leute, die keine Lust mehr hatten klein zu sein. Wir sind für das, was wir glauben, aufgestanden und darauf sind wir stolz.“ Die ArbeiterInnen fordern die Offenlegung der Geschäftsbücher von Prisme, um zu sehen, wie es um die Lage des Unternehmens wirklich bestellt war, als sie entlassen wurden. Während sie ihren gesetzlich verbrieften Rechten nachgehen und die volle Bezahlung der ihnen zustehenden Beträge verlangen, hat eine Anzahl von ArbeiterInnen jetzt darin zugestimmt, die Möglichkeit der Errichtung einer Arbeiterkooperative zu verfolgen, um die Beschäftigungsverhältnisse sicherzustellen.