Aber es wäre mehr drin gewesen
Knapp eineinhalb Wochen lang streikten die GebäudereinigerInnen: Seit 20. Oktober streikten bundesweit über 7.000 KollegInnen. Nach dem Spitzengespräch am 28.Oktober kam es überraschend schnell zu Verhandlungen und einem Ergebnis.
von Krischan Friesecke, Berlin
Viele der StreikaktivistInnen waren am Donnerstag morgen des 29. Oktober sichtlich überrascht, dass die Unternehmerseite eingeknickt ist und die Verhandlungen aufnahm. Noch überraschender war es, dass es auch gleich ein Ergebnis gab. Im Osten werden die Löhne zum 1.01.2010 um 3,8 Prozent und zum 1.01.2011 um weitere 2,5 Prozent steigen, insgesamt 6,3 Prozent. Im Westen steigt der Lohn zum 1.1.2010 um 3,1 Prozent und zum 1.10.2011 um 1,8 Prozent, zusammen 4,9 Prozent bei einer Laufzeit von zwei Jahren.
Damit steigen die Bruttolöhne im Osten um 42 Cent und im Westen um 40 Cent pro Stunde. Diese Erhöhung ist eine Verbesserung, erfolgt aber auf Basis eines niedrigen Lohnniveaus und bedeutet noch kein Ende von Niedriglöhnen in der Branche. Weiterhin ist davon auszugehen, dass es während der zweijährigen Laufzeit weitere Preissteigerungen und Angriffe der schwarz-gelben Bundesregierung auf den Lebensstandard (Kopfpauschale, Mehrwertsteuer, etc.) der KollegInnen geben wird. Deshalb ist die vereinbarte lange Laufzeit ein großer Nachteil.
Die Gewerkschaft forderte 8,7% mehr Lohn bezogen auf eine einjährige Laufzeit. Die KollegInnen sind mit dem erzielten Ergebnis trotzdem weitestgehend zufrieden und froh, dass es keine Lohnabsenkung gegeben hat. Viele KollegInnen wollen in der nächsten Tarifrunde die 10 Euro pro Stunde durchsetzen.
Der Einstieg in die betriebliche Altersvorsorge wurde geschafft: Für einhundert Euro, die KollegInnen zur Vorsorge, aufbringen muss der Unternehmer 23 Euro zusteuern. Das Problem hierbei ist jedoch, dass sich viele KollegInnen aufgrund der geringen Entlohnung fast gar keine Altersvorsorge leisten können.
Zudem wurde eine, nach solchen Streiks übliche, Maßregelungsklausel vereinbart, der zu folge die Streikenden nach dem Ende des Arbeitskampfes keine Repressionen in welcher Art auch immer erfahren dürfen.
Wäre mehr drin gewesen?
Das Ergebnis ist durchaus positiv, immerhin war es der erste bundesweite Streik in der Gebäudereinigerbranche überhaupt, in der der gewerkschaftliche Organisationsgrad mit 10 Prozent sehr niedrig ist. Der Streik der GebäudereinigerInnen zeigt, das es sich lohnt zu kämpfen und eine Gewerkschaft im Kampf aufgebaut werden kann.
Es wäre sehr wahrscheinlich mehr möglich gewesen, wäre der Streik ausgeweitet worden. Lothar Nätebusch, Vorsitzender der IG BAU Berlin-Brandenburg meinte: "Es wäre mehr möglich gewesen, wenn die, die noch abseits stehen, noch mitmachen würden.“ Eine stärkere Erhöhung des gewerkschaftlichen Organisationsgrads wäre drin gewesen, hätte die IG BAU die anderen Gewerkschaften, wie ver.di oder die IG Metall stärker in die Pflicht genommen, GebäudereinigerInnen in Betrieben, in denen die IG BAU bisher keinen Fuß drin hatte, für den Streik zu mobilisieren.
In Berlin gab es gute, oft von den KollegInnen geplante, öffentliche Streikaktionen, wie zum Beispiel eine Aktion am Flughafen Schönefeld, bei der ein Flugblatt an die Passagiere verteilt wurde, in dem die Gründe für den Streik erklärt wurden. Solche Aktionen hätte es in allen Städten geben müssen, organisiert zusammen mit StreikunterstützerInnen und anderen Gewerkschaften. Damit hätte auch der politische Druck noch weiter gesteigert werden können.
In Berlin waren täglich 150 bis 170 KollegInnen im Streik. Hätte es die IG BAU geschafft, diese Zahl sichtbar zu erhöhen und den Streik länger zu führen, dann hätte die Unternehmerseite bestimmt zu noch größeren Zugeständnissen gezwungen werden können.
Während des Streiks kamen die KollegInnen, zumindest in Berlin, zusammen und diskutierten über die nächsten Schritte und Aktionen. Darüber hinaus wäre es auch nötig gewesen, dass die KollegInnen auf täglicher Basis über Ziele und Streikstrategie diskutiert und das Geschehen bestimmt hätten. Das wurde durch die „Flexi-Streiktaktik“ erschwert, da die KollegInnen unregelmäßig am Streik beteiligt wurden.
Große Solidarität
Die Solidarität, die die Streikenden erfuhren, reichte von SchülerInnen über Studierende bis hin zu Beschäftigten der Auftraggeber. So sammelten KollegInnen der BSR (Berliner Stadtreinigung) über zweitausend Unterstützerunterschriften auf einer Betriebsversammlung. KollegInnen der Technischen Universität waren den ganzen Streik lang solidarisch, auch wenn die Gebäude nach sehr kurzer Zeit saumäßig aussahen. Ein IG Metall-Betriebsrat im Berliner Daimler-Werk konnte sechs der dort tätigen Gebäudereiniger für die IG BAU gewinnen.
Welches Potenzial und Dynamik der Streik hatte, zeigt sich in der Begeisterung der KollegInnen und der Masse der Neueintritte in die Gewerkschaft, die oft ohne große Diskussion zustande kamen. Jetzt muss die Gewerkschaft weiter gestärkt werden. Viele KollegInnen, die bisher noch nicht Mitglied sind, werden jetzt für die Gewerkschaft empfänglich sein. Es gilt jetzt in die Betriebe und Objekte zu gehen und mit den KollegInnen zu sprechen und Ihnen zu zeigen, welche Kraft sie vereint haben.
„Wir kommen wieder!“
Ein wichtiges Thema bei den Streikenden war die schwarz-gelbe Bundesregierung, weitere Angriffe auf das Sozialsystem und ob das Tarifergebnis wieder für allgemeinverbindlich erklärt wird. Ein Kollege meinte: "Wenn die Regierung sich weigert, den Mindestlohn allgemeinverbindlich zu erklären, sehen sie uns schnell wieder auf der Straße." Auch ist den Kolleginnen bewusst, dass sie ein Vorbild für viele andere Beschäftigte im Niedriglohnsektor sind. Die GebäudereinigerInnen sind die ersten, die gewagt haben zu streiken – und sie haben den Kampf für sich entschieden. Angelika Walle, Gebäudereinigerin, die vorübergehend gekündigt und dann wieder eingestellt wurde, meinte einen Tag nach Streikende: „Wir haben angefangen, jetzt müssen die Leute aus dem Wachschutz nachziehen.“
Während des Streiks haben viele KollegInnen erkannt, dass es auch im Betriebsalltag nicht so weiter gehen kann wie bisher. Vorgesetzte, die sich aufführen als wenn sie über jedem Gesetz stünden und Betriebsräte, die eher die Interessen des Unternehmers als die der Beschäftigten verteidigen, wollen Sie nicht mehr hinnehmen. Viele KollegInnen werden auf betrieblicher Ebene weiter kämpfen. Bald stehen einige Betriebsratswahlen in der Branche an, zu denen kämpferische AktivistInnen des Streiks antreten werden. Diese KollegInnen werden von der Gewerkschaft unterstützt werden müssen, damit sich in den Betrieben einiges mehr ändert als nur der Lohn.