Sonderparteitag der NRW-LINKE

Erleichterung spürbar, Klarheit weniger


 

SPD und Grüne verlangten von der NRW-Linken bei den sogenannten „Sondierungsgesprächen“ nicht nur, die üblichen Kröten zu schlucken, sondern auch noch begeistert „Quak“ zu rufen und durch den Saal zu hüpfen. Die Gespräche waren eine Farce, SPD und Grüne wollten lediglich DIE LINKE vorführen und mit Hilfe der Medien als „politikunfähig“darstellen.

von Claus Ludwig, Sozialistischer Stadtrat, Die LINKE.Köln

Anschaulich schilderten RednerInnen auf dem Sonderparteitag der Partei DIE LINKE am 23. Mai in Bottrop, wie die Unterhändler von SPD und Grünen stundenlang über die DDR und den Verfassungsschutz redeten. Nordrhein-Westfalen spielte nur am Rand eine Rolle: Die linke Verhandlungskommission sollte nebenbei abnicken, Teile der WestLB zu privatisieren, Stellen im öffentlichen Dienst abzubauen und den rosa-grünen Vorzeige-Demokraten hoch und heilig schwören, ihren Mitgliedern Proteste gegen eine Regierung zu verbieten.

„Der Traum ist aus“ schrieben Vertreter des rechten, regierungswilligen Parteiflügels der NRW-Linken im Internet und zogen so den Traum der „Ton, Steine, Scherben“ von einer herrschafts- und ausbeutungsfreien Gesellschaft auf das Niveau eines eingebildeten „Politikwechsels“ mit SPD und Grünen herab. Tatsächlich blieb der NRW-Linken der Alptraum von Koalitionsverhandlungen erspart.

Auf dem Bottroper Sonderparteitag am 23. Juni verhielten sich die Parteirechten überwiegend still. Es war nicht ihr Tag. Nur Wolfgang Freye aus Essen wagte sich ein Stückchen vor und merkte an, es wäre noch nicht alles vorbei, man könne vielleicht doch noch mal verhandeln. Viel Applaus bekam er nicht. Die große Mehrheit der RednerInnen zeigte sich erleichtert über das schnelle Ende der Gespräche oder drückte Empörung über den „Wahlbetrug“ von Kraft und Löhrmann aus.

Taktik der AKL

Beim Sonderparteitag dominierte das „linke Zentrum“ der Partei um die AKL (Antikapitalistische Linke) und den Landesvorsitzenden Wolfgang Zimmermann. Die Stimmung war gelöst, die Kontroversen scheinbar nebensächlich. Die AKL hatte die klare Positionierung gegen jede Koalition mit SPD und Grünen, welche die SAV auf den Regionalkonferenzen in der Woche zuvor vertreten hatte, abgelehnt. Nach Auffassung der meisten AKLer würde die offizielle Position der Partei – keine Beteiligung an einer Regierung, die Sozial- und Personalabbau oder Privatisierung betreibt – ohnehin dazu führen, dass SPD und Grüne keine Regierung mit der LINKEN bilden würden. Die Partei müsse sich aber im Vorfeld gesprächsbereit geben, um nicht als Buhmann für das Scheitern der Rüttgers-Ablösung hingestellt werden zu können.

Hätten SPD und Grüne echte Verhandlungen geführt, wäre die AKL mit dieser Taktik Baden gegangen. Wenn DIE LINKE erst einmal mit „Mindestbedingungen“ in Gespräche gegangen wäre und damit akzeptiert hätte, dass es prinzipiell möglich ist, mit SPD und Grünen einen „Politikwechsel“ einzuleiten, dann wäre es schwieriger zu erklären, warum es an diesem oder jenem Programmpunkt scheitert, eine Regierung zu bilden. Das hätte dazu geführt, dass die Partei ein Position nach der anderen preisgibt und am Ende entweder dabei gelandet wäre, minimale Änderungen zu akzeptieren, oder – wahrscheinlicher – den „Schwarzen Peter“ für das Nichtzustandekommen der Koalition in die Hand bekommen hätte. Es ist der Überheblichkeit und Dreistigkeit von SPD und Grünen zu verdanken, dass DIE LINKE.NRW relativ unbeschadet aus den Gesprächen hervor gegangen ist.

Schwache Resolution

Während die Redebeiträge kämpferisch klangen, beschloss der Parteitag eine sehr schwache Resolution. Als hätte es die vergangenen zwei Wochen und die Provokationen von SPD und Grünen nicht gegeben, ist die Resolution mit „Den Politikwechsel in NRW jetzt durchsetzen!“ überschrieben.

Mit wem soll der wohl durchgesetzt werden? SPD und Grüne hatten zum x-ten Male deutlich gemacht, dass sie nicht das Geringste ändern wollen. Doch wieder beschwört die Resolution das Unmögliche: „Wir fordern von der SPD, den Willen der Wählerinnen und Wähler für einen sozial-ökologischen Politikwechsel zu respektieren und entsprechen zu handeln.“ Man wolle sich nicht anbiedern, heißt es, aber was sonst als Anbiederung drückt die Formulierung aus „Für die Einleitung eines grundlegenden Politikwechsels im Interesse der Mehrheit der Menschen in unserem Land sind wir auch nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche zwischen SPD, Grünen und der LINKEN zu Gesprächen bereit.“ !?

Insgesamt war die Resolution so schwach, dass bei der Schlussabstimmung eine ganze Reihe Delegierte, darunter Mitglieder des Landesvorstandes und der Landtagsfraktion, nicht für diese stimmten. Sie stimmten allerdings auch nicht dagegen, fürchteten wohl, die Atmosphäre von Einigkeit zu stören.

SAV-Mitglieder hatten Änderungsanträge eingereicht, um wenigsten den größten Unsinn aus der Resolution zu streichen und eine klare Orientierung auf die anstehenden Aufgaben der Partei zu geben. Die Überschrift des Antrages sollte lauten „Jetzt den Widerstand gegen Sozialabbau und Krise stärken“. Der Änderungsantrag skizzierte die Verbindung der Arbeit im NRW-Landtag – Abwahl von Rüttgers, Ja-Stimme für jeden Fortschritt, Einbringen eigener Anträge – mit der außerparlamentarischen Mobilisierung z.B. zur Abschaffung der Studiengebühren. In der allgemeinen Einheitsstimmung konnten kontroverse Anträge jedoch nicht punkten, ca. 30 Delegierte stimmen für die Änderungen, rund 100 dagegen.

Das Interesse an den Positionen der SAV außerhalb der Antragsberatung war allerdings sehr groß. 45 Exemplare der „Solidarität“ wurden verkauft, dazu Bücher und Broschüren im Wert von 80 Euro. Mehrere LINKE-Mitglieder hinterließen ihre Adressen, um weiter mit der SAV in Kontakt zu bleiben.

Wie links ist die NRW-Linke?

Die Stimmung in der Partei in NRW ist gegen eine Aufgabe eigener Positionen gerichtet, gegen eine Regierungsbeteiligung Marke Berlin oder Brandenburg. Die Partei formuliert den Anspruch, vor allem eine bewegungsorientierte, außerparlamentarische Kraft zu sein. Doch Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander. Die Gespräche mit SPD und Grünen haben für viel Aufregung gesorgt, mehr und mehr näherten sich die öffentlichen Äußerungen der Abgeordneten, der Vorstandsmitglieder und sogar der Basismitglieder auf den Regionalkonferenzen der formelhaften Sprache der Politiker und Journalisten an. Der vorherige Wahlkampf war weitgehend ein Propaganda-Wahlkampf mit Verteilung von bunten Zetteln, mit nur wenig Ansätzen, das mit konkreten Aktionen zu verbinden.

Das Verhalten vieler Ratsfraktionen sollte die Alarmglocken zum Klingeln bringen. In der Hochburg Duisburg hat Fraktion dem Haushalt zugestimmt, mit der Begründung, dieses Jahr gäbe es somit weniger Kürzungen und die Gebührenerhöhungen wären sozialverträglich. In Siegen hat DIE LINKE in einem Allparteienhaushalt zugestimmt, der Kürzungen auf die kommenden Jahre verschiebt.

Zwischen „Politikwechsel“ und „Politikwechsel“ scheint es Unterschiede zu geben. Teile der Partei scheinen diesen schon erspähen zu können, wenn die Kürzungen nicht so drastisch sind wie zuvor. Sie verstehen unter „Kein Sozialabbau, keine Personalabbau und keine Privatisierungen“ nur, dass es keinen zusätzlichen Maßnahmen in diese Richtung geben darf. Die in die kommunalen Haushalte eingestellten Kürzungen der vorherigen Jahre scheinen Teile der Partei hingegen bedenkenlos durchwinken zu wollen.

Ein echter „Politikwechsel“ müsste dagegen Maßnahmen beinhalten, welche zu deutlich spürbaren Fortschritten für die arbeitenden und erwerbslosen Menschen führen. Er müsste eine massive Umverteilung zu Lasten der Konzerne und der Reichen beinhalten und daher auf der Bereitschaft beruhen, sich mit den Mächtigen anzulegen. Grundlage dafür sind massenhafte soziale Kämpfe.

Die zentrale Aufgabe der LINKEN ist es, diese Kämpfe zu unterstützen, anzustoßen und programmatisch zu stärken. Die kapitalistische Krise wird mittelfristig zum Wachstum der Partei führen – wenn sie eine klare Oppositionskraft wird und nicht den Weg von Berlin und Brandenburg geht und sich an der Abwälzung der Krisenlasten auf die Bevölkerung beteiligt.

Die Absage an die Fantasien vom „Politikwechsel“ mit rot-grün wäre auch wichtig, um die Partei in NRW auf mögliche Neuwahlen vorzubereiten, über deren Wahrscheinlichkeit man heute nur spekulieren kann. Nachdem sich gezeigt hat, dass es keine rot-rot-grüne Koalition geben wird, ist die Option als „Ergänzungspartei“, als Teil des ohnehin nicht existenten „linken Lagers“ erledigt. Ein scheinbar pragmatischer Wahlkampf auf der Grundlage „Bitte redet noch mal mit uns“ würde das Risiko erhöhen, dass die WählerInnen auch ganz „pragmatisch“ entscheiden und durch die Nicht-Wahl der Partei DIE LINKE sicher stellen, dass SPD und Grüne die Mehrheit im Landtag bekommen. Bei einer Neuwahl könnte DIE LINKE die Position im Landtag nur halten oder ausbauen, wenn sie eindeutig als die Partei des sozialen Widerstands gegen die unerklärte große Koalition der Hartz-IV- und Kriegsparteien auftritt.

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