Spaniens und Portugals Regierungen bereiten die größten sozialen Angriffe seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges vor. Doch Beschäftigte, Jugendliche und RenterInnen setzen sich zur Wehr
In Spanien haben die Gewerkschaftsdachverbände UGT und die CC.OO für den 2. Juni einen Generalstreik für den öffentlichen Dienst angekündigt, die Einzelgewerkschaften prüfen derzeit die Arbeitsniederlegung in allen Wirtschaftssektoren mit dem Ziel am 2. Juni einen kompletten Generalstreik im privaten und öffentlichen Sektor zu ermöglichen.
von Anne Engelhardt, Berlin
In Portugal ruft die CGTP für den 29. Mai zu einer landesweiten Demonstration gegen Kürzungen auf. Die Gewerkschaftsbasis erzeugt dabei ordentlich Druck und fordert ebenfalls zu einem Generalstreik aufzurufen.
Und so rücken die etablierten Parteien der iberischen Halbinsel nahe aneinander, ob in Spanien oder Portugal. Zwischen die Sozialdemokraten und die Konservativen Parteien passt schier kein Blatt mehr: Sie entscheiden über Kürzungsprogramme und Angriffstaktik bereits gemeinsam hinter geschlossenen Kabinettstüren.
In Spanien sieht der Horrorkatalog der sozialen Angriffe vor die Löhne im öffentlichen Dienst um 5 Prozent zu kürzen und nur noch jede 10te freie Stelle zu besetzen. Die Renten werden bis aufs weitere eingefroren und die Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent angehoben. Besonders hart treffen die Einschnitte Frauen und Familien: Das mickrige Elterngeld zur Geburt eines Kindes von 2500 Euro soll wieder abgeschafft werden. Zuschüsse für pflegebedürftige Menschen sowie Medikamente werden gekürzt. Mit Hilfe dieser Einschnitte will Premierminister Zapatero den Eindruck von Stabilität bewahren und Investoren halten. Dafür muss die Arbeiterklasse kräftig bluten.
Auf Mallorca hat es bereits am 20. Mai eine Protestaktion vor dem Gebäude der Vertretung der Zentralregierung gegeben. Die dortige Innenministerin hatte die Angestellten aufgefordert, nicht zu streiken und sich mit den Arbeitslosen solidarisch zu zeigen, die im Gegensatz zu ihnen ja keinen sicheren Job haben.
In Portugal wurde schon Ende März diesen Jahres ein bitterer Kürzungskurs vorgelegt, der bereits für einen Streik im öffentlichen Dienst gesorgt hatte. Nur einen Monat später wurde das Land von den Rating-Agenturen um zwei Stufen abgewertet. Und so hat die Regierung ein zweites, noch größeres Kürzungspaket aufgelegt.
Neben der Mehrwertsteuer (von 20 auf 21 Prozent) soll auch die Einkommensteuer angehoben werden. Die Preise steigen bei sinkendem Einkommen. Die Löhne wurden eingefroren und mit der Privatisierung von 17 staatlichen Unternehmen, wie dem öffentlichen Transport, der Post und vielen Bildungsbereichen drohen den Beschäftigten weitere Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen.
Dass Streiken und konsequenter Widerstand sich lohnt haben trotz des Vorgehens der Rating Agenturen, trotz Kürzungsplänen und Privatisierung die Beschäftigten Stadtreinigung Lissabons erfahren.
Sie organisierten einen zweitägigen Streik bei dem der Müll auf den Straßen liegen blieb, denn 90 Prozent der KanalisationsreinigerInnen, Müllmänner- und frauen, TierfängerInnen und sogar die Friedhofsgärtnerei vereinigte sich im Kampf für die Erhöhung der Sicherheitszulage, die seit 2003 nicht mehr an die steigende Inflation und die Löhne angepasst wurde.
„Wir beseitigen Müll, aber das heißt nicht, dass man uns wie Müll behandeln kann!“ äußerte sich ein Kollegin, die unter anderem auch mit zwei weiteren Kollegen in Socialismo Revolutionário, der Schwesterorganisation der SAV aktiv ist und den Streik angeführt hat.
Resultat des Arbeitskampfes war, dass die ausstehenden Erhöhungen der Sicherheitszulagen von 5 Jahren nach gezahlt wurden und es sogar trotz Einfrieren der Löhne eine Erhöhung der Zulage für 2010 geben soll.
Neben den 3000 Beschäftigten in Lissabon, die diesen Sieg errungen haben, sind auch die Pflegekräfte weiterhin aktiv im Kampf für eine Lohnerhöhung von 50 Prozent und die LehrerInnen gegen die Beschneidung ihrer Rechte im Schulbetrieb.
Bei einem nationalen Delegiertentreffen der Gewerkschaften der CGTP nahmen 500 GewerkschafterInnen teil. Die Gewerkschaftsführung war angesichts der neuen Angriffe der Regierung und dem steigenden Druck aus der Gewerkschaftsbasis gezwungen dieses Treffen einzuberufen. Die Mehrheit der Mitglieder sprach die dafür aus, den 29. Mai als erste Stufe der Mobilisierung für einen Generalstreik zu nutzen.
Die Gewerkschaftsführung versuchte trotz kämpferischer Worte eher eine abwartende Haltung einzunehmen und vor dem 29. Mai noch nicht zu weiteren Schritten aufzurufen.
Doch angesichts der flächendeckenden Angriffe könnten gerade gemeinsame Aktionen mit Spanien, aber auch Griechenland und weiteren europäischen Ländern der Auftakt für eine flächendeckende Vernetzung im Widerstand der europäischen ArbeiterInnenklasse werden.