„Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ = Neuverschuldung 2
Bis Jahresende wird für Deutschland ein Anstieg der Staatsschulden auf 85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwartet. Die EU erlaubt in ihren Maastrichtkriterien nur 60 Prozent. Trotzdem hat die neue Bundesregierung ein „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ auf den Weg gebracht, das weitere Ausgaben vorsieht – um die Vermögenden froh zu stimmen. Gleichzeitig beteuert Schwarz-Gelb, dass keine Mehrwertsteuererhöhung geplant sei. Aber ein Streichkonzert werden sie auf alle Fälle anstimmen. Und sehr wahrscheinlich auch zu einer Anhebung der Mehrwertsteuer greifen.
von Marko Sender, Leipzig
Im Januar wurde bekannt, dass die Düsseldorfer Substantia AG zwischen dem Oktober 2008 und 2009 Spendengelder in Höhe von 1,1 Millionen Euro an die FDP überwiesen hatte. Die Firma gehört zum Imperium des Unternehmers August von Finck junior, der gleichzeitig Hauptaktionär der Restaurant- und Hotelgruppe Mövenpick ist – die von der vor Jahresende verabschiedeten Senkung der Umsatzsteuer profitiert. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Geschenke für die Reichen
Die schwerste Finanz- und Wirtschafts-krise seit Bestehen der Bundesrepublik ist noch lange nicht ausgestanden. Daher gaben die Regierungsparteien ihrem ersten großen Vorhaben den Namen „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“. Dieses Gesetz wurde am 9. November 2009 durch das Kabinett beschlossen. Der Bundesrat stimmte am 4. Dezember zu. Viel Wachstum ist dadurch nicht zu erwarten. Vielmehr vergeben Union und FDP Geschenke an ihre Spender. Konkret sollen Unternehmen und Bürger (vor allem die betuchteren) jedes Jahr um über acht Milliarden Euro entlastet werden.
Dieses Gesetz dient unter anderem dazu, die Abschreibungsregeln für Unternehmer zu lockern. So können Wirtschaftsgüter bis zu einem Betrag von 410 Euro sofort abgeschrieben werden. Bisher war dies nur für Güter bis zu 150 Euro möglich. Zudem beträgt die Mehr-wertsteuer seit Januar beispielsweise für Hotelübernachtungen statt 19 nur noch sieben Prozent. Was Mövenpick und Co. glücklich machen soll. Des weiteren senkt das Gesetz die Zinsschranke für Konzerne, erwirtschaftete Gewinne in eine Tochtergesellschaft ins Ausland auszulagern, um Steuern zu sparen. Diese Freigrenze wird nun dauerhaft von einer auf drei Millionen Euro erhöht. CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble zu dem ganzen Gesetz mit dem sperrigen Titel: „Ja, es ist unübersichtlich.“ Damit die Mehrheit der Steuerzahler in diesem Gesetzesdschungel die Vorteile der oberen Zehntausend weniger durchschaut.
Massenverbrauchssteuern
Schon in den letzten Jahren wurden Unternehmens- und Spitzensteuern erheblich gesenkt. Parallel dazu wurden die Massenverbrauchssteuern raufgesetzt. So stieg die Mehrwertsteuer 2005 von 16 auf 19 Prozent. Es ist zu befürchten, dass die Regierung unter Angela Merkel – spätestens nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen – diesen Weg in großen Schritten weiter beschreiten wird.
Bisher wird das noch abgestritten. Allerdings sieht der Koalitionsvertrag bereits eine Überprüfung der ermäßigten Mehrwertsteuersätze vor. Außerdem wurde während der Koalitionsverhandlungen laut darüber nachgedacht, die Mehrwertsteuerbefreiung der kommunalen Abwasser- und Abfallwirtschaft aufzuheben. Darüber hinaus kündigte Schäuble schon ein „Sparpaket“ an, das auch Mehrwertsteuererhöhungen enthalten könnte.
Massenverbrauchssteuern sind die unsozialsten Steuern. Je niedriger die Einkommen, desto höher schließlich der Anteil der Einkommen, der für Konsum draufgeht – und bei dem Mehrwertsteuern anfallen. Anders gesagt: Für eine Mahlzeit oder eine Hose muss jeder den gleichen Steuersatz zahlen – egal ob er Hartz-IV-Empfänger ist oder August von Finck junior heißt.
Forderungen der SAV:
– Weg mit der Mehrwertsteuer
– Einführung eines einfachen Steuersystems von direkten Steuern auf Einkommen, Gewinne, Erbschaften und Vermögen bei starker Progression (steigendem Prozentsatz). Wer viel verdient und besitzt, soll viel zahlen!
– Bei Steuer- und Kapitalflucht: Konfiszierung des Vermögens beziehungsweise Enteignung des Betriebs und Überführung in öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung
– Vollständige Offenlegung aller Finanztransaktionen und Betriebsinterna gegenüber der Belegschaft