Türkei: Entschlossener Kampf der TEKEL-Beschäftigten

Streikende fordern von Gewerkschaftsführung Generalstreik!


 

Die Tekel ArbeiterInnen geben nicht auf und ihr Verlangen nach Generalstreik hat die Gewerkschaftsführung gezwungen zu Handeln. Nach einem Treffen von sechs Gewerkschaftsverbänden wurde beschlossen, für den 3. Februar zu einem Generalstreik aufzurufen, wenn es bei dem vereinbarten Treffen mit Ministerpräsident Erdogan am heutigen 28. Januar kein zufrieden stellendes Ergebnis gibt.

von Nihat Boyraz, Bremen

Seit über 43 Tagen kämpfen die Beschäftigten des türkischen Tabak- und Alkoholsektors gegen die Folgen der Privatisierung. Ihr Kampf hat mittlerweile für die türkischen Arbeiterbewegung eine historischer Bedeutung gewonnen. Mit ihrer Entschlossenheit, nicht nur gegen die konservative Regierung sondern auch gegen ihre eigene Gewerkschaftsfühurng, geben sie ein Beispiel für die Arbeiterklasse weltweit.

Die Regierung will alle vierzig noch in staatlicher Hand befindlichen Lagerstätten für Tabakblätter und Rohtabak bis Ende des Januar schließen und die ArbeiterInnen in andere Betriebe transferieren. Dadurch droht den Beschäftigten die Einstufung in den C/4 Status. Das Bedeutet für 12.000 Beschäftigte massive Lohnkürzungen, den Verlust von tariflichen und sozialen Rechten und ungesicherte und befristete Arbeitsverhältnisse auf Dauer. Die Beschäftigte wurden vor die Alternative dieser schlechten C/4-Bedingungen oder Arbeitslosigkeit gestellt. Aber sie haben einen dritten Weg ausgewählt: Kämpfen bis zur Durchsetzung ihrer Forderungen!

Solch eine Entschlossenheit hat es in der Arbeiterbewegung der Türkei seit zwanzig Jahren nicht mehr gegeben. Am 15. Dezember kamen aus über einhundert Provinzen aus allen Teilen der Türkei Arbeiter nach Ankara und haben sich vor der Parteizentrale der regierenden AKP versammelt. Sie hatten die Erwartung von der Partei, die viele von ihnen seit Jahren wählten, gehört zu werden. Doch es dauerte nicht lange, dass sie feststellen mussten, dass es eine Illusion war, die AKP als eine Partei für Arbeiter und einfache Leute zu betrachten, als die sie sich seit Jahren ausgibt. Die Beschäftigten wurden mit Polizeiknüppeln, Tränengas und Wasserwerfern empfangen. Der Ministerpräsident Erdogan musste sein wahres Gesicht zeigen, indem er ihnen vorwarf, das sie nicht arbeiten, sondern nur faulenzen würden. Das hat die Kampfbereitschaft der Arbeiter eher gestärkt als sie zu schwächen. So haben sie ankündigt, in Ankara zu bleiben und weiter zu kämpfen.

Generalstreik und die Rolle der Gewerkschaften

Die Arbeiter verlangen ganz bewusst und entschlossen nach einem Generalstreik. Die bürokratische Führung der Gewerkschaft TÜRK-IS und der konservative Dachverband der TEK GIDA-IS, die Gewerkschaft, in der die TEKEL Arbeiter organisiert sind, versuchen mit der Regierung zu verhandeln und zu verhindern, dass sich der Streik weiter radikalisiert. Die versöhnlicher Art der Gewerkschaftsbürokratie und der Mangel an konsequenter Unterstützungdurch sie, macht die Arbeiter noch misstrauischer gegenüber ihrer Führung. Die Beschäftigten aber machen bei jeder Gelegenheit deutlich, dass sie keine faulen Kompromisse akzeptieren werden.

Der Höhepunkt der Wut der Streikenden gegen die Gewerkschaftsbürokratie wurde am 17. Januar bei der Großdemonstration von fast 100.000 in Ankara erreicht. Als der Vorsitzende der TÜRK-IS, Mustafa Kumlu, bei seiner Rede weder vom Streik noch von generalstreik sprach, besetzte eine Gruppe von TEKEL-Beschäftigten die Bühne und verlangte von Kumlu eine Aussage für die Forderung nach einem Generalstreik. Gleichzeitig begann die Masse der Demonstranten die Parole „Generalstreik“ zu rufen. Erst nach einer halben Stunden, nachdem der HARB-IS Vorsitzende einen Generalstreik versprochen hat, haben sie die Aktion beendet. Nach enormen Druck von Unten haben sechs Gewerkschaftsverbände – TÜRK-İŞ; HAK-İŞ; DİSK; MEMUR-SEN; KAMU-SEN, KESK – beschlossen sich am 26. Januar zu treffen. Auf diesem Treffen wurde entschieden, einen eintägigen Generalstreik am 3. Februar auszurufen, wenn bei dem geplanten Treffen mit Erdogan keine Ergebnisse erzielt werden.

Solidarität

Die kurdischen und türkischen TEKEL-Beschäftigten, die seit Tagen trotz Kälte, Schnee und Regen auf den Straßen und in den Parkes von Ankara in ihren Zelte durchhalten, haben großen Respekt und Sympathie von allen Teilen der Bevölkerung erhalten. Beschäftigte anderer Bereicher, wie Feuerwehrleute in Istanbul oder Eisenbahnarbeiter, solidarisieren sich sowohl durch Soli-Erklärungen als auch konkret mit Warnstreiks mit ihnen. Auch Schüler, Studenten, Lehrer, soziale Verbände erklären sich solidarisch. Am Anfang haben die Oppositionsparteien, wie die nationalistische Partei MHP und die kemalistische Partei CHP, versucht den Kampf gegen die AKP auszubenutzen. Aber, nachdem sich der Kampf Tag für Tag radikalisierte sind sie wieder verschwunden.

Die Bedeutung des TEKEL-Kampfes

Die TEKEL-Beschäftigten haben zwar den Kampf noch nicht gewonnen, aber sie haben schon jetzt vieles verändert. Die Bourgeoisie in der Türkei hat wieder Angst vor der Arbeiterklasse. Die in den kommenden Monaten zu erwartenden Kämpfe gegen Privatisierungen, Entlassungen, Armut und soziale Misere werden sicher noch sntschlossener und radikaler sein als früher. Es wird nicht mehr nur gegen die Folgen der Privatisierung gekämpft werden, sondern gegen die Privatisierungen, die für die anderen öffentlichen Bereiche in den nächsten Monatne und Jahren geplant sind .

Die Arbeiter haben mit ihrem Kampf das wahre Gesicht der Regierung vor dem ganzem Land bloß gelegt und die AKP wird Unterstützung in der Bevölkerung verlieren.

Die Kollegen haben gezeigt wie man trotz der Blockade der Gewerkschaftsbürokratie kämpfen und diese unter Druck setzen kann.

Die Auseinandersetzungen der letzten vierzig Tage haben auch bei dem Bewusstsein der Arbeiter viel Klarheit geschafft. Die Arbeiter, die seit Jahren von der Seite der Regierung und des Staates mit nationalistischen, anti-kurdischen und anti-sozialistischen Parolen beeinflusst worden waren, haben ganz neue Erfahrungen gemacht, nachdem sie Schulter und Schulter mit ihren kurdischen Kollegen gekämpft und enorme Unterstützung von sozialistischen Kräften bekommen haben.

Das ist auch der beste Beweis dafür, dass Kämpfe die Entwicklung des politischen und Klassenbewusstseins der Arbeiterklasse beschleunigen können.

Dieser Kampf hat auch gezeigt, dass die so genannte „kurdische“ oder „demokratische Entfaltung“ die die Regierung für die Lösung der Kurdenfrage in den letzten Monaten propagiert, nicht von oben sondern von unten, von türkischen und kurdischen Arbeitern und Bauern, kommen muss.