Ein Jahr Obama

Was hat sich verändert?


 

Vor einem Jahr waren Millionen von US-AmerikanerInnen auf der Straße und bejubelten die Wahl von Obama als das Ende der Politik der Republikaner und den Beginn einer neuen Ära. Wie schnell doch sind diese Hoffnungen zerplatzt. Ein Jahr nach der Wahl Obamas ist es schwer, eine Errungenschaft seiner Präsidentschaft ausfindig zu machen.

von Tony Wilsdon, Socialist Alternative (Schwesterorganisation der SAV in den USA)

Obamas Wahlkampf war gespickt mit hochtrabenden Reden, und er versprach wiederholt zu ändern, wer in Washington die Politik bestimmt. Seine Zusage war, dass einfache US-AmerikanerInnen „genauso viel Zugang und Einfluss auf den Kurs und die Ausrichtung unserer Kampagne haben werden, wie es traditionell bisher für die Wohlhabenden und die Mächtigen der Fall“ war.

Beinahe unmittelbar darauf besetzte Obama sein Kabinett mit zahlreichen Führungskräften von der Wall Street und einflussreichen Politikern aus der vormaligen Administration, darunter sowohl Demokraten als auch Republikaner. Was danach kam, war ein weiteres Rettungspaket für die Verantwortlichen des Finanzdesasters, die Großbanken. Bedingungen waren daran so gut wie keine geknüpft.

Inzwischen lehnt die Obama-Administration es ab, im Senat eine Gesetzgebung zu unterstützen, die es RichterInnen erlauben würde, Banken dazu zu zwingen, Hypothekenfinanzierungsinstrumente neu auszuhandeln, um die monatlichen Raten verzweifelter HausbesitzerInnen zu reduzieren und somit Zwangsvollstreckungen und Räumungen zu verhindern. Diese Entscheidung kommt, nachdem Obama vergangenes Jahr (damals noch als Senator) gegen die Kappung der Zinssätze auf Kreditkarten stimmte.

Matt Taibbi schrieb im Rolling Stone: „Die Hilfe, die Obama den normalen Leuten brachte, ist – in Ausmaß und was den Gültigkeitsbereich hinsichtlich des Geldes der Steuerzahler angeht, verkümmert. Besagte Gelder wurden den amerikanischen Finanzgiganten ausgehändigt.“ (9. Dezember 2009). Das zeigt das Ausmaß, in dem Obama den Bankiers und Finanzjongleuren verpflichtet ist, die seinen Wahlkampf finanziell unterstützten.

Was folgte, war seine Entscheidung, privaten Krankenhäusern, Medikamentenherstellern und Versicherungsunternehmen weitreichende Zugeständnisse zu machen. Das steckt den Rahmen seiner Gesundheitsreform-Vorlage ab (New York Times, 8. Dezember 2008). So setzte Obama sich beispielsweise persönlich dafür ein, den Medikamentenherstellern zu versichern, dass die Regierung ihren Einfluss nicht geltend machen würde, um die Medikamentenpreise herabzusetzen. Das ebnete den Weg für die umfassende Übertragung der Einnahmen an private Arzneimittelhersteller, die dem von Obama unterstützten Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform zu Grunde liegt, welcher gerade vom Kongress und dem Senat angenommen wurde.

Dann kam die Entscheidung für 30.000 weitere SoldatInnen, die nach Afghanistan verlegt werden sollen, die abermalige ablehnung, das internationale Abkommen zur Bannung von Landminen zu unterzeichnen, und die ausbleibende Unterstützung für die Belange der Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender. Obama unterließ es auch, die massive Armut und die hohe Inhaftierungsrate anzugehen, von denen besonders die afroamerikanische Bevölkerung betroffen ist. Er lehnte es ab, ein wirksames Arbeitsplatz-Programm zu verfügen oder sich ernstlich für den Umweltschutz einzusetzen. Und natürlich machte er weitere gut klingende Versprechungen für ein Arbeitsrecht, das es ArbeiterInnen einfacher machen würde, sich am Arbeitsplatz gewerkschaftlich zu organisieren.

Leere Versprechungen

Millionen von Menschen aus der Arbeiterklasse und Millionen Arme sehen sich nun gezwungen, mit der Tatsache umgehen zu müssen, dass Obamas Versprechungen, Kopf von Veränderungen und des Wandels sein zu wollen, nichts waren als das: Wahlversprechen. Zurück in der Realität angekommen ist er lediglich der von der Demokratischen Partei ausgewählte Kandidat. Bis dahin ist er gekommen, wie alle anderen KandidatInnen der Demokratischen Partei: Indem er seine Loyalität gegenüber den Großspendern aus der Industrie- und Finanzwelt unter Beweis stellte, die die Partei und ihre KandidatInnen finanziert haben. Er verbuchte mehr Gelder aus diesem Bereich, als irgendeinE andereR KandidatIn im Jahr 2008.

Was sagt uns das über die Natur der Demokratischen Partei? – In der Demokratischen Partei, wie auch bei der Republikanischen Partei, überragen die Konzerninteressen durchweg die der arbeitenden Menschen und der Armen. Wie anders könnte man sonst die wieder und wieder von der Obama-Administration durchgeführte Politik erklären? Obama ist der momentane Sprecher einer Partei der Konzerninteressen.

Dadurch dass die Obama-Administration Schritt für Schritt von ihren gemachten, fortschrittlichen Zusagen abgerückt ist, entfernten ihre UnterstützerInnen sich zunehmend von ihr. Die eindrucksvolle Mehrheit der US-AmerikanerInnen, die gewillt war mit dabei zu sein, Obamas Versprechen zum Bruch mit der Agenda der Republikaner durchzubringen, ist nun enttäuscht.

Das hat dazu geführt, dass Menschen aus der Arbeiterklasse machtlos und verwirrt zurückgelassen wurden. In dieses Vakuum schaltete sich der rechtsgerichtete, populistische Sprecher der Republikaner ein. Er verdrehte alle Sachverhalte, spielte mit den Sorgen der Leute, hämmerte auf Obama ein und versuchte, mit allen erdenklichen Mitteln dessen Agenda zu blockieren.

Versagen der Demokratischen Partei

Anstatt diesen Haufen bloßzustellen und die Öffentlichkeit zu mobilisieren, hat sich die Obama-Administration an den Verhandlungstisch gesetzt und ein fortschrittliches Element aus dem Gesetzentwurf nach dem anderen zerreden lassen. Wofür? – Bei jedem Zugeständnis haben sich die Republikaner hingestellt und Obamas Politk als „sozialistisch“ und „unamerikanisch“ bezeichnet und immer mehr gefordert. All diese Zugeständnisse führten dazu, dass am Ende trotzdem nicht ein einziger republikanischer Senator für das Gesetz gestimmt hat.

Wir können uns nun auf die Apologeten der Demokratischen Partei gefasst machen, die die US-AmerikanerInnen beschuldigen werden, Obamas progressives Programm nicht unterstützt zu haben. Sie werden behaupten, dass Obama „gezwungen war“, den Republikanern Zugeständnisse zu machen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Mehrheit der Bevölkerung steht und stand in den vergangenen zehn Jahren beständig links von den beiden politischen Parteien. Sie hat gefordert, die Truppen zuerst aus dem Irak und nun auch aus Afghanistan zurückzuholen, immer wieder eine von der Regierung durchgeführte umfassende Gesundheitsreform unterstützt, grundlegenden Wandel in Sachen Umweltschutz gewollt und verlangt, Kontrollmechanismen gegen die Korruption an der Wall Street einzuführen sowie die Konzernvorstände zu kontrollieren. Diese politischen Ansätze verfolgt keine der beiden großen Parteien, und sie werden auch nicht in dieser Richtung aktiv werden.

Wieder und wieder konnten wir denselben Ablauf miterleben: Die Republikaner lassen die Maske fallen und die Demokraten versprechen nur deshalb Wandel, damit man sie wählt. Einmal an der Macht brechen sie ihre Versprechungen und zeigen ihren, den Konzernen konformen inneren Kern. Auch Clinton hat Versprechungen gemacht – und ist dann mit dem Freihandelsabkommen NAFTA, der Welthandelsorganisation WTO, der Abschaffung der Wohlfahrtssysteme, der Militarisierung der US-amerikanisch-mexikanischen Grenze, der Bombardierung Serbiens und unmenschlichen Sanktionen gegen die Menschen im Irak gekommen.

Aufruf zum Handeln

Es ist an der Zeit aufzustehen und klar zu machen: „Genug ist genug!“. Nur mittels des Aufbaus einer kraftvollen Bewegung, die genau diese Forderungen vorbringt, bekommen wir die Art von Politik, der wir brauchen. Das war auch in der Vergangenheit immer schon der Weg, über den Fortschritt erreicht werden konnte. Auf diese Art und Weise haben wir das Big Business gezwungen, Zugeständnisse in Richtung sozialer Sicherheit zu machen, die 40-Stundenwoche einzuführen und den Frauen und AfroamerikanerInnen Bürgerrechte zuzugestehen – nicht, indem wir uns abhängig machten vom Stimmverhalten der Demokraten.

Das ist das einzige, was wir von den Demokraten erwarten dürfen. Ihr, den Konzerninteressen verhafteter Charakter ist für alle offensichtlich. In der Debatte um die Gesundheitsreform lag ihre Priorität auf Seiten der Vorstellungen der Konzerne, was das entsprechende Gesetz „finanziell ausgewogen“ werden ließ. Man lehnte es ab, ein Beitragssystem auch nur zu diskutieren, das allen eine angemessene Gesundheitsversorgung hätte bieten können, indem die verschwenderischen Versicherungsunternehmen ausgeschaltet worden wären. Ein Vergleich mit Obamas Aussage zu Beginn der Diskussion im Jahr 2007: „Es ist so, dass ich ein Befürworter eines Beitragssystems bin, dass die jeweiligen Einkommensverhältnisse berücksichtigt. Ich sehe keinen Grund dafür, warum die USA nicht in der Lage sein sollten, jedem eine angemessene Gesundheitsversicherung zuzugestehen.“

Es herrscht große Wut aufgrund der ökonomischen Bedingungen: Erniedrigung und Schmerz wegen des Kampfes, nur unsere Köpfe über Wasser zu halten, und unsere Körper davor zu bewahren, auf die Straße gesetzt zu werden.

Diese Wut wird dazu führen, dass Veränderung eingefordert wird. Wir müssen diese Wut kanalisieren, um eine neue politische Partei und ein sozialistisches Programm aufzustellen, die beide für die arbeitenden Menschen und nicht für die Konzerne in den USA stehen. Das ist der einzige Weg, über den wir wirklichen Wandel erreichen können.

Homepage von Socialist Alternative: www.socialistalternative.org