"Volksbegehren als Hebel, um den politischen Druck zu erhöhen"

Interview zum Volksbegehren zur Rettung der S-Bahn mit Lucy Redler, Mitglied des Koordinierungskreises des Berliner S-Bahn-Tischs


 

Wer ist an dem Volksbegehren beteiligt und was sind Eure Ziele?

Verschiedene Initiativen und Gewerkschaften wie die EVG, Bahn für alle, attac, SAV, DKP und andere Kräfte haben sich zusammengeschlossen, um das S-Bahn-Chaos in einer politischen Kampagne zu thematisieren. Mittlerweile unterstützen auch die LINKE Berlin und die Naturfreunde das Volksbegehren.

Es geht uns darum, sowohl das jetzige S-Bahn-Chaos als auch Pläne beispielsweise der Grünen für eine mögliche Teilprivatisierung oder Zerschlagung der S-Bahn nach den Berliner Wahlen zu bekämpfen. Dafür müssen wir den politischen Druck erhöhen: auf die Deutsche Bahn AG als auch auf die politisch Verantwortlichen in Bundes- und Landesregierung. Das Volksbegehren ist dafür ein Hebel.

Und was sind die Inhalte der Kampagne und des Begehrens?

Wir wollen ein Ende der Gewinnauspressung der S-Bahn für die Profite der Deutschen Bahn AG und stattdessen eine S-Bahn in öffentlicher Hand im Interesse der Berlinerinnen und Berliner. Wir kämpfen Seite an Seite mit der Gewerkschaft und den Vertrauensleuten der S-Bahn, die das Volksbegehren ebenfalls unterstützen, für die Einstellung von mehr Personal, um den Service, die Aufsichten auf den Bahnhöfen und die Wartung von Zügen zu verbessern. Wir brauchen mehr Investitionen in die S-Bahn und eine deutliche Aufstockung von Zügen und Reservewagen. Und: Wir halten es für einen Skandal, dass der Verkehrsvertrag zwischen einer bundeseigenen Aktiengesellschaft und dem Land Berlin nicht öffentlich ist.

Die Hauptverantwortlichen für das Chaos sind die Spitze der DB AG und die Bundesregierung. Aber auch die rot-rote Landesregierung hat dem Chaos wenig entgegengesetzt und den Zustand durch den Abbau des Aufsichtspersonals auf den Bahnhöfen seit 2006 verschlechtert.

Warum das Mittel des Volksbegehrens?

Das Volksbegehren ist vor allem ein Hebel, um der vorhandenen Wut in der Bevölkerung mitten im Abgeordnetenwahlkampf einen politischen Ausdruck zu verleihen.

Ich bin mir bewusst, dass Volksbegehren allein nicht dazu führen, dass das Volk das Sagen hat. Alles, was wir an Verbesserungen erreichen wollen, müssen wir uns erkämpfen und kann im Kapitalismus immer wieder verschlechtert werden.

Das heißt: Erstens ist nicht gesichert, ob am Ende die Durchsetzung unseres Gesetzesentwurfs vom Senat durch fadenscheinige Argumente verhindert wird, wie das in manchen früheren Volksbegehren der Fall war. Ob wir Erfolg haben, wird vor allem von der geschaffenen Öffentlichkeit abhängen. Das Volksbegehren soll Aktionen, Demonstrationen und auch Streiks der Beschäftigten nicht ersetzen, sondern dazu ermutigen.

Zweitens ist es aus juristischen Gründen gar nicht möglich, in dem Volksbegehren all das zu fordern, was wir wollen, wie zum Beispiel den direkten Ausschluss von Privatisierungen. Aber wenn es uns gelingt, für unsere Forderungen gegen Privatisierung in der Öffentlichkeit breite Unterstützung zu gewinnen, wird eine Teilprivatisierung durch einen künftigen Senat politisch schwerer durchsetzbar. Zudem haben private Investoren kein Interesse an guten Löhnen und Arbeitsbedingungen und höheren Investitionen – wie wir es im Verkehrsvertrag festschreiben wollen –, weil das ihren Gewinn schmälert.

Beim "S-Bahn-Tisch" können sowohl Menschen mitmachen, die eine Direktvergabe an ein landeseigenes Unternehmen wie die BVG befürworten, als auch andere, die einen Verbleib der S-Bahn bei der Deutschen Bahn AG favorisieren.

Was ist an Aktionen geplant?

Uns geht es vor allem darum, die Menschen zu motivieren, selbst aktiv zu werden. Wenn die Resonanz gut ist, können wir in Stadtteilen Aktiventreffen der Kampagne gründen.

Wir wollen öffentlichkeitswirksame Aktionen durchführen. Eine weiterer Vorschlag des S-Bahn-Tischs ist, mit anderen Initiativen und Gewerkschaften eine gemeinsame Demo für ein soziales Berlin vor der Abgeordnetenhauswahl am 18. September auf die Beine zu stellen, um deutlich zu machen, dass wir ein gemeinsames Ziel verfolgen, wenn Mieterinitiativen gegen Verdrängung und Privatisierung von Wohnraum, CFM-Beschäftigte gegen Lohndumping und Ausgründung, Lehrer für bessere Bezahlung und wir gegen das S-Bahn-Chaos kämpfen. Wir alle wollen eine lebenswerte Stadt, in der Mobilität, Wohnen, Gesundheitsversorgung und Bildung kein Privileg ist, sondern alle daran Anteil haben können.