„Mit aller Kraft gegen die GmbH-Gründung wehren!“

In Dresden droht zum wiederholten Male die Umwandlung der Krankenhäuser in eine gGmbH. Interview mit Dorit Wallenburger, Vorsitzende der ver.di-Betriebsgruppe im Krankenhaus Dresden-Neustadt.


 

Ende August ging in Dresden die Meldung durch die Presse, dass die Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) die Rechtsform der Dresdner Krankenhäuser ändern will. Die Häuser sollen allerdings, laut der Zusicherung des Ordnungsbürgermeisters Sittel (CDU) städtisch bleiben. Klingt doch alles gar nicht so schlimm.

Das ist die Zauberformel, mit der alle beruhigt werden sollen. Den Regierenden schwebt eine GmbH oder gGmbH vor, die zumindest vorerst vollständig in kommunaler Trägerschaft bleiben soll. Trotzdem bedeutet eine GmbH-Gründung drei grundlegende Verschlechterungen für die Beschäftigten und die Bevölkerung:

1) Die Stadt wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband austreten, was den Abschied vom Tarifvertrag bedeutet.

2) Über die Belange der Krankenhäuser wird nicht mehr im Stadtrat (also mit größerer öffentlicher Kontrolle) entschieden, sondern in Aufsichtsräten.

3) In zahlreichen anderen Fällen zeigt sich, dass die GmbH-Gründung der erste Schritt zur weiteren Privatisierung – sprich Verkauf – ist.

Aber es heißt doch, dass keine Kollegin/kein Kollege mit weniger Geld nach Hause gehen soll.

Damit ist gemeint, dass die jetzigen Gehälter der jetzt unbefristet Beschäftigten „eingefroren“ werden sollen. Von zukünftigen Tarifsteigerungen sind wir dann abgekoppelt. Neu Eingestellte oder Beschäftigte, bei denen der Vertrag geändert werden muss (z.B. bei Stundenzahlveränderungen, Umsetzungen, Arbeitsvertragsverlängerungen etc.) können sich auf diesen Bestandsschutz nicht berufen.

Im Uniklinikum Dresden führte das in den Jahren nach der Überführung in eine Anstalt Öffentlichen Rechts dazu, dass die Gehälter z.B. von Krankenschwestern bis zu 500,-€ verschieden sein konnten, bei der gleichen Arbeit. Jetzt gibt es dort seit 2007 nach langen Kämpfen einen Haustarifvertrag, der aber deutlich unter dem TVöD liegt.

Ist Deiner Meinung nach mit Stellenabbau zu rechnen?

Das ist schwer zu sagen. Dass unsere Krankenhäuser bei der schwierigen Finanzierungssituation so lange schwarze Zahlen geschrieben haben, liegt auch daran, dass in den vergangenen Jahren schon massiv Stellen reduziert worden sind und mit weniger Schwestern immer mehr PatientInnen in immer kürzeren Verweildauern behandelt wurden. Ich kann mir kaum vorstellen, dass am Personal noch zu sparen ist. Personalabbau ist aber eben genau wie der Ausstieg aus dem Tarifvertrag, Arbeitsverdichtung und Ausgliederungen verschiedener Arbeitsbereiche ein gängiges Mittel der Krankenhausbetreiber, um Kosten zu reduzieren. Auf jeden Fall wird es nicht mehr Stellen geben.

In solchen Kämpfen ist es immer unabdingbar, dass die Belegschaft sich wehrt. Oft ist das gar nicht so einfach.

Das ist wahr. Uns wird als aktiven Gewerkschaftern immer vorgeworfen, wir würden unberechtigte Ängste in der Belegschaft schüren. Dabei ist es genau anders herum. In der heutigen gesellschaftlichen Situation hat jede/r Beschäftigte eine Riesenangst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Wer ein kritisches Wort sagt oder eine Überlastungsanzeige schreibt, wird vorgeladen und zur Rede gestellt. Oder die Kritik wird einfach ignoriert. Ändern tut sich in beiden Fällen nichts. So besteht bei vielen eine Mischung aus Angst und Resignation. Damit ist es schwer, Kampagnen zu organisieren und Angriffe abzuwenden.

Ihr habt ja die Rechtsformänderung schon einmal abwenden können. Wann war das? Wie habt Ihr das geschafft?

Der letzte große Vorstoß zur Rechtsformänderung war 2007. Damals gab es mehrere parallele Aktionen, die in der Summe die Eigenbetriebe erhalten konnten: es gab ein Bürgerbegehren, das drei Stadträte von Die Linke initiiert haben und das von ver.di und den Personalräten unterstützt wurde. Es gab eine gemeinsame Personalversammlung beider Krankenhäuser, zu der auch die Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl geladen waren, und es gab eine Aktionen der ver.di-Betriebsgruppe: Wir haben eine Beschäftigtenbefragung durchgeführt, wir haben Informationsmaterial zusammengestellt und verteilt und eine Kundgebung vor dem Rathaus organisiert. Das alles hat dazu geführt, dass der Stadtrat beschloss, die Eigenbetriebe vorerst in dieser Form weiterzuführen.

Was müssen Deiner Meinung nach die nächsten Schritte sein?

Eine ähnliche konzertierte Aktion muss wieder durchgeführt werden. Im Moment sieht alles danach aus, als ob der Rechtsformwechsel sehr zügig vollzogen werden soll. Viele Personalräte und auch Gewerkschafter sind schon dabei, nach den „geringsten Übeln“ für die Beschäftigten im Falle des Betriebsübergangs zu schauen.

Meiner Meinung nach müsste sich sofort eine Art Bündnis gründen, das sich mit aller Kraft gegen die GmbH-Gründung wehrt. Dazu gehört Pressearbeit, Öffentlichkeitsarbeit, Information und vor allem Organisation der Beschäftigten, Organisation von Aktionen usw. Das könnte mit Stationsrundgängen durch die ver.di-Betriebsgruppe beginnen, sich fortsetzen mit der aktiven Beteiligung am 29.9., mit aktiven Mittagspausen und müsste im Ernstfall bis zu Arbeitsniederlegungen führen – wirksame Druckmittel haben wir also in jedem Fall zur Verfügung.

In all den Jahren des Kampfes gegen die Rechtsformänderung, was waren da Hürden und konntet Ihr die aus dem Weg räumen?

Die Haupthürde ist meiner Meinung nach das mangelnde Selbstbewusstsein der Beschäftigten und die Kompromissbereitschaft der Gewerkschaftsführung

Wenn es eine breite Überzeugung gäbe, dass Gesundheitsversorgung eine öffentliche Aufgabe ist, die nicht Marktgesetzen unterworfen werden darf, wäre das alles kein Problem. Dann könnte man gut argumentieren, dass eine gute Behandlung nicht vom Geld abhängen darf, dass motiviertes, ausgeschlafenes, qualifiziertes Pflegepersonal nicht für Dumpinglöhne und unter Konkurrenzdruck zu haben ist; dass jeder Mensch unabhängig von seinem Geldbeutel und seiner Krankenversicherung ein Recht auf die bestmögliche Behandlung hat. Dann gäbe es keinen Grund mehr für eine GmbH-Gründung.

Aber solange sich alle dem Argument beugen, dass kein Geld da sei, und die Augen davor verschließen, dass es an anderen Stellen in Milliardenhöhe verschleudert wird, werden wir nicht erfolgreich kämpfen können.

Und solange die Gewerkschaft ihr Hauptziel in der Erhaltung des Betriebsfriedens und der Harmonie zwischen allen Beteiligten sieht anstatt klar Position zu beziehen, werden wir auch niemanden haben, der die Beschäftigten organisieren kann.

In jedem Kampf ist Solidarität wichtig. Wie kann die in Eurem Fall aussehen?

Wir könnten Berichte aus Krankenhäusern gebrauchen, bei denen Gegenwehraktionen erfolgreich waren. Solidaritätserklärungen helfen sehr. Wir wollen demnächst eine Postkartenaktion starten, die kann viel Unterstützung gebrauchen. Und natürlich wäre es toll, wenn zu Aktionen möglichst viele Menschen kommen. Wer Interesse hat, uns zu unterstützen, kann sich an bg-khdn@web.de wenden.

Das Interview führte Steve Kühne