Nach Spaltung der Ratsfraktion gründen Mitglieder und ehemalige Mitglieder der LINKEN neuen Verein
Am 18. Februar eröffnete die aus Mitgliedern und Nichtmitgliedern der Partei DIE LINKE gegründete neue linke Weimar ihr Büro. Zu der Eröffnung war ich als Gastrednerin eingeladen.
von Lucy Redler, Berlin
Die neue linke schreibt über sich selbst auf ihrer Homepage (www.neuelinke.org):
„Wir sind ein lokaler Verein Weimarer Sozialistinnen und Sozialisten. Wir engagieren uns außerparlamentarisch und im Weimarer Stadtrat für eine konkret soziale, libertäre und ökologische Kommunalpolitik. In der Tradition der Weimarer Linkspartei-Basisorganisation “M-17″ und in Zusammenarbeit mit ihr greifen wir darüberhinaus auch Landes-, Bundes- und internationale Themen auf, in regelmässigen Informations- und Diskussionsveranstaltungen.“
Die neue linke steht für folgende Ziele: „Bildung des ARGE-Beirats im Sinne der Arbeitslosen; Schaffung weiterer sozialversicherter Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose; Sicherung der Beratungsstelle beim Arbeitslosenverband; Verteidigung der städtischen Betriebe wie Wohnstätte und Stadtwerke. Maßnahmen zur Integration von armen Familien, Arbeitslosen, Migranten und anderen Ausgegrenzten in das soziale Leben der Stadt. Wir wollen uns weiter für die ökologische Erneuerung der Stadt einsetzen: die Installation thermischer Solaranlagen auf Privathäusern z.B. muss erleichtert, die städtischen Immobilien müssen für Photovoltaikanlagen genutzt werden. Die städtische Politik wollen wir stärker in der Bürgerschaft verankern, durch die Durchführung von Bürgerbefragungen und die Öffnung der Ausschüsse für die Öffentlichkeit.“
Der Hintergrund für die Gründung des Vereins ergibt sich sowohl aus politischen Differenzen mit Teilen der Partei DIE LINKE in Weimar als auch aus personalpolitischen Gründen. Im Oktober 2009 kam es deshalb zur Spaltung der achtköpfigen Stadtratsfraktion der Linkspartei in Weimar in eine vierköpfige Fraktion DIE LINKE und eine ebenfalls vierköpfige Fraktion neue linke. Zum Verein neue linke zählt außerdem das Mitglied des Landtags Thüringen Thomas Hartung, der als Direktkandidat der LINKE für Weimar in den Landtag gewählt wurde, weiterhin der Landtagsfraktion der LINKE angehört und sich dieser auch zugehörig fühlt. Ein Großteil der dreißig Mitglieder der neuen Linken einschließlich Hartung sind weiterhin Mitglied der Partei DIE LINKE. Die neue linke gehört keiner parteiinternen Strömung an, verlinkt ihre Website aber mit der Antikapitalistischen Linken (AKL).
Zur Büroeröffnung und anschließender Feier am 18. Februar erschienen hundert Menschen, darunter sowohl ältere Linksparteimitglieder als auch Jugendliche. Politisch recht heterogen, aber von viel Dynamik geprägt, erinnerte die Aufbruchsstimmung der Veranstaltung an die Anfangszeiten der WASG.
Die politisch-inhaltlichen Unterschiede zwischen neue linke und DIE LINKE erscheinen von außen betrachtet eher gering. Auf neuelinke.org werden einige Differenzen in der Politik im Stadtrat dokumentiert:
„Bei der Solarstrom-Initiative haben sich die Stadträte der Linkspartei teilweise enthalten, teilweise sogar dagegen gestimmt. Die vier Stadträte der Neuen Linken haben dagegen der Solar-Initiative in allen sieben Punkten zugestimmt. Auf der Stadtratssitzung im November haben alle vier Mitglieder der Linksfraktion einer Verdoppelung der Aufwandsentschädigungen für Stadträte zugestimmt, die vier Räte der Neuen Linken hatten geschlossen dagegen votiert.“
Weiterhin scheint die neue linke einen stärkeren Bezug zu außerparlamentarischen Bewegungen zu haben und vertritt meinem Eindruck zufolge eher basisdemokratische Positionen und lehnt die Macht des Apparats in der Partei DIE LINKE ab.
Die weiteren Beweggründe der neuen linken werden in einer Erklärung der neuen linken vom 1. März 2010 wie folgt dargestellt: „Er (gemeint ist Thomas Hartung, L.R.) macht allerdings darauf aufmerksam, dass die derzeitigen Mitglieder der Fraktion DIE LINKE versucht haben, das Fraktionsmitglied Hartung in der Öffentlichkeit zu demontieren, ihn geschäftsordnungswidrig und in seiner Abwesenheit als Fraktionsvorsitzenden abgesetzt haben. Er weist ferner darauf hin, dass sie es den vier Stadträten Ruschek, Hartung, Deason und Vogel im Herbst unmöglich gemacht haben, in der Fraktion zu verbleiben und damit die Verantwortung für die Trennung der Fraktion tragen. Ihr Verhalten und die Heilung der Gründe der Trennung sind die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine Besserung der derzeitigen Situation.“
Auf politische Differenzen mit der Parteiführung um Bodo Ramelow in Thüringen und Teilen der Parteiführung aus Bundesebene weist ein Interview der Jungen Welt vom 14.01.2010 mit Thomas Hartung hin. Zur derzeitigen Auseinandersetzung in der LINKEn bundesweit nach dem Rückzug Oskar Lafontaines bemerkt Hartung:
„Es ist ein politischer Konflikt. Die »angekommenen«, etablierten Funktionäre und Mandatsträger im Osten wollen am liebsten die Partei genauso fest in der Hand haben wie vor der Vereinigung mit der WASG. Aber sie wollen nicht auf den gesellschaftlichen Einfluß verzichten, den sie durch die WASG bundesweit gewonnen haben. Das pluralistische, linke Profil, das sich nach der Vereinigung entwickelt hat, wollen sie am liebsten korrigieren.“ Zur Frage, ob er den Koalitionsvertrag mit der SPD in Brandenburg unterschrieben hätte: „Nein. Die Stellenreduzierung im öffentlichen Dienst ist ein wesentlicher Punkt, warum ich das nicht getan hätte. Allerdings waren die Koalitionsverhandlungen auch durch eine Debatte über die DDR-Vergangenheit überschattet. Die Linke ist sehr weit auf die SPD zugegangen und hat ihr eigenes Programm zurückgestellt.“
Das Verhältnis der neuen Linken zur Partei DIE LINKE wird eine wichtige Frage bleiben, die von Mitgliedern der neuen linke unterschiedlich beantwortet wird und noch nicht ausdiskutiert ist.
Als Gastrednerin hatte ich die Möglichkeit zu dieser Frage Stellung zu beziehen. Meine Haltung wird auf www.neuelinke.org korrekt wieder gegeben: „Als Gastrednerin sprach Lucy Redler aus Berlin (SAV, ehemalige Spitzenkandidatin der Berliner WASG). Ihr Auftritt hatte im Vorfeld zu wütenden Reaktionen von Führungsmitgliedern der Thüringer und Weimarer Linkspartei gesorgt – zu unrecht. In Ihrer Ansprache hob sie in erster Linie darauf ab, dass im Interesse der politischen Linken in Deutschland alle Sozialistinnen und Sozialisten in der Linkspartei mitarbeiten, oder aber mit der Partei Kontakt halten und die Partei nicht den Regierungsbefürwortern und Realos überlassen sollten.“
Gerade für DIE LINKE wäre es ein erheblicher Verlust, die aktiven und kämpferischen Genossinnen und Genossen der neuen Linken nicht mehr in ihren Reihen zu zählen. Statt eine Zusammenarbeit zu verbessern und an der Aufarbeitung der Gründe für die Trennung in Weimar mitzuwirken, erhöht die Parteiführung jedoch den Druck auf Thomas Hartung und die Anzeichen, dass er aus der Landtagsfraktion ausgeschlossen werden soll, verdichten sich.
Laut neuelinke.org fordert Bodo Ramelow die neue linke in einem Brief vom 26.02.2010 auf, dass sich der Verein in einen Bildungsverein umwandeln und erklären solle, dass er niemals zu Wahlen antreten werde. Dazu erklärt die neue linke: „…dass die „neue linke“ nicht im Sinne des Bundeswahlgesetzes zu Wahlen antreten wird. Wir machen ehrlicherweise darauf aufmerksam, dass der Inhalt dieses Gesetzes Kommunalwahlen ausdrücklich ausnimmt. Eine Entscheidung über Kommunalwahlen wird der Verein zu gegebener Zeit treffen, und diese Entscheidung wird auch von Entwicklungen in Kreisverband und Fraktion der Weimarer Linkspartei abhängen. Der Verein will sich, wie schon einmal erklärt, territorial nicht über Weimar hinaus ausdehnen.“
Der Kreisvorstand DIE LINKE. Apolda/Weimar hat sich ebenfalls in einem Brief an die neue linke gewandt und darin unter anderem erklärt, dass er bei „der Landesschiedskommission bezüglich einer Klärung der rechtlichen Stellung der Mitglieder und der Fraktion der „neuen linken“ zur Partei DIE LINKE.“ anfragen werde. Das hört sich jedoch nicht nach politischer Klärung, sondern der Vorbereitung administrativer Maßnahmen an.
Die neue linke wertet die Briefe von Bodo Ramelow und des Kreisverbands Apolda/Weimar wie folgt: „Der Druck, der auf MdL Hartung ausgeübt wird, ist die auf Hartung zielende parallele Vorgehensweise zur Nicht-Anerkennung des Vereins und der Fraktion „neue linke“ durch DIE LINKE. Einige Mitglieder der Landtags- und der Stadtratsfraktion der LINKEN versuchen gezielt, mit Angriffen auf Hartung und seiner Demontage in der Öffentlichkeit das Weimarer Landtagswahlergebnis zu korrigieren. Hartung soll sein Mandat, das er gegen den Widerstand führender Funktionäre der Partei gewonnen hat, zurückgeben. Verein und Fraktion „neue linke“ sollen die Grundlagen für eine selbstbestimmte politische Existenz entzogen werden.“
(…) „Die Bildung einer gemeinsamen Fraktion in der Zukunft hängt davon ab, wie sich beide Fraktionen entwickeln. Die jüngsten Angriffe und Versuche, Mitglieder unserer Fraktion in der Öffentlichkeit durch schlicht unwahre Anwürfe zu demontieren (Vorwurf der illegalen Parteienfinanzierung, Vorwurf „Arbeitnehmerrechte mit Füßen zu treten“, etc.), aber auch das Verlassen der Basis des Kommunalwahlprogramms durch die Fraktion DIE LINKE (z.B bei der Erhöhung der Abgeordnetenbezüge) sind keine Basis für eine Zusammenarbeit.“
Sie erklären sich schließlich für eine Zusammenarbeit bereit: „Wir fordern Landesvorstand, Kreisvorstand, Landtagsfraktion und die Stadtratsfraktion von DIE LINKE auf, die Angriffe auf uns einzustellen und laden Euch hiermit ein zu einer Zusammenarbeit für gemeinsame linke Ziele in einem Klima des gegenseitigen Respekts.“
Es liegt nun an der Parteiführung der LINKEn, auf die Genossinnen und Genossen in Weimar zuzugehen, anstatt Ausschlussdrohungen Wirklichkeit werden zu lassen. Die Genossinnen und Genossen der neuen linken Weimar sollten meines Erachtens ihre inhaltlichen Positionen und ihr Verhältnis zur Partei weiter diskutieren und – so hoffe ich, zu Gunsten antikapitalistischer und sozialistischer Positionen in der Partei klären.
Mehr Infos unter:
http://www.jungewelt.de/2010/01-14/046.php?sstr=Hartung
Thomas Hartung bei den Sozialismustagen:
Thomas Hartung ist am Samstag, 03.04.2010 Gastredner auf den Sozialismustagen zum Thema: „DIE LINKE zwischen Anpassung und Widerstand“. Außer ihm auf dem Podium: Franc Zega (Landessprecher DIE LINKE Bayern), Thies Gleiss (Mitglied des Parteivorstands DIE LINKE) und Lucy Redler (Bundessprecherin der SAV)