Für die Umstellung auf regenerative Energien und Energieeinsparprogramme
Bis Mitte Juni will die Bundesregierung über die zukünftige Stromversorgung beraten. Es ist wohl ziemlich unwahrscheinlich, dass am Ende etwas Gutes dabei heraus kommt. Allein die öffentlichen Debatten über horrende Kosten, „Wettbewerbsnachteile“ und angeblich blockierende Bürgerinitiativen zeigen, dass eine umweltfreundliche und effektive Energiepolitik nicht in den Rahmen des Kapitalismus passt.
von Conny Dahmen, Köln
Die AKW sind lebensgefährlich, aufgrund bestehender Überkapazitäten überflüssig (Deutschland ist einer der größten Stromexporteure Europas) und dazu noch schwer regelbar, so dass ihr Strom regelmäßig den umweltfreundlichen Wind-und Solarstrom aus den Netzen verdrängt.
Bürgerliche Energiewende?
Aber das soll nun allmählich alles anders werden. Mit der Angst vorm Wahl-Super-GAU im Nacken wollen sich CDU und FDP jetzt an vorderster Front im Ausstieg positionieren und stellen ein „6-Punkte-Programm“ für die „Energiewende“ vor, wo sie die Milliarden nur so rausballern wollen: Fünf Milliarden Euro sollen noch im Frühjahr in ein Sonderprogramm für Windparks vor der Küste fließen, zwei Milliarden sind für die CO2-Sanierung (unter anderem Wärmedämmung) von Gebäuden vorgesehen, eine weitere Milliarde soll der Energie- und Klimafonds 2012 umfassen, weitere 500 Millionen sind für ein Energieforschungsprogramm mit dem Schwerpunkt „Netze und Speicher“ geplant. Allerdings seien sämtliche Maßnahmen „daraufhin zu überprüfen, wie sie sich auf die Wettbewerbsfähigkeit von Industrie und Gewerbe sowie auf die Belastbarkeit der Haushalte auswirken“…
Potenzial erneuerbarer Energiequellen
Sogar beim heutigen Stand der Technik ist das Potenzial enorm. Im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen sind Wind und Sonne unendlich vorhanden. Beispiel Wind: Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) im Auftrag des Bundesverbands Windenergie (BWE) könnten allein die an Land errichteten Windkraftanlagen künftig bis zu 65 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms liefern, 390 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr (2010 waren es 6,2 Prozent).
Profitstreben und Großprojekte
Zahlreiche Unternehmen haben den Öko-Energiebereich als neue Profitquelle entdeckt, bereits heute arbeiten 380.000 Menschen in dieser Branche. Auch die großen Energieerzeuger investieren in Öko-Strom, wollen aber nicht auf Kohlekraftwerke verzichten und die AKW-Kuh so lange wie möglich melken.
Profitabel ist die Stromerzeugung aus regenerativen Energien für die Energiekonzerne gerade in Form von Großanlagen oder Kraftwerken. Diesen Trend wollen die Bundesregierung und die EU auch in Zukunft fortsetzen. So soll Windkraft weiterhin vor allem in riesigen On- und Offshore-Windparks erzeugt werden, die von den Anwohner-Innen wegen des störenden Einflusses auf Tierwelt und Landschaft nicht zu Unrecht kritisch betrachtet werden.
Vor diesem Hintergrund läuft auch gerade das 400 Milliarden Euro schwere Wüstenstromprojekt Desertec an. Unter anderem neun deutsche Konzerne, darunter Siemens, RWE, E.ON, Schott Solar und Deutsche Bank, beteiligen sich an der Umsetzung dieser Initiative, die sich für die Übertragung von in Wüstenregionen erzeugtem Solar- und Windstrom weltweit einsetzt. Vor allem solarthermische Kraftwerke sollen ab 2020 Solarstrom aus Nordafrika und dem Nahen Osten ins Netz einspeisen und bis 2050 etwa 15 Prozent des EU-Stromverbrauchs abdecken.
Es erscheint zwar durchaus vernünftig, eine bestimmte Energiequelle vor allem dort zu nutzen, wo sie im Überfluss vorhanden ist. Aufwendig ist aber unter anderem die Verteilung des Stroms. Für das Sonderprogramm zur Windkraft würden der Deutschen Energie-Agentur dena zufolge 3.600 zusätzliche Trassenkilometer für circa 40 Milliarden Euro benötigt (DER SPIEGEL vom 12. April). Allein 50 Milliarden Euro müssen im Zuge von Desertec in den Ausbau des Stromnetzes durch relativ verlustarme, aber aufwendige Gleichstrom-Leitungen investiert werden. Als einer der größten Produzenten von Stromübertragungsnetzen weltweit ist vor allem der Siemens-Konzern begeistert.
Schnell, dezentral, effizient
Zentrale Energieanlagen dürfen nur eine Ergänzung sein zu einem Energiekonzept, was auf dezentraler Energiegewinnung beruht. Über jedes einzelne Projekt muss – auf Basis offengelegter Geschäftsbücher, Baupläne und Untersuchungen über die Auswirkungen auf Mensch und Natur – demokratisch diskutiert und entschieden werden. Statt in einer Gegend beispielsweise gleich die ganze Landschaft mit Windparks zu pflastern, sollten sich in der Regel die Windräder in die Umgebung einfügen.
Vorrang muss einer Stromerzeugung direkt im Ort, im Stadtviertel, am Gebäude selbst gegeben werden. Je kürzer die Wege, desto kürzer die teuren und störenden Leitungen, weniger Strom geht verloren. Über sogenannte „Intelligente Netze“ (Smart Grids) könnten kleine dezentrale Energieerzeuger mit größeren Projekten vereinbart werden.
Bereits bei bestehenden Passivhäusern gehen Heizkosten allein durch eine verbesserte Wärmedämmung und Wärmerückgewinnung gegen null, Sonnenkollektoren und kleine Windräder am Haus könnten für zusätzliche Energie sorgen. Laut IWES gibt es übrigens auch in Süddeutschland gute Bedingungen für Windkraftnutzung.
Zusätzlich kann mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) eine Effizienz von über 90 Prozent erreicht werden, im Gegensatz zu herkömmlichen Kohle- und Atomkraftwerken, wo 65 Prozent der Energie als Abwärme verloren gehen.
Pumpspeicherkraftwerke
Auch das Speichern der unregelmäßig fließenden Sonnen- und Windenergie ist im kleineren Rahmen wesentlich einfacher als bei zentraler Energiegewinnung.
Im großen Rahmen funktionieren bisher Pumpspeicherkraftwerke mit einem Wirkungsgrad von bis zu 80 Prozent am Besten. Bei Stromüberschuss wird Wasser hoch gepumpt, bei Stromengpässen lässt man die Wassermassen durch Rohre wieder herabstürzen und dabei Turbinen antreiben. Die Leistung von Pumpspeicherkraftwerken steht bei Bedarf innerhalb von Minuten ohne äußere Energiezufuhr zur Verfügung.
Die Kapazitäten reichen allerdings noch lange nicht. Nach dena-Rechnung stehen momentan bundesweit rund 6.400 Megawatt Speicherkapazität zur Verfügung, notwendig wären allerdings 25.000 Megawatt. Eine Lösung könnten unterirdische Pumpspeicherkraftwerke sein. Das erste ist nun in einem alten Bergwerksstollen im Harz geplant.
Ein weiteres Großprojekt in diesem Bereich ist das 1.400-Megawatt-Gleichstromkabel „NorGer“, das Austausch und Speichern von Wasser- und Windenergie zwischen Norwegen und Deutschland ermöglichen soll.
Energiekonzerne gehören in öffentliches Eigentum
Dezentrale Stromgewinnung ist effizienter, billiger, sinnvoller – sie bringt nur weniger Profit für die Großkonzerne. RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW wollen in erster Linie Strom verkaufen und nicht Strom sparen, dezentrale Energieproduktion passt ganz und gar nicht dazu.
Ein möglichst schneller und dezentraler Umbau der Energieversorgung kann daher nur funktionieren, wenn die Energieunternehmen enteignet, in öffentliches Eigentum überführt und durch Belegschaftskomitees, VertreterInnen der Umweltschutz- und Verbraucherverbände und der arbeitenden Bevölkerung demokratisch kontrolliert und verwaltet werden.
Jahrzehntelang haben uns die Energiekonzerne die Rechnung für Kohle- und Atomstrom zahlen lassen – Subventionen, Entwicklungskosten, Müllbeseitigung, Castor-Transporte. Allein für die Atomenergie haben wir über Steuern in den letzten Jahrzehnten 258 Milliarden Euro aufgebracht (www.ausgestrahlt.de), und es wird täglich mehr. Allein für die Räumung des zurzeit gefährlich strahlenden Atommülllagers Asse werden weitere vier Milliarden Steuergelder veranschlagt. Die Energiekonzerne dagegen heimsen pro Tag eine Million Euro pro AKW ein. Darum gehören die Energieriesen entschädigungslos enteignet. Zudem ist – wenn wir die Gewinne im Stromsektor anzapfen – eine Menge Geld für die nötigen Investitionen in die erneuerbare Energieversorgung vorhanden. Jeder Tag länger, an dem Kohle verbrennt und Plutoniumbrennstäbe strahlen, treibt die Kosten für die Folgen dieses Wahnsinns umso höher.
Würde die Energiegewinnung und Stromversorgung gesamtgesellschaftlich und demokratisch organisiert, könnten wir erneuerbare Energien optimal nutzen und den gezielten Einsatz von dezentralen und zentralen Anlagen, Speichern und Netzen planen. Ohne das Diktat von Bossen und Bürokratie könnten Beschäftigte und Verbraucher-Innen selbst Lösungen finden. Auch für die hässliche Stromleitung über den Garten, die zum Beispiel durch effizientere Erdkabel ersetzt werden könnte. Die Gesamtkosten liegen zwar im Schnitt zwei- bis sechsmal höher, könnten aber je nach Verwendung sogar preiswerter sein als Freileitungen (Papier des Bundesamtes für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, September 2006). In Dänemark werden seit einigen Jahren ausschließlich Erdkabel verlegt, auch auf längeren Distanzen.
Einsparpotenziale
„Bald schon würde sich eine eine wirkliche Energieumstellung nach Berechnungen des DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) auch rein finanziell auszahlen: So würden in Deutschland zwischen 2031-40 rund 273 Milliarden Euro in der Energieproduktion eingespart, bei Kosten von 136 Milliarden in den nächsten Jahren“ (SPIEGEL ONLINE vom 4. April). Das ist schon nicht schlecht, aber die meisten solcher Berechnungen gehen von einem erheblich höheren Energieverbrauch aus als er gesellschaftlich notwendig wäre.
Besonders bei Wirtschaft und Verkehr lassen sich erhebliche Mengen Energie einsparen. Industrie und Handel machen 60 Prozent des Stroms aus, den sie zu erheblich billigeren Tarifen erhalten als Privathaushalte. Daher war das Interesse an energiesparenden Produktionsverfahren und betrieblichen Abläufen bisher eher gering. Obwohl ihnen von ihren Freunden aus den etablierten Parteien kaum Gefahr drohen dürfte, jammern Leute wie BASF-Vorstandschef Jürgen Hambrecht angesichts womöglich teureren Ökostroms herum und drohen mit einer „schleichenden Deindus-trialisierung in Deutschland“. Kein Wunder, immerhin verbraucht der BASF-Konzern genauso viel Energie wie alle Haushalte Hamburgs.
Hier sind die Einsparmöglichkeiten vielfältig: Produktionsabläufe könnten energiesparender gestaltet werden, nicht zuletzt im Bereich des Gütertransports. Um noch den letzten Cent an Lohn- und Lagerkosten zu sparen und Steuervorteile einzustreichen, werden Waren manchmal mehrmals um die Welt gekarrt. Ein Beispiel sind die Reimporte von Medikamenten aus heimischer Produktion im Pharma-Bereich, um sie billiger absetzen zu können.
Die einzige Logik, die so einen Schwachsinn möglich macht, ist die des Kapitalismus. Damit sich Herstellungs- und Verteilungsprozesse nicht am Profit, sondern nur noch an den Bedürfnissen von Mensch und Natur orientieren, müssen Industrieunternehmen in öffentliche Hand und unter demokratische Kontrolle und Verwaltung gestellt werden. Ganze überflüssige Industriezweige (zum Beispiel Werbung oder Rüstung) könnten eingestellt und die Beschäftigten in sinnvollen Arbeitsplätzen untergebracht werden. Mit einer Rückverstaatlichung der Bahn und der Nahverkehrsbetriebe könnten Auto- und Flugverkehr reduziert und Personen- und Gütertransport zu wesentlich niedrigeren Preisen auf die Schiene verlegt werden.
Dies sind Wege, die nicht nur in Deutschland, sondern international eingeschlagen werden müssen. Es sind auch nur einige Möglichkeiten, die einer sozialistischen Gesellschaft zur Verfügung stünden, in der alle Menschen ihre Energie nicht mehr wie heute oft sinnlos verschwenden, sondern gemeinsam einsetzen können, um ein besseres Leben für alle zu schaffen.