Hände weg vom Streikrecht

Nach Steilvorlage der DGB-Spitze droht weiterhin Begrenzung der Gewerkschaftsfreiheit


Der Koalitionsausschuss der Bundesregierung hat die geplante Einschränkung des Streikrechts bei seiner Sitzung Anfang April zunächst vertagt. Doch eine Entwarnung kann nicht gegeben werden. Denn die vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) gemeinsam (!) vorgebrachte Forderung nach einer gesetzlichen Festschreibung der sogenannten Tarifeinheit ist eine Gelegenheit, die sich die Herrschenden sicher nicht entgehen lassen wollen.

von Daniel Behruzi, Frankfurt am Main

Es ist ausgerechnet die Großkapitalistenpartei FDP, die sich dem Ansinnen von Konzernherren und Gewerkschaftsbürokraten bislang verweigert. Zum einen dürfte dafür die Befürchtung ausschlaggebend sein, den letzten Rest der eigenen Wählerschaft zu verprellen. Gelten Ärzte und Angestellte, deren Spartengewerkschaften Opfer der DGB/BDA-Initiative werden sollen, doch als Klientel der „Liberalen“. Zum anderen treibt Politiker beider Regierungsparteien die Angst um, dass eine Einschränkung des grundgesetzlich verbrieften Streikrechts vom Bundesverfassungsgericht wieder kassiert werden könnte. Dennoch dürften sich die Koalitionsspitzen früher oder später zu einer Gesetzesinitiative durchringen. Denn eine solche Gelegenheit, bei der sogar die Führung des DGB für eine Begrenzung des Rechts auf Streik argumentiert, dürfte sich so bald nicht wieder bieten.

DGB-Führung will Spartengewerkschaften schwächen

Hintergrund des innerhalb des DGB von ver.di-Chef Frank Bsirske vorangetriebenen Vorhabens ist das relative Erstarken von Spartengewerkschaften. Unter Klinikärzten ist mittlerweile der Marburger Bund, bei den Lokführern die GDL und unter Flugbegleitern sowie Piloten sind die Organisationen UFO beziehungsweise Cockpit die bestimmende Kraft. Zurückzuführen ist dies vor allem auf die katastrophale Tarifpolitik der DGB-Gewerkschaften, die den Beschäftigten Reallohnverluste selbst im Aufschwung beschert, und gut organisierte Beschäftigtengruppen dazu veranlasst hat, sich tarifpolitisch zu verselbstständigen. Mit der DGB/BDA-Initiative soll dieser Überbietungskonkurrenz das Wasser abgedreht werden: Nur noch diejenige Gewerkschaft, die die meisten Beschäftigten eines Betriebes organisiert, soll für diese Tarifverträge aushandeln und dafür zum Streik aufrufen dürfen. Den „Minderheitsgewerkschaften“ wäre das Grundrecht auf Streik und damit letztlich die Koalitionsfreiheit entzogen.

Unmut innerhalb von ver.di und DGB

Es bedarf keiner hellseherischen Fähigkeiten, um vorauszuahnen, dass dies auf die DGB-Gewerkschaften zurückfallen wird. Denn zum einen werden die Herrschenden die Situation nutzen, um weitere, lang ersehnte Einschränkungen des Streikrechts per Gesetz festzuschreiben. Zum anderen wären ver.di und Co. in etlichen Betrieben selbst in der Minderheit – oder könnten dazu zum Beispiel durch die Gründung und Förderung unternehmerfreundlicher Organisationen wie der AUB (Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger) werden.

Viele gewerkschaftliche AktivistInnen haben das erkannt und wehren sich gegen den – übrigens völlig undemokratisch zustande gekommenen – Vorstoß der DGB-Bosse. In ver.di haben sich die Landesbezirke Bayern, Baden-Württemberg, Berlin-Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen-Bremen und Nord sowie viele andere Gremien öffentlich gegen das DGB-BDA-Papier ausgesprochen. Es ist offensichtlich, dass Bsirske in dieser Frage unter den Aktiven seiner Gewerkschaft keine Mehrheit hat. Dennoch hält er daran fest.

Die wachsende innergewerkschaftliche Kritik wird auch im Unternehmerlager wahrgenommen. So beklagte BDA-Chef Dieter Hundt in der Stuttgarter Zeitung vom 8. April 2011, „linke Kräfte“ stellten die bisherige Position des Gewerkschaftsbundes zur „Tarifeinheit“ in Frage. Freigiebig berichtete der Unternehmerfunktionär, DGB-Chef Michael Sommer habe ihm jüngst gesagt, dass er seine Position „bald nicht mehr halten“ könne. Hier gilt es nachzusetzen und weitere Opposition zu organisieren. Das hat sich auch die Initiative „Hände weg vom Streikrecht! Für volle gewerkschaftliche Aktionsfreiheit“ auf die Fahnen geschrieben, an der sich Mitglieder der SAV und des „Netzwerks für eine kämpferische und demokratische ver.di“ beteiligen. Für den 10. September plant die Initiative eine Tagung in Kassel. Auch beim Treffen des „Netzwerks“ am 14. Mai, ebenfalls in Kassel, soll das Thema eine Rolle spielen.

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