Was sind die Gründe für die Krise und wie kann ein Ausweg der Parteilinken aussehen?
DIE LINKE steckt in ihrer tiefsten Krise seit der Fusion vor nun knapp vier Jahren. Zum Zeitpunkt der Fusion gab es eine echte Dynamik für die neue Partei. Sie setzte SPD und Grüne mit eigenen inhaltlichen Forderungen unter Druck, gewann neue Mitglieder und wirkte wie eine Erfolgsstory. Das derzeitige Erscheinungsbild der LINKEN steht im deutlichen Gegensatz dazu. Dabei ist eine starke LINKE im Interesse von Beschäftigten, Erwerbslosen, Jugendlichen und RentnerInnen heute noch genauso notwendig wie vor vier Jahren – besonders im Hinblick auf die Erfolge der rechtspopulistischen Parteien wie die „Wahren Finnen“ und „Front National“ in anderen Ländern.
von Lucy Redler, Berlin
In der Öffentlichkeit punktet die Partei jedoch nicht mit inhaltlichen Themen, sondern seit Monaten geht es um innerparteiliche Personalquerelen. Die Grünen scheinen der LINKEN in der Opposition den Rang abzulaufen. In Protesten wie beispielsweise gegen Atomkraft oder Stuttgart 21 spielt sie eine untergeordnete Rolle. Im letzten Jahr verlor sie 5.000 Mitglieder. Als der Einzug in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz nicht gelang, war die Krise auf dem Höhepunkt. In Bremen kam sie am 22. Mai erneut in die Bürgerschaft, büßte aber über zwei Prozent der Stimmen ein. Was sind die Ursachen für die Krise der LINKEN? Wie kann die Parteilinke darauf reagieren?
Ursachen der Krise
Nach dem gescheiterten Einzug in Baden-Württemberg argumentierten VertreterInnen des Parteivorstands und der Bundestagsfraktion, die Katastrophe in Fukushima habe alles überlagert und sei für das schlechte Abschneiden verantwortlich. Diese Begründung trifft nicht den Kern. Richtig daran ist, dass aufgrund der ökonomischen Sonderentwicklung Deutschlands mit dem derzeitigen wirtschaftlichen Wachstum die sozialen Themen wie Hartz IV, die DIE LINKE stark gemacht haben, mehr in den Hintergrund getreten sind. Das hat die Ausgangslage für DIE LINKE verkompliziert.
Aber es ist nicht der Hauptgrund für die Krise der Partei, denn die objektive Lage und eine Verschiebung von sozialen zu ökologischen und anderen Themen erklärt nicht, warum die Partei in diesen Bewegungen keine größere Rolle spielt und sich kein kämpferisches Profil erarbeitet hat.
Die wichtigste Ursache für die schwierige Lage der Partei ist hausgemacht und liegt in einer fast ausschließlichen Orientierung der Mehrheit der Parteiführung auf Wahlen und parlamentarische Mehrheiten und eine Anpassung vieler Funktionäre an das Establishment. Der Druck der Bürgerlichen wirkt um so stärker, weil es in Deutschland im letzten Jahr weniger Bewegungen und Kämpfe gab, die einen Gegendruck hätten entfalten können.
LINKE als soziales „Korrektiv“
Weder beim Thema Atomkraft noch bei der Euro-Krise oder Stuttgart 21 wird die Partei als authentische kämpfende Partei wahrgenommen, die einen Unterschied macht und kompromisslos an der Seite der Betroffenen steht.
Das war auch zu Beginn der Fusion nicht komplett anders, aber vor vier Jahren wurde DIE LINKE von einer breiteren Schicht als Hoffnungsträger gesehen, die sich mit SPD und Grüne anlegt und anders ist als die etablierten Parteien. Oskar Lafontaine machte Schlagzeilen mit „Recht auf Generalstreik“ und „Freiheit durch Sozialismus“.
Welch ein Unterschied auch zur WASG, die als Sammlungsbewegung gesehen wurde, in der man aktiv werden und etwas verändern kann. Dieses Profil hat die heutige LINKE eingebüßt. Die Begeisterung ist verflogen.
DIE LINKE wird als eine von fünf Parteien wahrgenommen, die ein bisschen linker ist, aber gern dazugehören möchte: eine Wahlpartei, die eine Art soziales „Korrektiv“ zu SPD und Grüne darstellt. Manchmal macht es dann Sinn sie zu wählen, und manchmal eben wieder nicht, wie man in Baden-Württemberg beobachten konnte.
Von Anpassung geprägt war leider auch die Haltung der Linksfraktion in NRW bei der Haushaltsabstimmung, als sie sich den Haushalt von Rot-Grün schön redete und ihn schließlich mit ihrer Enthaltung durchwinkte. Dem war eine lebhafte Diskussion in der Partei vorausgegangen, bei der sich eine große Minderheit für die Ablehnung des Haushalts formiert hatte.
Parteilinke muss die Reißlinie ziehen
Die Schlussfolgerung aus all dem kann nur sein, die Anbiederung an SPD und Grüne und die einseitige parlamentarische Orientierung durch den dominierenden Teil in Fraktion und Parteivorstand zu beenden und DIE LINKE als kämpferische oppositionelle Kraft in den bestehenden Bewegungen aufzubauen, um diese politisch und organisatorisch zu stärken. Natürlich sind parlamentarische Positionen wichtig, aber sie müssen vor allem dafür genutzt werden, außerparlamentarische Kämpfe zu stärken.
Niemand braucht eine Partei, die vor allem in Talkshows und bei Phoenix in den Übertragungen aus dem Bundestag und wenig im realen Leben stattfindet. Verbesserungen werden nicht im Parlament erkämpft, sondern durch den Druck von der Straße. Warum, wenn nicht aufgrund der größten Anti-AKW-Proteste seit Bestehen der Bundesrepubik werden die sieben Altmeiler vom Netz genommen?Wie, wenn nicht durch den erfolgreichen Streik bei Charité und CFM wäre es gelungen, endlich den Beginn von Verhandlungen für einen Tarifvertrag für die ausgegründeten CFM-Beschäftigten durchzusetzen? Der Druck von unten war entscheidend dafür, dass die Hungerlöhne bei der CFM skandalisiert wurden – während DIE LINKE Berlin im Senat mit der SPD sogar für Ausgründung und Tarifflucht verantwortlich ist.
Auf der richtigen Seite der Barrikade
Parteichef Klaus Ernst betonte im April in einer Rede auf dem Hamburger Parteitag, dass DIE LINKE immer auf der richtigen Seite der Barrikade stehen müsse – auf der Seite der arbeitenden Menschen.
Wie richtig! Die Parteilinke sollte Klaus Ernst beim Wort nehmen und einen Kurswechel in der Partei einfordern. Wenn die Partei nicht zur einer Klassenpartei der abhängig Beschäftigten und ihrer Familien, der Erwerbslosen und RentnerInnen wird, wird sie über kurz oder lang überflüssig werden.
In Bezug auf die Euro-Krise forderte der Bundestagsabgeordnete Michael Schlecht kürzlich in einem Brief an den portugiesischen Ministerpräsident von den Regierungs- und Staatschefs der EU einen Weg der „volkswirtschaftlichen Vernunft“ ein. Das sind jedoch dieselben Staats- und Regierungschefs, die Politik im Interesse der deutschen, französischen und Schweizer Banken betreiben. Ihre „volkswirtschaftliche Vernunft“ ist im Interesse der Banken und Konzerne, nicht im Interesse der Mehrheit der griechischen, portugiesischen, spanischen und deutschen Arbeiterklasse.
Partei nicht den Bartschs und Ramelows überlassen
Die Parteirechte um das „Forum demokratischer Sozialismus“ (FdS) will die Krise in ihrem Sinne lösen, indem sie die Partei auf eine weitere Orientierung auf SPD und Grüne festlegt und den Programmentwurf verwässert. Doch genau das würde die Krise der Partei verschärfen.
Deutlich wird dieser Versuch in der zweiten Auflage der Programmdebatte. Im zweiten Programmentwurf sollen nun wesentliche Punkte zu Regierungsbeteiligungen entschärft und die Rolle der UNO aufgewertet werden, obwohl im Namen der UNO immer wieder Kriege geführt werden. Das darf nicht passieren. Die Parteilinke sollte gegen die Aufweichung der bisherigen – von Oskar Lafontaine formulierten – Position zur Ablehnung von Regierungsbeteiligungen, die zu Sozialkürzungen, Privatisierung und Stellenabbau führen, angehen, und für die generelle Ablehnung von Beteiligungen an Regierungen mit Sozialabbau-Parteien eintreten. Zudem sollte sie offensiv eine negative Bilanz der Regierungsbeteiligungen in Berlin und Brandenburg vorlegen und den Austritt aus diesen Regierungen fordern.
An weiteren Punkten sollte die Parteilinke Verbesserungen einfordern, wie beispielsweise in Bezug auf die Eigentumsfrage. Wie zentral und aktuell die Eigentumsfrage ist, zeigt sich an der Diskussion um die Haltung der LINKEN in der Energiepolitik und der Euro-Krise.
Die antikapitalistischen und sozialistischen Kräfte in der Partei müssen sich als Opposition zusammenschließen, um den Ansatz der Partei zu einer Partei im Interesse der abhängig Beschäftigten und Erwerbslosen zu verteidigen und sich für eine kämpferische, sozialistische Partei einzusetzen.