Interview mit Steve Kühne, Autor von „Die Pariser Kommune“
Warum heute ein Buch über die Pariser Kommune?
Im Grunde war die Pariser Kommune für die europäische Arbeiterbewegung ein Fanal. Dennoch findet man sie heute weder im Lehrplan noch im Geschichtsbuch und selbst innerhalb der Linken spielt sie kaum eine Rolle. Selbst zum 140-jährigen Jubiläum der Pariser Kommune gibt es – abgesehen von der SAV – kaum eine linke Kraft, die sich mit dem Erbe der Kommune befasst.
Das ist bedauerlich: Denn je mehr man sich mit ihr beschäftigt, desto mehr erkennt man, wie aktuell die Geschichte dieser 72 Tage ist. Es ging um die Frage, wie Menschen ein Zusammenleben ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg organisieren können. Wie Gewerkschaften aussehen müssen und wie man den Arbeitsalltag so organisiert, dass man nicht an seiner Arbeit zugrunde geht. Es ging um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, von Franzosen und Einwanderern. Was mir deutlich bewusst wurde, als ich das Buch geschrieben habe, ist, wie weit die Kommunardinnen und Kommunarden vor 140 Jahren waren. Denn sie stellten sich diese Fragen nicht nur, sie versuchten sie zu lösen.
Wie hast du dein Buch aufgezogen?
Das Buch erzählt einerseits die Geschichte der Kommune. Andererseits berichtet es aber auch über die Streitfragen der Kommunarden. Auch über Fehler, die unvermeidlich vorkommen mussten beim ersten Versuch, den Kapitalismus abzuschaffen. Ansonsten gibt es einen umfangreichen Anhang mit einigen wichtigen Dokumenten und Texten von Lenin, Trotzki und Engels über die Pariser Kommune.
Welche Lehren existieren für uns für heute?
Kämpfen! Schluss mit Selbstbeschränkung! Vielleicht ist es ja das. Wenn sich heute die GEW mit einem Schmalspurergebnis zufrieden gibt, obwohl die Kollegen kämpfen wollen. Wenn die Dresdner ver.di der drohenden Krankenhaus-Privatisierung mit demonstrativem Nichtstun begegnet, frage ich mich oft, was die Kommunarden gesagt hätten: Sie hätten das wohl als schlechten Witz wahrgenommen. Denn ihnen fehlten nicht die Ideen und schon gar nicht der Mut! Ihnen fehlte der Ort, die Ideen zu diskutieren. Tragischerweise liegt da die Parallele zu heute: Schon damals fehlte eine große revolutionäre Organisation mit revolutionärem Programm. Dort sollte man heute ansetzen. Wer kämpfen will, braucht Gleichgesinnte, mit denen er durch Siege und Niederlagen geht.