…wird überraschend festgestellt, das der Winter da ist und, welch Zufall, Schnee fällt.
Flüge fallen aus, Züge kommen nur überfüllt und verspätet an, wenn überhaupt. Tausende Reisende sitzen europaweit auf Flughäfen fest und die Deutsche Bahn warnt sogar vor Bahnreisen. Den ersten Tankstellen ging sogar schon der Sprit aus. Doch warum stürzt der erste Schnee halb Europa ins Chaos?
von Krischan Friesecke, Berlin
Ein gutes Beispiel, warum es zum Winterchaos kommt, liefert die Berliner S-Bahn. Wurde sie vor gut zehn Jahren noch als Musterbeispiel für großstädtischen Nahverkehr gelobt, so ist die Berliner S-Bahn heute fast schon ein Sanierungsfall. Um den Börsengang des Mutterunternehmens Deutsche Bahn voranzutreiben, wurden der Druck nach Gewinnen von Jahr zu Jahr erhöht. Für das Jahr 2010 plante die Deutsche Bahn aus der Berliner S-Bahn 100 Millionen Euro Gewinn abzuschöpfen, was allerdings durch das seit Sommer 2009 anhaltende S-Bahnchaos (sozialismus.info berichtete) erschwert wurde. Für den geplanten Börsengang wurde jahrelang gespart und gekürzt bis es im wahrsten Sinne des Wortes quietschte. Wartungskapazitäten wurden massiv abgebaut, Personal gestrichen und das Schienennetz ließ man verrotten.
So darf es dann nicht wundern, wenn Weichen einfrieren, da die Heizungen defekt sind. Dasselbe Spiel mit den Zügen der S-Bahn, etliche Züge fallen aus, weil die Motoren einfrieren oder durch Schmelzwasser Kurzschlüsse auftreten. Und das bei einer sowieso schon stark reduzierten Flotte! Übervolle Züge sind die Folge, wenn denn überhaupt einer kommt. In den Neunzigern (bei wochenlangen Wintern bis Minus 20 Grad), als die Berliner S-Bahn noch nicht dem rigiden Sparkurs der Deutschen Bahn ausgesetzt war, gab es in den Wintermonaten kaum größere Probleme mit den Zügen oder Gleisanlagen.
Doch nicht nur bei der Berliner S-Bahn ist momentan Gruppenkuscheln angesagt. Auch bei der Deutschen Bahn rächt sich der Sparkurs der letzten Jahre zugunsten des Börsengangs. Der vorläufige Höhepunkt ist die Warnung der Deutschen Bahn mit ihren eigenen Zügen zu fahren, das gab es in der Geschichte der Deutschen Bahn bisher noch nicht. Zahlreiche Verspätungen, teils mehrere Stunden, sorgten für überfüllte Züge. Grund dafür sind auch hier schlecht gewartete Gleisanlagen und Züge, sowie eine Fahrzeugflotte, die an ihre Kapazitäten stößt. Durch Witterung ausgefallene Züge können nicht mehr ersetzt werden und lassen die Bahnkunden im Schnee stehen.
Anhand der Deutschen Bahn kann man eindrucksvoll erfahren, wohin die Privatisierung öffentlicher Infrastruktur führt. Hohe Preise und schlechter Service (wenn es denn überhaupt noch einen gibt) sind die unmittelbaren Folgen von Privatisierung und Profitjagd.
Chaos nicht nur auf der Schiene
Nicht nur die Deutsche Bahn hat Probleme mit dem Winter. Europaweit fielen bisher tausende Flüge aus. Ob in Paris, London oder Frankfurt/Main, überall sitzen Reisende wegen verspäteter oder ausgefallener Flüge fest und verbringen teils mehrere Tage im Airport. In Frankfurt wurden 1.000 Feldbetten in Reserve gestellt, aber selbst die reichten am Wochenende kaum aus. Zu den Ausfällen und Pistensperrungen kam es, da das Bodenpersonal mit dem Räumen und Enteisen der Landebahnen und Flugzeuge nicht hinter herkam. Auch hier rächt sich die Sparpolitik der letzten Jahre. Ein weiteres Problem im Flugverkehr ist der Mangel an Enteisungsmitteln. Auf Flughäfen kann nicht ohne weiteres Streusalz eingesetzt werden, es bedarf spezieller Enteisungsmittel. Der Haken an der Sache, es gibt in ganz Europa nur zwei Unternehmen, die diese Mittel herstellen. Das Chemiewerk im oberbayrischen Gendorf produziert an der Belastungsgrenze und der Schweizer Spezialchemiekonzern Clariant freut sich über ordentliche Profite. Nur ist dieses Werk das einzige auf dem europäischen Festland, und es ist ein logistisches Problem, die Enteisungsmittel über verschneite Autobahnen über Europa zu verteilen. Anbei stellt sich hier die Frage, nicht nur ökologisch, ob der Flugverkehr nicht generell eingeschränkt werden müsste. Eine ordentlich gewartete Bahn ist immer noch winterfester als jeder Flughafen. Der „Immer-Schneller-Wahn“ ist nicht nur umweltfeindlich, sondern in seiner Struktur (Flugverkehr, Schnellzüge) auch störanfälliger als die „langsame“ Alternative Flächenbahn.
Gespannte Lage in Kommunen
Schon im Winter taten viele Kommunen als wäre der Winter eine unvorhersehbare Katastrophe. In vielen Kommunen kamen die Räumdienste nicht mit der Arbeit hinterher und der Vorrat an Streusalz ging schnell zu Neige. Ende letzten Winters forderte Verkehrsminister Ramsauer eine „nationale Streusalzreserve“. Von den Versprechen, es nächstes Mal besser zu machen ist nichts geblieben, wie man auf den Straßen sehen und erleben kann.
Trauriges Beispiel das rot-rot-regierte Berlin. Neben chaotischer S-Bahn sind unzählige Wege nicht geräumt oder wenigstens gestreut. Für Menschen, die nicht gut zu Fuß sind eine Katastrophe.
Werner Roepke von ver.di erklärte: „In den vergangenen Jahren haben Senat und Bezirke tausende von Hausmeister- und Arbeiterstellen abgebaut. Ihre Aufgaben, darunter auch die Schneebeseitigung, sind an private Firmen vergeben worden.“. Die Firmen, die von der Privatisierung profitiert haben, kommen aber mit dem Räumen und Streuen nicht hinterher, es fehlt an Personal und Ausrüstung. Doch statt die eigene Unfähigkeit zuzugeben, denken diese Firmen und die Berliner IHK jetzt darüber nach, noch mehr Geld vom Land Berlin zu fordern. Begründet wird diese Unverschämtheit damit, das plötzlich mehr Fläche zu räumen sei, Fläche, die vor der Privatisierung von kommunalen Beschäftigten erledigt wurde. Fazit: wichtige Infrastrukturaufgaben wie der Winterdienst haben in privater Hand nichts zu suchen. Es wären massive Neueinstellungen und Materialanschaffungen notwendig, um ein Schneechaos wie in Berlin zu bewältigen und zukünftig zu verhindern. „Wie sich jetzt zeigt, sind Hausmeister und Arbeiter im öffentlichen Dienst keinesfalls überflüssiger Luxus, sondern notwendig. Vor allem in Krisensituationen zeigt sich, dass nur auf den öffentlichen Dienst Verlass ist“, so Werner Roepke in Bezug auf die Politik des rot-toten Senats der letzten Jahre.
Seit 2001, dem Antritt von Rot-Rot, ist die Zahl der Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst Berlins halbiert worden. Bundesweit sieht die Situation nicht wesentlich besser aus, in den letzten Jahren wurde massiv Personal im Öffentlichen Dienst abgebaut.
Anstatt die fatale Kürzungspolitik umzudrehen denken einige Politiker schon darüber nach, einfach gar nicht mehr zu räumen. Da überlegt man schon mal dringend notwendige Aufgaben einfach sein zu lassen anstatt die Winterdienstkräfte aufzustocken. Und, was natürlich nicht fehlen darf ist das „Hartz IV-Bashing“, von Seiten der FDP kam die Forderung, Harz-IV-EmpfängerInnen zum Schneeschippen zu verdonnern. Mit einem nach dem Bedürfnissen geplanten Winterdienst in Öffentlicher Hand würde es kein Schneechaos in diesem Ausmaß geben