Kommunalwahlen in NRW am Beispiel Köln

LINKE im Vorwärtsgang mit angezogener Bremse


 

Die Freude von CDU („Immer noch stärkste Kraft“) und SPD („schwarz-gelb hat keine Mehrheit“) ist nur das Pfeifen im Walde. Die Kommunalwahlen in NRW unterstreichen die schwere Krise der sogenannten „Volksparteien“. Die CDU verliert 420.000 WählerInnen, die SPD 220.000.

von Claus Ludwig, wieder gewähltes Mitglied im Rat der Stadt Köln

Die Oppositionsparteien Grüne, FDP und LINKE gewinnen hinzu. Viele Linke sind allerdings darüber besorgt, dass die Partei mit 4,4% unter ihren Erwartungen geblieben ist. Die Debatte über die Ursachen muss geführt werden. Das ändert allerdings nichts daran, dass Die LINKE mit einem Plus von 215.000 WählerInnen genauso viel zulegen konnte wie Grüne und FDP zusammen.

Fast die Hälfte, 7 Millionen Menschen, haben ihr Wahlrecht nicht wahrgenommen, das ist Rekord in NRW. Die SPD hat in ihrem einstigen „Stammland“ demnach noch die Unterstützung von rund 15% aller Wahlberechtigten. Münteferings Jubel ist nichts als absurdes Theater.

Die LINKE hat von der weit verbreiteten Unzufriedenheit nicht ausreichend profitieren und die Nicht- sowie SPD-WählerInnen nur zu einem Teil gewinnen können. In einigen Großstädten, so z.B. in Köln, hat sie Stimmen an die Grünen verloren.

Bei den Wahlen in NRW wird die Gefahr sichtbar, dass Die LINKE von der Masse der ArbeitnehmerInnen, Erwerbslosen und kleinen RentnerInnen nicht als DIE Alternative zu den Hartz-IV-Parteien gesehen wird, sondern als „Ergänzungspartei“, welche zum Parteiensystem dazu gehört, aber keine besonderen Erwartungen weckt. Wenn sich dies durchsetzt, wäre die LINKE in der 5%-Falle gefangen. Sie würde, je nach Sozialstruktur und Konkurrenz anderer Parteien, zwischen 3% in kleineren, ländlichen Städten, 5% in Universitäts- und Verwaltungsstädten und bis zu 8% in stark proletarisch geprägten, armen Städten erzielen.

Parlamentarische Wahlen sind ohnehin ein schwieriges Feld für linke und sozialistische Parteien. Die Etablierten und bürgerliche Oppositionelle haben mehr Geld und werden von den Medien stärker berücksichtigt.

Wenn die Linke sich auf deren Art Wahlkampf und deren Art Politik einlässt, stößt sie an Grenzen. In der täglichen Aktivität und den Wahlkämpfen muss stattdessen vermittelt werden, dass die LINKE eine kämpfende Partei sein will, eine Partei, welche die Interessen der lohnabhängigen Mehrheit der Bevölkerung vertritt und dafür auf die Straße geht. Materialien, Slogans und Aktionsformen sollten darauf ausgerichtet sein, Menschen zu aktivieren und den grundlegenden Unterschied zum bürgerlichen Politikbetrieb deutlich zu machen.

Die LINKE und die Krise

Der Beginn der schweren Wirtschaftskrise markiert das Ende der Phase, in der die LINKE nur zu sagen brauchte: „Umverteilen und mehr Gerechtigkeit“ und die WählerInnen die Partei als soziales Korrektiv innerhalb des Systems sahen.

Die ernste Krise erfordert ernste Antworten. Doch in dieser Situation ist die Parteispitze um Lafontaine und Gysi eher staatstragender geworden, redet wenig von Sozialismus und Vergesellschaftung und mehr davon, Banken zu retten und private Pleite-Betriebe mit Staatsgeldern zu subventionieren, ohne die Eigentumsverhältnisse zu ändern. Sie konnte oder wollte sich nicht deutlich von SPD und CDU abheben.

Sie verbreitet die gefährliche Idee der „Mitarbeiterbeteiligung“, die Belegschaften in Betrieben, die von Schließung und Job-Vernichtung bedroht sind, in die Lage bringen würde, ihre eigene „Abwicklung“ zu organisieren. Diese Parole kann keine Mobilisierungfähigkeit entwickeln, sondern trägt nur zur Verwirrung und damit zur Schwächung von Abwehrkämpfen bei.

Die Lohnabhängigen spüren instinktiv, dass der Weg zurück zu einem gezähmten SPD-Kapitalismus der frühen 70er versperrt ist. Wenn die LINKE als eine Art Willy-Brandt-Nostalgie-Partei gesehen wird, wird sie bei Wahlen weiter ins Hintertreffen geraten. Die Menschen spüren, dass die grundlegende Krise des Systems neue Antworten erfordert.

Die Selbstdarstellung als soziales Korrektiv des bürgerlichen Politikbetriebs führt dort zu Wahlerfolgen, wo eine Regierungsbeteiligung innerhalb des parlamentarischen Systems für möglich gehalten wird, so z.B. im Saarland und in Thüringen. In NRW wurde dies offensichtlich nicht für nötig oder möglich gehalten, also entfällt die Notwendigkeit, die LINKE zu wählen, wenn diese nicht als kämpfende Partei agiert, die das gesamte Establishment kritisiert und deutlich macht, nicht dazu zu gehören.

Dass die „Machtoption“ à la Berlin, Thüringen und Saarland eher ein Nagel im Sarg der Partei denn ein Schritt nach vorne wäre, wurde schon an anderer Stelle ausgeführt.

In der parlamentarischen Falle – das Beispiel Köln

In Köln haben SPD und CDU zusammen über 15.000 Stimmen verloren, die Wahlbeteiligung ist leicht gestiegen. Die FDP hat 8.800 Stimmen gewonnen, die Faschisten von „ProKöln“ 3.500. Die LINKE hat gegenüber dem PDS-Ergebnis 2004 7.600 Stimmen hinzu gewonnen. Allerdings hatte 2004 auch das linke Bündnis GgS (Gemeinsam gegen Sozialraub), für das der Autor der Zeilen damals in den Rat gewählt wurde, rund 2.200 Stimmen geholt und war 2009 nicht mehr angetreten. Die Grünen haben hingegen um 22.000 Stimmen zugelegt und sind der klare Gewinner der Wahl in Köln.

Im Stadtrat gab es bisher keine Mehrheit von SPD/Grünen. Diese brauchten immer wieder die Stimmen der LINKE, um ihre Anträge durchzusetzen. Diese Funktion als Mehrheitsbeschaffer konnte die Kölner LINKE nutzen, um einzelne soziale Reformen wie z.B. den Köln-Pass durch den Rat zu bringen. Das Kölner Wahlergebnis war mit 4,84% allerdings recht bescheiden. Viele GenossInnen wunderten sich, warum die Erfolge sich nicht in Wählerstimmen ausgedrückt haben.

Diese GenossInnen überschätzen die Wirkungen rein parlamentarisch durchgesetzter Verbesserungen. Ohne eine Beteiligung von Teilen der Arbeiterklasse und der Jugend an Kämpfen zur Durchsetzung solcher Verbesserungen setzen diese sich nicht im Bewusstsein fest und können leichter zurück genommen werden. Es besteht die Gefahr, dass die Maßnahmen als „Sozialpolitik von oben“ wahr genommen werden und die Urheberschaft der LINKE im Dunkeln bleibt. SPD und Grüne konnten die kleinen sozialen Verbesserungen der Vorjahre nutzen, um ihre Wahlkampf-Show abzuziehen und sich selbst als die Alternative zu schwarz-gelb darzustellen. Sie haben ganz andere Mittel für einen massiven Wahlkampf und so wird am Ende nur eine Minderheit die Maßnahmen der LINKE zurechnen. Da der SPD ohnehin kaum eine/r die Wahlkampf-Slogans abnimmt, waren am Ende die Grünen die Hauptprofiteure des rot-grünen „Kernbündnisses“ mit LINKE-Unterstützung.

Es war nicht falsch, bei positiven Maßnahmen mit SPD und Grünen zu stimmen. Aber es führt in die Irre, daraus eine Strategie zu machen und diese zu einer Priorität der Parteiarbeit zu machen oder gar die Arbeit daran auszurichten.

Die LINKE in Köln hat keiner Sozialabbau-Maßnahme zugestimmt und im Großen und Ganzen eine korrekte Linie bewahrt. Sie war nicht an der „Regierung“ der Stadt beteiligt. Doch sie hat sich unter dem Strich als linker Flügel des bürgerlich-parlamentarischen Systems dargestellt, wurde auch so von den WählerInnen wahr genommen. Damit macht sie sich selbst überflüssig.

Das Wahlergebnis ist eine klare Aussage über die Politik der sogenannten. „wechselnden Mehrheiten“ im Rat. Diese teilweise faktische Tolerierung von SPD/Grünen hat sich für die LINKE nicht ausgezahlt.

Das (sozialistische) Ziel ist entscheidend, nicht der Weg, wie der Reformismus-Theoretiker Bernstein Ende des 19. Jahrhunderts behauptete. Aber dialektischerweise ist im Kampf für Reformen wiederum der Weg ganz entscheidend. Wichtig ist, dass die LINKE Selbstaktivität und Selbstorganisation anstößt, mit den Betroffenen kämpft; in vielen Fällen wird das wichtiger sein als die Frage, ob die eine oder andere konkrete Forderung im Rat durchgesetzt wurde.

Aus der kämpfenden Opposition heraus werden wir mehr verändern, werden wir mehr Unterstützung erfahren als durch die Arbeit in den Ratsgremien selbst. Menschen, die mit uns zusammen gekämpft haben, denen wir Argumente und Hilfen geboten haben, werden sich daran erinnern, reden mit Freunden, wirken als Multiplikatoren. So kann die Linke ihre allgemeine Aufklärung über die kapitalistischen Verhältnisse konkretisieren und sich verankern.

In seinem Beitrag für die Kölner „Lokalberichte“ zieht der bisherige Fraktionsvorsitzende der Kölner LINKE, Jörg Detjen, genau die falschen Schlussfolgerungen. Er sagt über die Mehrheit für SPD und Grüne im neuen Rat: „Damit sind die Einflussmöglichkeiten der LINKEN gegenüber der letzten Wahlperiode äußerst gering.“

Noch geringer!? Allzu groß waren sie auch im letzten Rat nicht, denn die kleine Fraktion aus vier GenossInnen konnte weder die Prioritäten des Haushaltes umkehren noch die 1-Euro-Jobs verhindern noch die Korruption beenden. Nun sind sie „äußerst gering“, faktisch also gleich Null, da könnte man ja gleich zu Hause bleiben.

Welch fatale Fehleinschätzung. „Mitregieren“ bringt nicht der LINKE Einfluss, sondern schafft anderen Parteien Einfluss in der Linken. Die Einflussmöglichkeiten linker Politik ergeben sich aus ihrer sozialen Verankerung und Mobilisierungsfähigkeit. Die Chancen sind nicht schlechter als in der vorherigen Ratsperiode, sie müssen aber genutzt werden!

Ein Problem im Wahlkampf war der von Kölner Partei mit äußerst knapper Mehrheit beschlossene Verzicht auf eine eigene OB-Kandidatur. Die Argumente gegen eine Kandidatur reichen von „Wir können nicht gewinnen, dann bringt das nix“ und „Wir haben keine geeigneten KandidatInnen“ über „Dann müssen wir ja auch noch den OB-Wahlkampf mitmachen“ bis zum offenen oder versteckten Wunsch, SPD und Grünen durch den Verzicht auf eine Konkurrenz zu ihrem Kandidaten Roters das Signal für eine Zusammenarbeit zu geben.

Allen Argumenten ist gemein, dass sie sich im Rahmen der bürgerlich-parlamentarischen Logik bewegen und übersehen, dass jede Kandidatur der LINKE in erster Linie ein Vehikel sein muss, um Ideen und Parolen zu transportieren. Wie die Befürworter einer OB-Kandidatur erwartet haben, konzentrierte sich die mediale Berichterstattung auf die OB-Kandidaten, der Verzicht darauf bedeutete, die Chancen zur Selbstdarstellung, z.B. als „DIE Kandidatin gegen Hartz IV“ nicht zu nutzen.

Probleme nicht nur bei den Wahlen

Wäre das Wahlergebnis enttäuschend, aber die Partei würde in anderen Feldern nach vorne gehen, bräuchte man sich keine großen Sorgen machen. Bürgerliche Wahlen sind kein einfaches Feld für linke Kräfte. Aber für Köln lässt sich sagen, dass das Wahlergebnis ein Ausdruck von Problemen auf mehreren Ebenen ist, die auch aus anderen Kreisverbänden bekannt sind.

Die Partei ist bei sozialen Kämpfen, bei Bewegungen und Demos wenig präsent, Ausnahmen bestätigen die Regel. Im Sommer gab es Mobilisierungen zum Thema „Iran“ und eine ganze Reihe antifaschistischer Aktionen. Bei beiden war die Partei erschreckend schwach vertreten, obwohl dort Hunderte aktive, interessierte Menschen waren.

Die unterschiedlichen Traditionen und Strömungen in der Partei werden nicht als Chance gesehen, die Partei als Sammlungsbewegung in einem „sozialistischen Wettbewerb“ aufzubauen. Stattdessen regieren Überzentralisierung und umständliche Mechanismen, um Beschlüsse über Aktivitäten zu erreichen. Nicht die unterschiedlichen Strömungen schaden der Partei, sondern eine lähmende Form des Strömungs-Kampfes, bei dem Ausgrenzung und Kontrolle eine große Rolle spielen.

Das hat Folgen auf allen Ebenen. 2007-08 ist die Partei stark gewachsen, aber die Aktivenschicht ist recht dünn, die Verankerung in sozialen Kämpfen nur ansatzweise vorhanden.

Klares Profil nötig

In seinem Artikel für die „Lokalberichte“ erwähnt Jörg Detjen, dass die Grünen als Partei, die schon immer gegen die U-Bahn war, der Wahlsieger sind.

Tatsächlich hat die LINKE im Frühjahr die Chance verpasst, zu der Kraft zu werden, die nach dem Unfall in der Severinstraße den Stopp des wahnwitzigen U-Bahn-Projektes durch die Südstadt erkämpft.

Der Autor dieser Zeilen und andere GenossInnen haben schon Tage nach dem Archiv-Einsturz ein klares Programm vorgelegt: Baustopp bis der Klärung aller Sicherheits- und Finanzierungsfragen, öffentliche Debatte und demokratische Entscheidung durch die Bevölkerung über den Fortgang des Projektes. Wir haben vorgeschlagen, dass die Partei mit diesem Programm eine Kampagne startet und hilft, eine breite Bewegung anzustoßen. Das Potenzial war vorhanden, aber der organisierende Kern fehlte. Die rund 50% der Leute, die bei einer Umfrage des Stadtanzeigers (nicht repräsentativ, aber mit ca. 25.000 Beteiligten) sagten, die U-Bahn müsse gestoppt oder erst einmal für Jahre stillgelegt werden, haben somit keine Kraft erkennen können, die eine andere Möglichkeit aufzeigt.

Die Grünen setzten ihre politische Autorität als U-Bahn-Gegner ein, um staatstragend zu verkünden, jetzt, nachdem all das Geld sinnlos vergraben wurde, müsste man das Ding fertig bauen. Die LINKE hätte dagegen halten und die Grünen schwächen können. Ein Kampf für den Baustopp wäre eine wichtige Mobilisierung gewesen und hätte die Grünen wahrscheinlich Stimmen in der Südstadt gekostet.

Tatsächlich hatte der Kreisvorstand viel zu spät zwar korrekte Forderungen aufgestellt, aber keine Kampagne für diese Forderungen organisiert. Durch die Ratsfraktion wurde zwar gute Recherche-Arbeit geleistet, aber nach außen wurde die Linie transportiert, dass man auch für die Fertigstellung unter den gegebenen Umständen sei, der Unterschied zu den etablierten Kräften war minimal.

GenossInnen, die für den Baustopp eintraten, wurde unterstellt, unverantwortliche Forderungen zu stellen, die zu erneuten Millionenforderungen gegen die Stadt führen könnten, außerdem wäre es lächerlich, ein schon in Gang gesetztes Projekt stoppen zu wollen. Heute, ein halbes Jahr später, ist die Fertigstellung der U-Bahn nicht für 2011 oder 2012, sondern frühestens für 2013 geplant. Auch 2015 ist schon im Gespräch. Teile der unterirdischen Anlagen müssen eventuell verlegt werden. Angesichts der kommenden Haushaltskrise ist nicht auszuschließen, dass das ganze Projekt noch kippt.

Die U-Bahn-Frage hätte die Möglichkeit zur Zuspitzung geboten. Die LINKE hätte einen stärkeren Wiedererkennungswert bekommen. Die Frontfrauen bzw. männer der entsprechenden Bürgerinitiative hätten als OB-Kandidat/in aufgestellt werden können.

Stattdessen wurde ein eher abstrakter Propaganda-Wahlkampf mit einem Material-Gemischtwarenladen geführt. Die Plakate der LINKE in Köln waren allgemein in Ordnung, doch es war nicht klar erkennbar, wofür die Partei konkret kämpft. „Schule für Alle“, „Transparenz und Demokratie“, „Gute Arbeit statt Hartz IV“ auf zu bunten, optisch unauffälligen Plakaten haben kein klares Bild der Partei ergeben, allgemeine Wahlwerbung durch Infostände und Briefkasten-Verteilung ebenso wenig.

Wenn die LINKE als „allgemeine soziale Kraft, die das Gute will“ gesehen wird, verliert sie gegenüber den Grünen, bietet sogar Raum für andere, politisch unklare Kräfte wie die lokale Initiative „Deine Freunde“ in Köln, die mit rund 3.000 Stimmen (0,8%) ein Ratsmandt eroberte oder die „Piratenpartei“ in Aachen, die es schaffen, klar ihre Zielgruppen zu definieren und ein Bild von sich zu vermitteln.

Beginnende Verankerung in Kalk

Das Wahlergebnis im Direktwahlkreis des Autoren dieser Zeilen, dem Wahlkreis 42 (Humboldt-Gremberg 1/Kalk) liegt mit 10,73% deutlich über dem stadtweiten Schnitt und hat auch andere Besonderheiten aufzuweisen.

Die Wahlbeteiligung ist deutlich gestiegen, diese Stimmen und die Verluste von SPD und CDU sind zu gleichen Teilen den Grünen und der LINKE zu Gute gekommen (jeweils ca. +240), obwohl auch andere eher links-alternative Kräfte leicht zugelegt haben (Deine Freunde, Ökolinx).

Die Faschisten haben insgesamt 164 Stimmen verloren, „Pro Köln“ (PK) selbst verlor trotz höherer Wahlbeteiligung 12 Stimmen, NPD und REP waren nicht mehr angetreten. In fast allen anderen Stadtteilen mit ähnlicher Sozialstruktur (hohe Arbeitslosigkeit und Migranten-Anteil) konnte PK deutlich zulegen. Insgesamt sind die faschistischen Parteien von 11,31% auf 7,49% abgesackt, die Kandidaturen „links der Grünen“ konnten von 8,81% auf 13,17% gesteigert werden. Hätte es diese Tendenz in allen armen Stadtteilen gegeben, wäre die LINKE im Rat weitaus stärker, die Faschisten schwächer.

Das liegt nur zum Teil an der Sozialstruktur Kalks, denn diese ist in anderen Stadtteilen ähnlich. Auch der intensiv geführte Wahlkampf mit mehr Infoständen als in anderen Wahlkreisen und das Engagement des Autors im Wahlkampf haben diese Unterstützung nicht geschaffen, sondern sie lediglich für den Wahltermin abgerufen.

Dem Wahlergebnis liegt die langfristige Aktivität linker Kräfte in Kalk zugrunde. Schon seit vielen Jahren ist die SAV aktiv, dazu türkische Gruppen wie DIDF. Seit 2007 hat der Ortsverein der LINKE häufige Infostände organisiert. Wichtig waren das Eingreifen der linken Ratsmitglieder bei den Protesten jugendlicher Migranten Anfang 2008, die Veedel-Kundgebung gegen den „Anti-Islam-Kongress“ im September 2008 und die Wahlkampfkundgebung mit Straßenfest-Charakter am 21. August.

Das GgS-Büro in der Steprathstr. ist eine Anlaufstelle geworden, durch das Kontakte zu betrieblichen Aktivisten geknüpft und vielen Erwerbslosen geholfen werden konnte. Gerade die Wahllokale rund um das Büro weisen überdurchschnittliche Ergebnisse auf, hier liegt auch das stadtweit stärkste Wahllokal der LINKE mit 19,35%.

In Kalk haben sich die Aktiven nie groß darum geschert, Kontakte zu den bürgerlichen Parteien herzustellen oder sich mit jeder Kleinigkeit in der Bezirksvertretung zu befassen. Sie sind raus auf die Straße, haben mit den Leuten geredet und mit einer Mischung aus konkreten Hilfen und antikapitalistischer Aufklärung die Linke bekannt gemacht.

Aus Misserfolgen lernen

In Köln drohen massive Haushaltskürzungen und Angriffe auf soziale Standards. SPD und Grüne werden dabei nicht zimperlicher sein als die CDU. Sie könnten, ähnlich wie die Schröder-Regierung, ihren Einfluss in der Führung von Gewerkschaften und Verbänden nutzen, um den Widerstand gegen Kürzungen zu minimieren.

Die Aufgabe der LINKE ist es, Proteste dagegen zu unterstützen, ermutigen und anzustoßen. Nötig ist das Primat der Bewegung, der Aktion. Das Agieren im Rat und den Bezirksvertretungen ist den Notwendigkeiten der außerparlamentarischen Aktivitäten und Bewegungen unterzuordnen.

Die Einflussmöglichkeiten der LINKE sind nicht geringer, sondern weit größer, wenn sie es versteht, als grundlegende Opposition gegen die Herrschenden in der Stadt zu agieren, wenn sie den Unmut über das Establishment und die Reichen aufgreift, welche die kommunalen Kassen plündern, wenn sie ihren eigenen Mitgliedern Möglichkeiten bietet, Initiativen von unten anzustoßen, wenn sie schnell auf neue Entwicklungen reagiert.

Eine spezielle Analyse des Autors über das ProKöln-Ergenis findet sich hier.