Sozialistisches Aktionsprogramm für den betrieblichen Widerstand
Nur der entschlossene Kampf um jeden Arbeitsplatz, gemeinsam mit allen Standorten eines Konzerns, gemeinsam mit allen Betrieben einer Region, gemeinsam mit allen Belegschaften einer Branche, hat die Chance, etwas zu bewirken. Streiks, Betriebsbesetzungen, Generalstreik müssen heute auf die Tagesordnung gesetzt werden.
Die Mehrheit der AktivistInnen in Betrieb und Gewerkschaft weiß das, nur leider längst nicht jeder Gewerkschaftsfunktionär. Daher müssen wir es selber laut und deutlich sagen und unsere Argumente liefern.
Lohnverzicht sichert keine Arbeitsplätze
Bei Opel wurde seit Beginn der neunziger Jahre jede zweite Stelle vernichtet – trotz regelmäßiger Zugeständnisse. Und die Einkommen der KollegInnen, die einst etwa 30 Prozent über dem Flächentarif lagen, sind inzwischen erheblich abgesenkt. Mit dem im letzten Jahr abgeschlossenen „Zukunftsvertrag“ sollen die noch verbliebenen übertariflichen Leistungen vollends gestrichen werden. Damit bedeutet jede neuerliche Konzession eine Untergrabung des Tarifvertrags. Genau das passiert aber die Tage: Der Opel-Gesamtbetriebsrat mit Klaus Franz an der Spitze bietet einen Lohnverzicht in einem Volumen von einer Milliarde Euro an, mit dem einem neuen Eigentümer ein Geschenk gemacht werden soll.
Das wird nur die Unternehmer der Konkurrenz ermuntern und die Spirale sinkender Löhne und steigender Arbeitsverdichtung weiterdrehen lassen. Diese Politik verbessert Profitaussichten, aber sichert keine Arbeitsplätze.
Um am Verhandlungstisch Stärke zeigen zu können, müssen wir unsere volle Kampfkraft einsetzen. Mit der Behauptung, Standorte zu retten, wird die Belegschaft eines Konzerns gespalten. Mit den Vorschlägen, auf Lohn zu verzichten oder Arbeitsplätze wenigstens „sozialverträglich“ abzubauen, wird die Kampfkraft geschwächt.
Die KollegInnen müssen entscheiden
Ab und zu erfahren wir aus der Presse, was die Bosse als Nächstes vorhaben. Oder wir werden zur Betriebsversammlung geladen, um informiert zu werden. Doch wir brauchen auch Betriebsversammlungen, wo wir diskutieren können. Wir brauchen regelmäßige Treffen der Vertrauensleute und in allen Gliederungen der Gewerkschaft Mitgliederversammlungen, um über Widerstand und Alternativen zu beraten. In einem Arbeitskampf brauchen wir täglich Streikversammlungen, um Argumente auszutauschen und weitere Schritte zu beraten.
Vor Beginn des wilden Streiks bei Opel Bochum 2004 kamen täglich 150 bis 200 KollegInnen zusammen, um kollektiv die Lage zu besprechen. Das war für die Vorbereitung und den Verlauf des Arbeitskampfes von immenser Bedeutung.
Streik und Betriebsbesetzung
Der Streik stoppt die Produktion. Das ist ein Anfang. Aber das wird nicht immer ausreichen. Wenn die Schließung eines Standortes droht, wenn Maschinen den Betrieb verlassen sollen, sind Werkstorblockaden nötig. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollten wir uns dann aber nicht nur vor den Toren aufhalten, sondern den Betrieb besetzen. Gemeinsam kann dann entschieden werden, ob eine Fortführung der Produktion unmittelbar ansteht oder ob eine Ausweitung des Kampfes und ein Produktionsstopp sinnvoll sind.
Sobald ein Arbeitskampf bevorsteht, sollte ein Streikkomitee gewählt werden – das jederzeit rechenschaftspflichtig ist und auch wieder abgewählt werden kann. Aufgrund der Gefahr von Streikbrechern und dem Abtransport von Produkten und Maschinen sind zudem Streikposten entscheidend.
Ausweitung des Kampfes
Der Blick muss darauf gerichtet sein, größtmögliche Solidarität aufzubauen. Und sie kann riesig sein, denn die meisten Menschen sind wütend über die aktuellen Entwicklungen. Wir müssen ihnen das Angebot machen, sich zu beteiligen. Wir müssen ihnen Argumente liefern und ihre Zweifel überwinden helfen. Daher müssen wir folgende Fragen beantworten:
Wie können wir andere Belegschaftsteile ansprechen? Wie können wir sie überzeugen, sich am Streik beziehungsweise an der Besetzung zu beteiligen?
Wie können wir zu anderen Standorten Kontakt aufnehmen? Welche gemeinsamen Aktivitäten können aufgebaut werden? Können wir internationale Solidarität herstellen? Bei General Motors hat es zum Beispiel in den letzten Jahren länderübergreifende Protestaktionen gegeben.
Der Arbeitskampf in einem Betrieb ist eine enorme Ermutigung für die KollegInnen in anderen Betrieben, die auch von Entlassungen bedroht sind. Unsere Arbeit muss darauf abzielen, gemeinsame Proteste zu organisieren. Auch regionale Generalstreiks sind denkbar.
Solidaritätsarbeit
Die Bevölkerung ist erleichtert, wenn eine Belegschaft in den Kampf eintritt und sich nicht zu Grabe tragen lässt. Endlich kann sie einen aktiven Beitrag leisten. 1987 kämpfte das Stahlwerk Rheinhausen gegen die Schließung. Wie keine andere Belegschaft zuvor gab sie der Bevölkerung die Möglichkeit mitzukämpfen – und die Bevölkerung packte mit an. Die Betriebsversammlungen waren öffentlich, Protestaktionen wie Demos, Fackelzüge und Autobahnbesetzungen wurden organisiert. An den Bürgerkomitees nahmen zweimal wöchentlich 800 bis 1.000 Menschen teil. Ein Höhepunkt war der regionale Generalstreik am 10. Dezember 1987. Erhebliche Zugeständnisse konnten so erreicht werden. Allerdings hat die IG-Metall-Spitze den KollegInnen seinerzeit „den Rücken zugedreht; sie hat uns nicht unterstützt“, so der damalige Streikaktivist Helmut Laakmann. Folglich wurde der Erhalt aller Arbeitsplätze leider nicht erreicht.
Arbeitszeitverkürzung bei Lohn- und Personalausgleich
Kommt es zu Kurzarbeit, dann muss die Devise sein: Weiterhin voller Lohn, 100 Prozent! Das heißt, dass die Krise, die wir nicht verschuldet haben, nicht zu Lohneinbußen führen darf. Keinen Cent können wir entbehren.
Gibt es weniger Aufträge, dann muss die Arbeit perspektivisch für alle verkürzt werden. Auf Lohn können wir dabei nicht verzichten. Und die Produktivität ist so gestiegen, dass wir in kürzerer Zeit die gleichen Werte schaffen. Es ist nötig, dass der geschaffene Reichtum nicht länger dem Kapital zu Gute kommt, sondern den arbeitenden Menschen – durch Reduzierung der Arbeitshetze, Arbeitszeitverkürzung und Schaffung neuer Stellen.
Öffnung der Geschäftsbücher
Solange die Konzernchefs am Ruder bleiben und es weiter darum geht, wie viel Profit gemacht werden kann, werden auch noch so große staatliche Bürgschaften nichts ändern.
Die staatlichen Gelder werden auch nicht über eine höhere Besteuerung bei den Reichen finanziert, sondern über Kredite – sprich die Reichen leihen dem Staat Geld und kassieren auch noch Zinsen. Am Ende bezahlt die arbeitende Bevölkerung die Zeche.
Ein Hartz-IV-Empfänger muss seine gesamten Vermögensverhältnisse offen legen, bevor er einen Cent fürs nackte Überleben bekommt. Banken und Unternehmer, die behaupten, dass sie vor der Pleite stehen, sollten als Erstes ihre Bilanzen, Konten und Geschäftsbücher offen legen. Belegschaften und Bevölkerung müssen wissen, wie die Schulden entstanden sind, wer die Gläubiger sind und wer an den Schulden verdient. Die Großaktionäre rechnen sich jetzt arm. Die Gelder, die an der einen Stelle fehlen, sind aber nicht in schwarzen Löchern verschwunden, sondern weiter in den Taschen der Reichen.
Wer Entlassungen plant, gehört enteignet
Es gibt die Produktionsstätten, die Menschen, die arbeiten wollen, das Know-How. Nur für den Unternehmer lohnt es sich nicht? Dann brauchen wir ihn nicht mehr.
Das gesamte Eigentum des verstaatlichten Betriebes muss dauerhaft in öffentliches Eigentum überführt werden. Die Produktion gehört übergreifend geplant und auf sinnvolle Produkte umgestellt. Würde der Staat zum Beispiel gleichzeitig den öffentlichen Nah- und Fernverkehr ausbauen und ihn zum Nulltarif anbieten, würden sich direkt wieder die Auftragsbücher füllen. Das sind sinnvoll verwendete Staatsausgaben und ist allemal vernünftiger als die Finanzierung der Arbeitslosigkeit.
Arbeiterverwaltung
Es würde dabei nicht ausreichen, die Leitung des Unternehmens an den Staat zu übergeben. Um eine Weiterführung der Werke bei Erhalt aller Arbeitsplätze zu garantieren, müsste die Kontrolle und Verwaltung der Betriebe durch demokratische Gremien – zusammengesetzt aus VertreterInnen der Belegschaft und der arbeitenden Bevölkerung – erfolgen.
Es brodelt
In Deutschland gärt es langsam, Proteste und Streiks beginnen allmählich. Bei Federal Mogul in Wiesbaden wurde Anfang Mai der erste unbefristete Streik in diesem Jahr ausgerufen. Bei Mahle im unterfränkischen Alzenau wurden Proteste in der ganzen Region auf die Beine gestellt. Ursprünglich wollte die Konzernleitung die 424 Beschäftigten und zwölf Azubis Ende Juni vor die Tür setzen. Nun konnte der Widerstand erreichen, dass es in den nächsten zwei Jahren erstmal keine Entlassungen geben soll. Auch bei Federal Mogul konnte durch die Arbeitsniederlegung die Unternehmeroffensive zunächst einmal aufgehalten werden. Allerdings sind weder bei Mahle noch bei Federal Mogul die Arbeitsplätze dauerhaft gesichert. Außerdem bieten Betriebsrats- und Gewerkschaftsspitze derzeit leider Zugeständnisse an. Darum muss der Widerstand fortgesetzt werden.
Bei ThyssenKrupp und in anderen Betrieben konnte durch Druck von unten die heutige Gewerkschaftsspitze gegen ihren Willen dazu gebracht werden, mit Großdemonstrationen ansatzweise Protest zu organisieren. Der Druck auf die Führung ist nötig, der Aufbau einer programmatischen und personellen Alternative zu IG-Metall-Chef Bertold Huber und Co. dringend geboten. Wenn wir – die kritischen KollegInnen – die Argumente liefern und die Wut der Beschäftigten ausdrücken, wird es immer öfter möglich sein, den Anstoß für Gegenwehr zu geben. Schon eine kämpferische Betriebsversammlung, der Ausstand einer Abteilung kann eine Kettenreaktion auslösen.
Zudem kommt der Partei DIE LINKE eine wichtige Aufgabe zu, betriebliche Kämpfe aktiv zu unterstützen, eine inhaltliche Alternative zur kapitalistischen Krisenlösung darzustellen und auf der politischen Ebene ein Angebot zu machen.
Ein erster größerer, entschlossen geführter Arbeitskampf könnte Signalwirkung bekommen und die Belegschaften in anderen Betrieben stark ermutigen. Damit auf die Kampfansage der Unternehmer endlich entsprechend reagiert wird – mit einer Welle von Streiks und Betriebsbesetzungen. ν