von SAV-Reportern in Ankara
Der unermüdliche Kampf der Tekel-Arbeiter in den Zelten auf der Fußgängerzone in Ankara hat inzwischen den 63. Tag erreicht. Arbeiter aus allen Ecken der Türkei harren in ihren Tekel-Kondus aus und demonstrieren jeden Tag in den Straßen von Ankara. Slogans und Demos sind fast Routine geworden. Die Tekel-Stadt ist mittlerweile Treffpunkt von Künstlern, Schriftstellern, Politikern, Studenten, Schülern und Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft geworden, die sich mit den Arbeitern solidarisieren. Es geht um „Arbeit, Brot und Freiheit“ und Solidarität. Statt Bier und Wurst findet man hier Tee und viel Diskussion über „Klassensolidarität“, „Arbeiterklasse“, Zukunft; Ungerechtigkeit und Armut.
Am 14. Februar fand ein Solidaritätskundgebung statt, zu der die relativ großen linken Organisation und Parteien TKP, ÖDP und Volkshäusern aufgerufen hatten. Die – auch in den Augen der Tekel-Arbeiter – bedeutende Solidarität seitens der Linken kam mit dieser Kundgebung zum Ausdruck, auf der sich ein paar tausend Menschen zusammen gefunden hatten. Nur die Reden der Vertreter dieser Organisationen waren schwach und nahmen im Prinzip keinen Klassenstandpunkt ein, bestanden vielmehr aus Phrasen und fielen damit hinter das Niveau der Gespräche, die in Zelten stattfinden, zurück. Ein Zeichen der Schwäche der türkischen Linke.
Trotzt des unglaublich entschlossenen Kampfes der Arbeiter, stehen diese unter Zeitdruck. Sie müssen sich bis Ende des Monats entscheiden, ob sie C/4 annehmen bzw. ihre Anträge rechtzeitig einreichen. Sonst droht ihnen die Arbeitslosigkeit. Und genau dies nutzt die Gewerkschaftsführung aus und spielt auf Zeit. Ein Arbeiter aus Diyarbakir drückte es so aus: „Wir sind ein Ball zwischen der Regierung und Gewerkschaftsführung, den jeder zu dem andern kickt“. Während die Regierung von ihren Position nicht abweicht und den Arbeitern zum Ende des Monats mit polizeilicher Räumung droht, beschließt Gewerkschaftsführung keine wirksame Aktionen und versucht durch den juristischen Weg und Klagen C/4 zu kippen. Anstatt die Arbeiter zum Kampf zu motivieren, versucht der Tek Gida-Is Vorsitzende, Türkel, die Annahme von C4 „gesellschaftsfähig“ zu machen, indem er bei jeder Gelegenheit betont „ wir haben diese Kollegen nie als Verräter gesehen und wir werden auch die, die in den kommenden Tagen C/4 beantragen wollen, nicht so beschimpfen“.
Mit einer Presseerklärung hat Türkel heute noch ein paar andere wichtige Punkte angekündigt, die zwar von den Arbeiter akzeptiert werden, aber nicht begeistert aufgenommen wurden.
Es wurde ein Aktionsplan angekündigt, nach dem an allen Filialen der Gewerkschaften Transpis aufgehängt werden soll, um Aufmerksamkeit zu erregen. Außerdem sollen lokale Presseerklärungen mit Kundgebungen stattfinden. Der Höhepunkt des „Aktionsplans“ für diese Woche ist die für den 20. Februar geplante Massenmobilisierung von Arbeitern aus andern Städten nach Ankara. Tausende sollen sich bei den Tekel-Kondus sammeln und dort „in Zelten“ übernachten. Und nächste Woche soll ein neuer Aktionsplan entschieden werden. Was Androhungen in Bezug auf Räumungen mit Polizeigewalt angeht, so hat man von Arbeitern Versprechen verlangt und erhalten, keine Gewalt anzuwenden und „sich an die Seite zu stellen und zuzuschauen“, wenn es zur Räumung kommen sollte, um danach wieder neu aufzubauen.
Ein Arbeiter hatte die Bedeutung der Solidarität so zum Ausdruck gebracht: „Ohne die Solidarität von diesen Studenten und linke Organisationen von Anfang an, hätte so ein Kampf nie zustande kommen können“ . Genau das ist der Schwachpunkt für die Gewerkschaftsbürokratie und die Regierung. Die Regierung hat deswegen von Anfang an versucht, das Ganze zu diskreditieren. Das Versuch den Kampf mit PKK Unterwanderung zu diskerdieren hat nicht funktioniert. Heute wurden dann alle Zeichen wie Flugblätter, Bilder, Transparente usw. von linken Organisationen aufgeräumt und überklebt. Ab heute gibt es „nur die Gewerkschaft“. Die heftigste Warnung von Heute trifft die möglichen Versuche zur Bildung „von gewerkschaftsunabhängigen Aktionskomitees“. Wer so was zu initiieren versucht „ist nicht von uns“ – so der Vorsitzende von Tek Gida-Is.
Zu guter Letzt fängt auch noch das Wetter – Verbündeter der Arbeiter seit Wochen – an, die Seite zu wechseln. Es regnet und der Wind schüttelt die aus Plastikzelten gebauten Tekel-Kondus. Die Kämpfenden aber, als ob sie den Wind für sich zu überzeugen versuchen, rufen weiter ihre Parolen „ Es lebe Klassensolidarität“, „Der Kampf ist nicht vorbei, es fängt gerade an“ .