Sozialabbau der Regierung wird immer dreister
Knapp 270000 Angestellte bei britischen staatlichen Behörden haben am Montag und Dienstag gestreikt. Betroffen waren unter anderem Job-Center, Museen und Steuerbehörden. Sogar das schottische Parlament blieb am Dienstag geschlossen. »Zum ersten Mal seit Jahrzehnten«, so die Gewerkschaft Public and Commercial Services Union (PCS), »standen vor dem britischen Unterhaus in London Streikposten«. Auch die Sicherheitsleute im Parlament sowie Teile der Polizei, darunter Beschäftigte der »Serious Organised Crime Unit«, beteiligten sich an dem Streik.
von Christian Bunke, Manchester
Die PCS-Mitglieder streikten u. a., um bislang geltende Abfindungsregelungen zu verteidigen. Die Regierung will 500 Millionen Pfund durch Kürzung bei Abfindungen sparen. Bis zu ein Drittel der bislang geltenden Summen sollen gestrichen werden. Weiterhin sollen über 50jährige Einschnitte in ihrer Rente hinnehmen. Bislang hatten über 50jährige Beschäftigte in Behörden ein Anrecht auf eine Erhöhung ihrer Rente, das soll nun abgeschafft werden.
Noch vor den Wahlen will die Regierung außerdem die Renten kürzen. Dazu bedient sie sich eines sogenannten Kommandopapiers. Ein Kommandopapier ermöglicht es, Regierungsvorhaben durchzusetzen ohne vorher das Parlament befragen zu müssen. John McInally, PCS-Vizepräsident, kritisiert: »Die Regierung will die Arbeitsverträge brechen, um Privatisierungen und Stellenabbau durchzudrücken. Unterbezahlte Beschäftigte sollen so für eine Krise zahlen, die durch die Banker verursacht wurde.«
Eine Studie des Institute for Fiscal Studies bestätigt diese These. Danach wollen britische Stadtverwaltungen bis zu 170000 Stellen abbauen. Birmingham, Leeds, Huddersfield und Manchester zählen zu den Städten, die bereits detaillierte Pläne zum Abbau Hunderter Jobs pro Jahr vorgelegt haben.
Auch das Gesundheitssystem ist betroffen. Am Montag veröffentlichte die Manchester Evening News einen Geheimplan, wonach für Nordwestengland bis zu drei Milliarden Pfund Einsparungen in diesem Bereich für die nächsten fünf Jahre geplant sind. Verschiedene Teilbereiche, darunter Krankenhäuser und psychiatrische Einrichtungen, sollen ihr Budget um bis zu 15 Prozent kürzen. Dies ist nur durch Stellenabbau durchführbar.
Kurz vor den Parlamentswahlen im Mai wird immer deutlicher, wie stark auf breiter Ebene nach den Wahlen Sozialabbau betrieben werden soll. Dies merken auch die Wähler. Der Vorsprung der Konservativen ist diese Woche zusammengeschrumpft, Labour und Tories liegen in Umfragen gleichauf. Ein Parlament ohne klare Mehrheitsverhältnisse wird immer wahrscheinlicher.
Die PCS will gegen die Regierungspläne vor Gericht ziehen. Gleichzeitig sind weitere Streiks gegen das »Kommandopapier« geplant. Überall im Land gab es Streikkundgebungen, am Dienstag zog eine Gewerkschaftsdemonstration vor das Parlamentsgebäude. Als erste britische Gewerkschaft hat die PCS damit eine landesweite Antwort auf die Kürzungspläne der britischen bürgerlichen Parteien gegeben.