Die Bremer LINKE und die Arcandor-Krise
Der unten zusammen mit den Änderungsanträgen von SPD, Grünen und CDU dokumentierte Dringlichkeitsantrag der LINKEN zur Krise bei Arcandor und seine einstimmige Verabschiedung in der Bürgerschaft ist kein Grund zum Jubeln, sondern ein Pyrrhus-Sieg der LINKEN.
von Heino Berg
Die Abgeordneten von SPD, Grünen und LINKEn appellieren gemeinsam an die Bundesregierung, die Arbeitsplätze bei Karstadt durch die Bewilligung von 200 Millionen € Krediten und 650 Millionen Euro Staatsbürgschaften an die Konzerneigner zu erhalten. Auf dieser Grundlage konnten sich die Senatsparteien mit den Vertretern der LINKEN einigen, aber die 53 000 allein in Deutschland bedrohten Arbeitsplätze werden damit ebenso wenig gesichert wie durch die Milliardensummen, die denselben Privatbanken zur Verfügung gestellt worden, welche diese Kredite nun blockieren.
Wenn die Banken und der Arcandor-Mutterkonzern den Karstadt-Niederlassungen die für den weiteren Geschäftsbetrieb und die Erhaltung der Arbeitsplätze notwendigen Mittel verweigern, dann müssen sie in öffentliches Eigentum überführt und unter die demokratische Kontrolle von Vertretern der Beschäftigten, der Gewerkschaften und der betroffenen Kommunen gestellt werden. Steuergelder und Bürgschaften dürfen nicht ausgerechnet denjenigen zugute kommen, die für die Krise verantwortlich sind.
Die Erfahrung zeigt, dass staatliche Kredite und Bürgschaften an die privaten Konzernherren – noch dazu, wenn sie ohne Bedingungen vergeben werden – keinen einzigen Arbeitsplatz, sondern nur das Kapital der Anteilseigner wie Schickedanz retten sollen. Das Geld, das der Staat den Managern dieser Großaktionäre zur freien Verfügung stellt, fehlt dann für soziale Leistungen und in den Taschen derjenigen, die in Warenhäusern einkaufen wollen. Bei der Demonstration der Karstadt-Beschäftigten in Berlin hat die wirtschaftspolitische Sprecherin der linken Bundestagsfraktion, Sabine Zimmermann, im Gegensatz zur Bremer Bürgerschaftsfraktion diese Kredite zumindest an Bedingungen gekoppelt, auch wenn diese aus meiner Sicht nicht ausreichend sind: "Fließen Steuergelder, müssen diese in Belegschaftsanteile umgewandelt werden. (…) Nichts darf gegen den Willen des Betriebsrats und der Gewerkschaft passieren. Nur so kann verhindert werden, dass Steuergelder in die Taschen der Aktionäre fließen und trotzdem Arbeitsplätze abgebaut und Standorte geschlossen werden.“
Anstatt den Schulterschluss mit Regierungsparteien zu suchen, die durch ihre Umverteilungspolitik zugunsten des Kapitals den Rückgang der Massenkaufkraft verstärkt haben und für die aktuelle Krise mit verantwortlich sind, ist und bleibt es die Aufgabe einer linken, antikapitalistischen Partei in den Parlamenten, gemeinsam mit den Gewerkschaften die Gegenwehr der Betroffenen zu stärken und Kampfmaßnahmen gegen Massenentlassungen zu unterstützen. Das gilt auch und gerade dann, wenn führende Vertreter dieser Gewerkschaften nicht auf die Mobilisierung der Beschäftigten, sondern zusammen mit der Geschäftsführung auf Hilferufe an die Regierungen setzen.
Was die Bürgerschaftsfraktion, namentlich Inga Nitz, in ihrer Pressemitteilung als Erfolg feiert, ist in Wirklichkeit eine Bankrotterklärung der Bremer LINKEN, die als Oppositionspartei gewählt wurde, um den Interessen der Mehrheit der Bevölkerung gegen den bürgerlichen Parteienblock eine Stimme zu verleihen.
Inga Nitz beklagt nachträglich sogenannte „Mängel“ des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes, das in Wirklichkeit ausschließlich dazu dient, die Kosten der Krise nicht ihren Verursachern, sondern deren Opfern aufzubürden: „Obwohl die Bundesregierung 470 Mrd. Euro für die Sanierung der Banken zur Verfügung gestellt hat, ist wie erwartet nicht erreicht worden, dass die Kreditvergabe an Unternehmen dadurch angekurbelt wird.“ Wenn nicht einmal das angebliche Ziel dieses Gesetzes, also die Erleichterung von Krediten für die sog. Realwirtschaft „wie erwartet“ erreicht wurde: Warum hat sie dann – im Gegensatz zur Bundestagsfraktion der LINKEN – trotz mehrfacher Aufforderungen durch die Mitglieder und den Landesparteitag keine Ablehnung dieses Gesetzes bzw. seiner Bremer Bestandteile in der Bürgerschaft beantragt? Warum will sie den Schutzschirm für die Banken nicht verurteilen, sondern nach demselben, gescheiterten Muster auch noch über anderen Privatkonzernen aufspannen?
Die Abgeordneten der Bremer LINKEN sind „angekommen“: Aber nicht bei den Betroffenen, die jetzt um ihre Arbeitsplätze kämpfen müssen, sondern bei den Parlamentsparteien, die dieses Profitsystem verteidigen wollen. Der politische Debatte darüber in der Partei ist kein Luxus, den man administrativ durch Beitrittverweigerungen für Marxisten unterdrücken darf, sondern im Interesse ihrer Mitglieder und Wähler überfällig.
Dokumentiert:
1. Dringlichkeitsantrag der LINKEN
Arbeitsplätze bei Karstadt erhalten – Insolvenz verhindern!
1.000 Arbeitsplätze in Bremen und 200 Arbeitsplätze in Bremerhaven sind bei Karstadt durch die drohende Insolvenz des Mutterkonzerns Arcandor gefährdet. Bereits die Juni-Gehälter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nicht mehr gesichert. Betroffen wären 132 Karstadt-Warenhäuser und Sporthäuser, darunter auch die Häuser in Bremen und Bremerhaven.
Die Insolvenz bei Arcandor droht durch das Auslaufen eines Kredits über 650 Mio. Euro zum 12.Juni, den die Gläubigerbanken ohne zusätzliche Sicherheiten nicht mehr verlängern wollen. Arcandor hat deshalb beim „Wirtschaftsfonds Deutschland“, der mit dem zweiten Konjunkturprogramm der Bundesregierung eingerichtet wurde, eine Bürgschaft beantragt, damit der Kredit verlängert wird. Ohne die Kreditverlängerung droht Arcandor die Insolvenz. Ferner hat Arcandor neue Kredite in Höhe von 200 Mio. Euro bei der KfW beantragt, die den Wirtschaftsfonds verwaltet.
Die Insolvenz würde den Arbeitsmarkt im Land Bremen schwer treffen. Sie würde Arbeitsplätze vernichten, die tariflich bezahlt werden, und Beschäftigte, die mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Attraktivität der Innenstadt leisten. Heute werden 7.000 Beschäftigte bei einer Demonstration vor dem Bundeswirtschaftsministerium erwartet. 12.000 Kunden in Bremen haben mit ihrer Unterschrift den Erhalt der Warenhäuser gefordert. Jetzt ist die Politik gefragt. Der Bremer Senat muss sich dafür einsetzen, dass die Insolvenz bei Arcandor verhindert und die Arbeitsplätze erhalten werden.
Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:
Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, sich bei der Bundesregierung dafür einzusetzen,
a) dass Arcandor die geforderten Bürgschaften über 650 Mio. Euro erhält, entweder aus dem „Wirtschaftsfonds Deutschland“ oder durch eine andere Staatsbürgschaft, sowie die geforderten 200 Mio. Euro, die als Kredit bei der KfW beantragt werden sollen;
b) dass die Arbeitsplätze der Karstadt-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten bleiben.
Walter Müller, Inga Nitz, Monique Troedel und Fraktion DIE LINKE
Änderungsantrag der Fraktionen SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Arbeitsplätze bei Karstadt erhalten – Insolvenz verhindern!
(Dringlichkeitsantrag der Fraktion Die Linke vom 27. Mai 2009)
Der Beschlussteil des Antrags erhält folgende Fassung:
Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:
Die Bürgerschaft (Landtag) sieht im für die Sicherung der Kreditversorgung der Wirtschaft gegründeten Wirtschaftsfond Deutschland ein geeignetes Instrumentarium, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern.
Vor diesem Hintergrund bittet die Bürgerschaft (Landtag) den Senat, seine intensiven Bemühungen für einen Erhalt der Karstadt-Häuser in Bremen und Bremerhaven bei der Bundesregierung fortzusetzen, um die Arbeitsplätze der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erhalten und zugleich .eine Entwicklung der Innenstädte vorantreiben zu können.
Max Liess, Dr. Carsten Sieling und Fraktion der SPD
Klaus Möhle, Dr. Matthias Güldner und Fraktion Bündnis 90/DIE
Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und FDP
zum Dringlichkeitsantrag der Fraktion DIE LINKE vom 27.05.2009
Der Antrag erhält die folgende Fassung:
Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:
Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, seine Bemühungen für einen Erhalt der durch die Krise des Arcandor-Konzerns bedrohten Arbeitsplätze in Bremen und Bremerhaven fortzusetzen.
Dr. Wolfgang Schrörs, Thomas Röwekamp und Fraktion der CDU
PRESSEMITTEILUNG der Linksfraktion
„Arbeitsplätze bei Karstadt erhalten“: Bremische Bürgerschaft schließt sich Initiative der Linksfraktion mehrheitlich an
Am gestrigen Mittwoch haben sich 7000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Warenhauses Karstadt in Berlin versammelt, um für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze zu demonstrieren. DIE LINKE in der Bremischen Bürgerschaft hat ihre Unterstützung durch eine Solidaritätsadresse erklärt und den Worten noch Taten folgen lassen. Zur heutigen Landtagssitzung reichte sie einen Dringlichkeitsantrag ein, mit dem der Senat dazu aufgefordert wird, sich auf Bundesebene für die seitens des Mutterkonzerns Arcandor erbetene Staatsbürgschaft einzusetzen und die bundesweit 32.500 Karstadt-Arbeitsplätze zu erhalten. Walter Müller in seiner Rede zum Antrag: „Diese Arbeitsplätze dürfen nicht vernichtet werden!“ Er verwies auf eine schützenswerte Tradition des Kaufhauses, zu der es gehört, die Beschäftigten nach Tarif zu bezahlen. „Damit ist Karstadt eine Stütze des Einzelhandels, die sich gegen branchenübliche Niedriglöhne stellt und nicht wegbrechen darf“, so der wirtschaftspolitische Sprecher.
Inga Nitz fügte hinzu, dass sich anhand der Karstadt-Krise leider auch zeige, wie mangelhaft das Finanzmarktstabilisierungsgesetz sei: „Obwohl die Bundesregierung 470 Mrd. Euro für die Sanierung der Banken zur Verfügung gestellt hat, ist wie erwartet nicht erreicht worden, dass die Kreditvergabe an Unternehmen dadurch angekurbelt wird.“ Das Beispiel Karstadt zeige, dass Gläubigerbanken ihre Risiken offenbar vollständig dem Staat überlassen wollen. Zum rot-grünen Änderungsantrag, der sich für die Sicherung der wirtschaftlichen Kreditversorgung durch den Wirtschaftsfonds Deutschland ausspricht, sagte sie: „Als LINKE bevorzugen wir einen Zukunftsinvestitionsfonds, der staatliche Hilfen an Staatsbeteiligung oder Belegschaftsbeteiligung bindet.“
Auf Einladung der Fraktion DIE LINKE war eine Delegation von Karstadt-Betriebsräten und -MitarbeiterInnen zur Debatte in die Bürgerschaft gekommen. Der Antrag der LINKEN wurde von den Abgeordneten der Bürgerschaft mehrheitlich beschlossen – mit der rot-grünen Änderung, den Fortbestand des Unternehmens über den Wirtschaftsfonds Deutschland zu sichern.