Den Kapitalismus retten – oder bekämpfen?

Zu den Vorschlägen von Christoph Spehr für einen eigenständigen Wahlkampf der Bremer LINKEN


 

In seinem unten dokumentierten Websiteartikel spricht sich der Landessprecher der Bremer LINKEN, Christoph Spehr, mit ungewöhnlicher Schärfe für eine antikapitalistische Antwort der LINKEN auf die verlogenen Wahlplakate aus, mit denen die SPD von ihrem eigenen (Regierungs)beitrag zur jahrelangen Mästung des Großkapitals ablenken will.

von Heino Berg

Dieser Weckruf ist nach seiner Kritik an den Beitrittsverweigerungen für SAV-Mitglieder und nach der öffentlichen Kontroverse über den 1. Entwurf für ein Wahlprogramm, mit dem der Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, die Aufgaben der Partei „DIE LINKE“ auf „neue Regelungen“ für die Marktwirtschaft und damit auf eine Gebisskorrektur seiner stärksten Raubfische beschränken will… sicher nicht nur an die Adresse der SPD gerichtet!

C. Spehr schreibt, dass die SPD unter dem Strich mit „ein bisschen mehr Regulierung, ein bisschen mehr Konjunkturprogramm, ein bißchen mehr Übernahme fauler Kredite durch die öffentliche Hand“ nur „den Kapitalismus retten“ wolle, anstatt die Interessen der Bevölkerung zu verteidigen. Auch das ist eine längst überfällige Klarstellung durch die Landespartei, nachdem die Bürgerschaftsfraktion der Bremer LINKEN eine Ablehnung der Banken- und Konjunkturpakete sorgfältig vermieden und ihre (schlecht besuchten) Veranstaltungen unter das bezeichnende Motto „Regulier mich!“ gestellt hatte.

Konjunktur- oder Systemkrise

„Die Rettung des Kapitalismus“ so C. Spehr, „beeinhaltet Entlassungen, Sozialabbau und Lohnsenkungen (…) Die Verteidigung der Interessen von Beschäftigten und Bevölkerung dagegen erfordert tiefe Eingriffe in das Privateigentum an Produktionsmitteln“: Wenn diese Aussagen der „Kern der Sache“ betreffen, wofür die Bremer LINKE auf der Strasse und am 1. Mail „mobilisieren will“, dann fragt man sich, warum ihre Bremer Abgeordneten nicht einmal die Bankenverstaatlichung öffentlich wahrnehmbar gefordert oder sich an der Mobilisierung für die Antikrisen-Demos am 28.3. beteiligt haben. Und warum die Abgeordnete und FDS-Sprecherin Nitz in ihrer Pressemitteilung zur arbeitsmarktpolitischen Konferenz die bisherigen„Rettungsmaßnahmen zugunsten von Banken und Unternehmen“ ausdrücklich gerechtfertigt hat….

Die Wähler brauchen verbindliche Festlegungen dazu, wie die LINKE den sozialen Grausamkeiten begegnen will, die das Kapital und seine Parteien der Mehrheit der Bevölkerung vor allem NACH dem Wahltag zumuten werden. Ein Sammelsurium von widersprüchlichen Antworten ist weder glaubwürdig noch dazu geeignet, die bisherige Stagnation der Partei in der Krise zu überwinden. Wenn der Parteivorstand zum Beispiel 500 € als minimale Grundsicherung, 10 € als gesetzlichen Mindestlohn und drastische Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich fordert, dann müssen sich ihre Abgeordneten bzw. die Kandidaten der Diskussion darüber stellen, anstatt solche Forderungen im Wahlprogramm oder in Parlamentsanträgen der Rücksicht auf Regierungskoalitionen mit den Hartz-Parteien zu opfern. Die Bremer Bürgerschaftsfraktion hat auf Kritik aus der Partei an ihrer Haltung zu Bankenbürgschaften bisher mit keinem Wort reagiert: Ein Missbilligungsantrag im Landesvorstand, der die Fraktion zu einer rechtzeitigen Information der Parteigremien auffordert, soll – laut Protokoll von heute – deshalb überarbeitet werden.

Paritätische Mitbestimmung und Belegschaftsaktien

Die oben zitierte Absage des Landessprechers der Bremer LINKEN an jeden Versuch, den Kapitalismus durch Entlassungen, Sozialabbau und Lohnsenkungen zu retten, sollte daher auch Bestandteil des Leitantrags und von Änderungsanträgen zum Bundeswahlprogramm werden, über den die Landesparteitagsdelegierten am 16. Mai entscheiden werden. Im bisherigen, noch nicht veröffentlichten Entwurf für den Bremer Antrag dazu fehlt sogar das Wort „Kapitalismus“ in der Ursachenbeschreibung der Weltwirtschaftskrise, an deren Anfang wir ja erst stehen. Wenn das Privateigentum an den Produktionsmitteln den „Kern der Sache“, also des Kapitalismus darstellt , den wir im Gegensatz zu Steinmeier und Müntefering nicht nur „reparieren“, sondern überwinden wollen, dann können eine „paritätische Mitbestimmung“ in den Aufsichtsräten oder Minderheitsbeteiligungen von Mitarbeitern an bankrotten Unternehmen im Austausch für Staatshilfen nicht – wie in diesem Antragsentwurf – der Tellerrand linker Wahlziele bleiben. Dann muß die LINKE den Mut aufbringen, für die vollständige Überführung der Banken und Großkonzerne in Gemeineigentum und für dessen direkte, demokratische Kontrolle durch die Beschäftigten und die Bevölkerung einzutreten, wie das Lafontaine unter dem Motto „Freiheit durch Sozialismus“ auf dem Gründungsparteitag noch angekündigt hatte.

Kampfmaßnahmen

Der dritte Punkt, den Christoph Spehr in seinem Artikel betont, aber in seinem Entwurf für den Leitantrag (noch) nicht berücksichtigt hat, betrifft die Aufgaben der LINKEN und der Gewerkschaften bei der Mobilisierung der Betroffenen gegen die Krise. Spehr begrüßt mit Recht, dass der DGB sein ursprüngliches Motto für die Mai-Demonstrationen geändert und nun das der Demonstrationen vom 28.3. aufgegriffen habe. Das zeigt, wie wichtig es war, nicht untätig auf die Gewerkschaftsführung zu warten, sondern im Bündnis mit sozialen Bewegungen selbst mit bundesweiten Aktionen zu beginnen, auch wenn das entsprechende Bündnis in Bremen innerparteilich eher blockiert wurde. Laut aktuellen Emdnid-Umfragen würden sich 32 Prozent der Befragten persönlich an Demonstrationen und Protesten angesichts der Krise beteiligen, 79 Prozent der Befragten erklärten, sie hätten Verständnis für solche Proteste.

Oskar Lafontaine hat jetzt in der Diskussion über die „sozialen Unruhen“, vor denen das Kapital und seine Vertretern warnen, nicht nur das Recht auf politischen Streik verteidigt, sondern auch dessen praktische Wahrnehmung wie in Frankreich oder Griechenland befürwortet, weil Demonstrationen allein nicht ausreichen würden.

Diesen Appell zur Vorbereitung von bundesweiten Kampfmaßnahmen gegen die Regierung und die Abwälzung der Krisenkosten sollte auch die Bremer LINKE im Wahlkampf aufgreifen und vor Ort in Aktionsbündnissen mit Gewerkschaftern und Betroffeneninitiativen – z.B. bei der Vorbereitung des Bildungsstreiks – praktisch in die Tat umsetzen.

Heino Berg, 27.4.09

Dokumentiert von www.dielinke-bremen.de:

Wahlkampf mit Haien

Die SPD hat begonnen, ihre Antworten auf die Krise zu plakatieren. „Finanzhaie würden FDP wählen“, prangt es von den ersten Großflächen zum Europawahlkampf. Der Hai sieht nett aus. Die SPD gibt sich auch nett. Fakt ist, dass viele Finanzhaie in den letzten 11 Jahren SPD gewählt haben. Die rot-grüne Regierung Schröder hat überhaupt erst Hedge-Fonds in Deutschland zugelassen und das Finanzwesen nach Kräften liberalisiert.

Die „Neue Mitte“ sollte sich einen kräftigen Schluck aus der Welle von Globalisierungs-Profiten gönnen, die weltweit auf Kosten der Beschäftigten, der Umwelt und der Armen gemacht wurden. Steinmeier und Müntefering,die Architekten der Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze, stehen dafür mit ihrem Namen. Auch die Dumpinglöhne, die angeblich CDU wählen, kamen in dieser Zeit so richtig in Schwung. 

„Mit ein bisschen Reparieren aus der Krise“, das ist unterm Strich die Botschaft, mit der die SPD in den Wahlkampf zieht. Ein bisschen mehr Regulierung, ein bisschen mehr Konjunkturprogramm, und jeden Tag ein bisschen mehr Übernahme der faulen Kredite durch die öffentliche Hand. Ziel ist, den Kapitalismus zu retten, nicht die Interessen der Beschäftigten und der breiten Bevölkerung.

DIE LINKE hat mit „Kämpfen in der Krise“ einen anderen Ton angeschlagen. So hieß die Arbeitsmarktkonferenz der Fraktion, so heißt der Leitantrag für ein Antikrisenprogramm, den der LaVo der Partei zur Beschlussfassung auf dem Landesparteitag vorschlägt. Denn die Situation ist offen und zugespitzt wie lange nicht. Die Rettung des Kapitalismus, das Krisenprogramm der etablierten Parteien und der Konzernführungen, beinhaltet Entlassungen, Sozialabbau und Lohnsenkungen in einer neuen Dimension. Die Verteidigung der Interessen von Beschäftigten und Bevölkerung dagegen erfordert tiefe Eingriffe in das Privateigentum an Produktionsmitteln, die nachträgliche Enteignung der räuberischen Profite der letzten 10 Jahre, und einen radikalen Umbau der Arbeits-, Einkommens- und Produktionssysteme.

Für die SPD ist das „heiße Luft“. Für uns ist es der Kern der Sache. Dafür wollen wir mobilisieren – in den Betrieben, auf der Straße, in der Öffentlichkeit, im Wahlkampf. Unser Wahlkampf beginnt mit dem 1. Mai.

Der DGB hat sein umstrittenes 1.Mai-Plakat „1 a deutsche Wertarbeit“ zurückgezogen, nachdem Gewerkschaftsjugend und Bewegungen den unterschwelligen Nationalismus des Plakats kritisiert hatten. Das ist ein ermutigendes Zeichen. Die globale Krise des Kapitalismus erfordert eine internationalistische Antwort. Mit dem Aufruf zu den europäischen Aktionstagen und der Demonstration am 16.Mai: „Die Krise bekämpfen – Sozialpakt für Europa – die Verursacher müssen zahlen“ greift der DGB die Parole der Demonstrationen am 28. März, „Wir zahlen nicht für eure Krise“, auf. Die Aktionen zum Euromayday werden am 1. Mai die zentrale Kundgebung des DGB ergänzen. Auch das ist ein Ansatz zur Verbreiterung des Widerstands.

Fakt ist: Viele Konzerne und Banken, die in den letzten Jahren auf dem hohen Ross saßen, sind jetzt auf den Staat angewiesen, um nicht pleite zu gehen. Das beinhaltet neue Angriffe, aber es kann auch genutzt werden, die Kräfteverhältnisse in unserem Sinne zu verändern. Die Menschen sind verwundbar in der Krise, aber das Kapital ist es auch. Machen wir was draus!

Christoph Spehr