Interview mit Viktor Egio (Mitglied der Gruppe La Chispa und im CWI in Spanien)
Spanien gehört zu den am härtesten von der Krise betroffenen Ländern. Wie ist die Situation?
Die Arbeitslosigkeit ist doppelt so hoch, wie in den anderen europäischen Ländern. Man merkt es sofort, wenn man nach Spanien kommt. Die Arbeitslosen stehen bis zu einen Kilometer vor dem Arbeitsamt und ab 10 Uhr sind die Straßen voll. Das ging bei uns sehr schnell. Noch vor zwei Jahren war die Arbeitslosigkeit bei 8 Prozent. Unter Jugendlichen bis 25 Jahren sind es heute mehr als 40 Prozent. Ein Grund für den schnellen Anstieg war das hohe Ausmaß an befristeter Beschäftigung. Die Unternehmer haben sehr schnell eine Million Beschäftigte fast ohne Arbeitslosengeld auf die Straße geschmissen.
Welche Auswirkungen hat die Schuldenkrise auf Spanien?
Die Frage der Schulden ist natürlich eine relative. Vieles hängt jetzt an den Rating-Agenturen. Morgens muss man Economist oder New York Times lesen, um zu wissen, was im eigenen Land los ist. Das finde ich seltsam. Die Unternehmer und ihre Regierung benutzen den Druck der Rating-Agenturen vor allem um ihre Politik durchzusetzen.
Die spanische Regierung will kürzen. Was hat sie vor?
Das Paket, dass die Regierung vorschlägt, betrifft vor allem Arbeitslose. Selbst die Leute, die jetzt noch arbeiten, werden zukünftig weniger Arbeitslosengeld erhalten, wenn sie rausgeschmissen werden. Im Moment ist es wegen dem Tourismus noch etwas besser, aber im September und Oktober wird die Arbeitslosigkeit weiter steigen: Das wird heiß.
Bisher haben die ArbeiterInnen für jedes Jahr Beschäftigung 45 Tage lang Arbeitslosengeld bekommen. Wenn man zwei Jahre gearbeitet hat, bekam man 90 Tage lang Arbeitslosengeld. Die Bezugsdauer soll jetzt auf 33 Tage pro Beschäftigungsjahr gesenkt werden.
Außerdem soll eine Art Elterngeld sowie öffentliche Investitionen gekürzt werden. Dazu gibt es Lohnsenkungen um bis zu 15 Prozent im Öffentlichen Dienst. Das wird die Wirtschaft wirklich beschädigen und die Arbeitslosigkeit nicht senken.
Was für Proteste gab es bisher dagegen?
Seit Februar tritt die Vereinigte Linke für einen Generalstreik ein. Die Gewerkschaften haben sehr spät reagiert. Erst als die Staatsangestellten durch die Lohnsenkung betroffen waren, haben sie mobilisiert und den nächsten Generalstreik am 29. September ausgerufen.
Die Regierung hatte die Kürzungen auch extra im Juli ausgerufen. Da ist es wegen der Urlaubsphase sehr schwierig zu reagieren. Im September gibt es die besten Möglichkeiten eine große Bewegung zu schaffen. Dann können wir wirklich einen heißen Herbst schaffen.
Bisher waren vor allem die ArbeiterInnen in Andalusien und im Baskenland mit einem Generalstreik beteiligt. In Katalonien gab es auch sehr große Mobilisierungen. Vor allem weil die Regierung versucht hatte, das Renteneintrittsalter auf 67 anzuheben. Das haben sie aber nicht geschafft, weil die Gewerkschaften mobilisiert haben.
Das war wie eine Generalprobe für die Kämpfe. Die Gewerkschaftsführungen mussten von einem Generalstreik reden und dass obwohl sie noch im Mai gesagt haben, ein Generalstreik würde nur die konservative Opposition stärken.
Was denkst du, wie man das Sparpaket stoppen kann?
Ein Generalstreik wird dafür nicht reichen. Wir brauchen eine ausdauernde Bewegung, einen heißen Herbst und einen heißen Winter. Man wird noch etwas Zeit brauchen. Auch um das Vertrauen der jungen ArbeiterInnen zu gewinnen und Strukturen aufzubauen.
Welche Rolle spielt denn die Vereinigte Linke im Moment?
Sie hat vor zwei Jahren eine große Niederlage bei Wahlen hinnehmen müssen. Die Leitung der Partei wurde deshalb auch abgewählt. Sie haben im Moment nur einen Abgeordneten im Parlament, das ist für so eine Partei, mit der Verankerung sehr wenig.
Die alte Parteiführung wurde als sozialdemokratisch gesehen, sie haben die Politik der PSOE mitgemacht. In der Öffentlichkeit haben sie sich wie eine Regierungspartei dargestellt. Das war keine gute Taktik und sie haben vieles dadurch verloren. Die Kommunistische Partei ist jetzt wieder stärker.
Die Vereinigte Linke hat sich deshalb für einen neuen Mann namens Cayolara entschieden. Er ist etwas diplomatischer. Er hat versucht die Sozialdemokraten in der Partei nicht sofort rauszuschmeißen, aber dafür gesorgt, dass sie an Einfluss verlieren. Das hat man auch wirklich gemerkt. Seit Februar ist die Vereinigte Linke für den Generalstreik eingetreten. Sie können ihn nicht selbst organisieren. Das müssen die Gewerkschaften in die Hand nehmen. Sie haben aber Druck dafür machen können. Die Vereinigte Linke erfährt gerade eine Wiederbelebung und Erneuerung. Zum Beispiel wird ein neues Programm diskutiert.
Sie kommen damit im richtigen Moment und haben auch viel Glück. Die Krise war in den letzten zwei Jahren sehr groß. Es kann sogar zu einer Zunahme von Gewalt kommen und deshalb braucht man eine starke Partei.