Kasachstan: „Wird Kurmanov verhaftet?”

Polizei droht, Führungspersonen der „Sozialistischen Bewegung Kasachstans“ zu verhaften und einzusperren – Proteste dringend notwendig!


 

Dieser Bericht erschien am 16. September auf socialistworld.net und wurde von Thies Wilkening ins Deutsche übersetzt.

„Wird Kurmanov verhaftet?“ ist die Schlagzeile auf der Titelseite von „Vzglyad“, einer Wirtschaftszeitung in Kasachstan. Es wird immer klarer, dass die kasachischen Behörden einen Schlag gegen die Führung der „Sozialistischen Bewegung Kasachstans“ vorbereiten – Ainur Kurmanov, Esenbek Ukteshbayev und andere. Es ist ein offensichtlicher Versuch, der Oppositionsbewegung gegen das zunehmend diktatorische Nasarbajew-Regime den Kopf zu nehmen.

Der Anwalt der Bewegung wurde am 14. September von der Polizei angerufen. Ihm wurde erzählt, dass die Ermittlungen gegen Ainur und Esenbek bald abgeschlossen seien und dass sie nicht mehr als „Zeugen“, sondern als „Verdächtige“ betrachtet würden. Man erzählte ihm, dass die Beiden zusammen mit zwei anderen Aktivistinnen – Mutter und Tochter, Kulzhan und Nuosulu Sailybaeva – Ende dieses Monats wegen „Samoupravstsvo“ angeklagt würden. Das kann mit „Willkür“ oder „Despotismus“ übersetzt werden und bezeichnet normalerweise Bürokraten oder Herrscher die ihre Macht für Privatinteressen einsetzen.

Dieser erste Vorwurf kann mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden. Es wird aber damit gerechnet, dass im Laufe des Gerichtsverfahrens weitere Vorwürfe hinzugefügt werden. Bis zu 25 weitere Menschen könnten wegen ähnlicher Vergehen angeklagt werden.

Gegen diese Drohung muss es einen internationalen Aufschrei geben. Protestresolutionen müssen die Behörden warnen, dass jeder Versuch diese ArbeiterführerInnen einzusperren, weltweit geächtet wird. Gewerkschaften, Abgeordnete in nationalen und internationalen Parlamenten, Menschenrechtsorganisationen und andere Organisationen, die sich für die Durchsetzung und Einhaltung demokratischer Grundrechte einsetzen werden sich einem weltweiten Protest anschließen.

Die Anklagevorwürfe stammen aus dem massiven Widerstand, den die Kampagne „Verteidigt die Häuser der Menschen“ organisiert. Sie hat Menschen aktiv verteidigt, denen die Banken wegen Problemen bei der Rückzahlung ihrer Kredite die Wohnungen pfänden wollten. Der letzte Fall war der der Familie Sailybaeva. Kulzhan hat mehrere Kinder, und als die Gerichtsvollzieher versuchten sie aus dem Haus zu werfen wurden Schlösser an der Eingangstür zerstört. Das bezeichnen die Behörden als „Samoupravstsvo“!

Jetzt wird angenommen, dass das Regime diese Vorwürfe verwenden wird um wichtige AktivistInnen aus der Bewegung zu entfernen und danach zwei Organisationen aufzulösen – Verteidigt die Häuser der Menschen und Talmas, deren Vorsitzende Ainur Kurmanov und Esenbek Ukteshbayev sind. Nachdem sich die Behörden zum fünften Mal geweigert haben, einen in diesem Jahr gegründeten unabhängigen Gewerkschaftsverband zu legalisieren, wird das bedeuten, dass ArbeiterInnen alle legalen Möglichkeiten Opposition gegen das Regime zu organisieren verlieren. Alle Protestaktionen werden automatisch verboten sein.

Wie die Zeitung Vzglyad kommentiert: „Eine Verurteilung der Führer dieser Organisation wird verwendet werden, um sie aufzulösen. Zweifellos glauben die Behörden, dass diese Organisation, die alle von Pfändungen bedrohten um sich versammelt hat schon eine echte Massenkraft des Protests darstellt und dass die einzige Möglichkeit, mit ihr umzugehen, ist sie zu zerschlagen. Wenn es „Verteidigt die Häuser der Menschen“ nicht mehr gibt, wird niemand die Rechte der Wohnungseigentümer verteidigen… so dass die Banken die Menschen einen nach dem anderen einsammeln können. Und „Verteidigt die Häuser der Menschen“ hat schon mehrere Jahre lang Massenpfändungen verhindert.“

Besorgtes Regime

Drei Entwicklungen bereiten dem Regime Sorgen. Erstens wird es zunehmend kritisiert, sogar aus offiziellen und diplomatischen Kreisen. Anfang September haben sowohl der Ständige Europäische Rat der OSZE als auch die US-Delegation bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Briefe an die kasachische Regierung geschrieben. Sie beschwerten sich über die Verhaftung der Anwältin der Ölarbeiter Natalia Sokolova, die fortgesetzte Inhaftierung des Menschenrechtsaktivisten Evgeniy Zhovtis und die Sperrung von Websites in Kasachstan. Als Antwort erklärte der kasachische Botschafter bei der OSZE: „Meine Delegation ist derzeit nicht in der Lage, umfassende Informationen zum Fall Natalia Sokolova zu geben. Wir bitten alle Beteiligten sich weitergehend über die illegalen Streiks in Westkasachstan, in den Städten Aktau und Schanaösen, zu informieren. Übrigens gehören zu den Beteiligten bekannte Mitglieder des Europäischen Parlaments, namentlich Mr. Murphy und sein Vorgänger Mr. Higgins. Wahrscheinlich kennen Sie diese Namen“. Damit sind der aktuelle Abgeordnete der Socialist Party (irische Schwesterorganisation der SAV), Paul Murphy, und der ehemalige Europaabgeordnete der Socialist Party, Joe Higgins (jetzt Mitglied des irischen Parlaments) gemeint, die sich an Solidaritätskampagnen für die Arbeiterbewegung in Kasachstanund die sozialen Bewegungen gegen das Regime beteiligt haben.

Zweitens befürchtet das Regime, dass die Kritik weiter wachsen wird. Anfang Oktober hält die OSZE in Warschau ihre jährliche Menschenrechtskonferenz ab. Diese Versammlung täuscht in Wahrheit nur eine Beschäftigung mit den Menschenrechten vor, während den Hauptschwerpunkt der OSZE weiterhin die „Energiesicherheit“ darstellt. Trotzdem rückt sie Menschenrechtsfragen etwas mehr ins Blickfeld. Kasachstan ist Kritik gegenüber besonders empfindlich, da es erst vor einem Jahr den Vorsitz in der OSZE innehatte. In diesem Jahr wurden Ainur Kurmanov und Esenbek Ukteshbayev zu der Konferenz nach Polen eingeladen, wo sie auf die Verstöße der kasachischen Regierung gegen die Menschenrechte von ArbeiterInnen und Häftlingen und den allgemeinen Abbau demokratischer Rechte aufmerksam machen werden. Daher versucht das Regime, die beiden Oppositionsführer an der Ausreise zu hindern.

Die verstärkten Angriffe auf die Führung der Sozialistischen Bewegung Kasachstans ist ein plumper Versuch des Regimes, sie davon abzuhalten die kolossalen sozialen Proteste anzuführen, die in Kasachstan bevorstehen. Am selben Tag, an dem der Anwalt über die Drohungen gegen die führenden Aktivisten informiert wurde, erschien ein Bericht des Institute of War and Peace Reporting, das die Situation in Kasachstan seit 2007 beobachtet. Der Bericht schließt: „Die wirtschaftliche Lage, die sich verschlimmernde Korruption und der fehlende Glaube an Gerechtigkeit erschüttert das Stereotyp der kasachischen Geduld… obwohl das Protestpotential seinen Höhepunkt, an dem die Massen auf die Straßen gehen nicht erreicht hat ist klar, dass die Geduld des Volkes ihre Grenzen hat.“

„Der Mythos von der Stabilität und dem Wohlergehen der kasachischen Bevölkerung bekommt Risse. Mehr und mehr Menschen sehen dass sie nur durch Handeln beginnen können, ihre Probleme zu lösen. Seit 2007 sind die Preise stetig gestiegen, die Armut ist gewachsen und Wohnungskosten angestiegen, was besonders die ärmste Schicht der Gesellschaft betrifft, zu der nach den neuesten Statistiken jetzt 80% der Bevölkerung gehören.“ Das ist der Hintergrund für den beeindruckenden Streik der ÖlarbeiterInnen in Westkasachstan, der seit vier Monaten andauert, trotz Drohungen, Repression, der Verhaftung seiner FührerInnen und der Ermordung von zwei AktivistInnen.

Wir rufen UnterstützerInnen weltweit dazu auf, ihre Protestkampagne gegen das kasachische Regime zu verstärken.

Wir fordern:

– Die sofortige Einstellung aller Verfahren gegen Ainur Kurmanov, Esenbek Ukteshbayev und die anderen AktivistInnen der Sozialistischen Bewegung Kasachstans und der Kampagne „Verteidigt die Häuser der Menschen“;

– dass kein Versuch unternommen wird, die Reise von Kurmanov und Ukteshbayev zur OSZE-Menschenrechtskonferenz nach Warschau zu verhindern;

– Die sofortige Registrierung der Republikanischen Arbeitergewerkschaft „Zhanartu“;

– Die sofortige Freilassung von Natalia Sokolova;

– den Sieg der ÖlarbeiterInnen in Schanaösen und Aktau

Die „Sozialistische Bewegung Kasachstans“ wird vor dieser Repressionswelle nicht kapitulieren. Sie wird weiter Unterstützung für die ÖlarbeiterInnen organisieren. Sie wird ihre internationale Kampagne gegen das autoritäre Regime der Nasarbajew-Clique fortsetzen. Sie wird versuchen, an der Spitze der sich entwickelnden Protestbewegung in Kasachstan zu sein, um sie mit einem sozialistischen Programm auszustatten, das auf der Verstaatlichung der Rohstoffe und Schlüsselindustrien basiert und den Weg zu einer demokratisch kontrollierten Planwirtschaft frei macht. Sie wird weiterhin für die Bildung einer verfassungsgebenden Versammlung durch die Arbeiterklasse argumentieren, die die Arbeitenden und die armen Massen repräsentiert, um das bestehende Regime mit seinen Bürokraten, der Polizei, den Gerichten und Staatsanwälten, der politischen Polizei, dem Folterapparat und den Gefängnissen hinwegzufegen und es durch eine wirklich demokratische Gesellschaft zu ersetzen, mit demokratisch gewälten Komitees auf allen Ebenen.

Die Sozialistische Bewegung Kasachstans kämpft weiter für die Bildung einer sozialistischen Massenpartei der ArbeiterInnen, die den Widerstand gegen den Kapitalismus im Land führen kann, um ein demokratisches, sozialistisches Kasachstan als Teil einer zentralasiatischen und eurasischen Föderation demokratisch-sozialistischer Staaten zu errichten.

Organisiert Proteste vor kasachischen Botschaften und schickt Protestmails an:

1: Die Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs Kasachstans – Alina Bulatovna Rakhimbekova

Mail: Rahimbekova@supcourt.kz mit Kopien an: Kulumbetova@supcourt.kz; pressa@supcourt.kz

oder Tel. ++7 7172 747570

2: Das Außenministerum der Republik Kasachstan

Email: mid@mid.kz

3: Den Chef der Präsidialverwaltung

Tel: ++7 (7172) 74 55 24

4: Die kasachische Botschaft in eurem Land.

Bitte schickt Kopien aller Protestmails an KazakhstanSolidarity@gmail.com

Muster-Protestbrief

Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter des Staates Kasachstan

Ich/wir, ………………………… [Name der Person/Gewerkschaft/Menschenrechtsorganisation/MandatsträgerIn/etc.] verurteile/n auf Schärfste die Drohungen seitens der kasachischen Behörden, Ainur Kurmanov, Esenbek Ukteshbayev und andere FührerInnen der Sozialistischen Bewegung Kasachstans zu inhaftieren.

Diese Drohung ist ein offensichtlicher Versuch, die wachsende Opposition gegen das zunehmend diktatorische Regime Nasarbajews zu enthaupten.

Mir/uns ist bekannt dass der Anwalt der Bewegung am 14. September einen Anruf von der Polizei bekam, die ihm erzählte dass die beiden Genannten und andere FührerInnen wegen „Willkür“ oder „Despotismus“ angeklagt werden – absurde Unterstellungen, die zu einer Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren führen können. Es ist wahrscheinlich, dass weitere „Verbrechen“ dazugefügt werden, wenn der Fall vor Gericht kommt und dass bis zu 25 weitere Personen wegen ähnlicher Vergehen angeklagt werden könnten.

Der Grund für diese Angriffe ist der enorme Widerstand, den die Kampagne „Verteidigt die Häuser der Menschen“, die Menschen gegen Wohnungspfändungen verteidigt hat. Jetzt wird weithin angenommen, dass das Regime diese Fälle nutzen wird, um wichtige AktivistInnen wegzusperren und alle wirklich oppositionellen Organisationen aufzulösen.

Ich/Wir verurteile/n den Versuch, diese FührerInnen der Oppositionsbewegung ins Gefängnis zu bringen und unterstütze die Kampagne für demokratische Grundrechte in Kasachstan

Der angedrohte Schlag gegen die Opposition folgt auf den erfolgreichen Besuch des Mitglieds des Europäischen Parlaments Paul Murphy (Sozialistische Partei, Irland) der sich in Kasachstan mit streikenden ÖlarbeiterInnen und AktivistInnen für Menschen- und demokratische Rechte getroffen hat.

Sowohl der Ständige Rat der OSZE als auch die Delegation der USA bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa waren gezwungen, gegen die Verhaftung der Anwältin der ÖlarbeiterInnen, Natalia Sokolova, die fortdauernde Inhaftierung des Menschenrechtsaktivisten Evgeniy Zhovtis und die Sperrung von Websites in Kasachstan zu protestieren.

Ich/wir verurteile/n alle Versuche, die beiden Oppositionsführer Ainur Kurmanov und Esenbek Ukteshbayev an der Reise nach Warschau im Oktober zu hindern, wo sie auf Einladung der OSZE am „Human Dimension Implementation Meeting“ teilnehmen werden. Die beiden Oppositionsführer möchten auf die Verstöße des kasachischen Regimes gegen die Rechte von ArbeiterInnen und Gefangenen und die fortgesetzten Angriffe auf demokratische Rechte aufmerksam machen.

Ich/Wir fordere/n:

-Die sofortige Einstellung aller Gerichtsverfahren gegen Ainur Kurmanov, Esenbek Ukteshbayev und die anderen AktivistInnen der Sozialistischen Bewegung Kasachstans

-Keine repressiven Maßnahmen gegen die Kampagne „Verteidigt die Häuser der Menschen“

-Keine Beschränkungen des Rechts von Kurmanov und Ukteshbayev zur Menschenrechtskonferenz der OSZE zu reisen

-Die sofortige Registrierung der Republikanischen Arbeitergewerkschaft (Zhanartu)

-Die sofortige Freilassung von Natalia Sokolova, der Anwältin der streikenden ÖlarbeiterInnen in Schanaösen and Aktau.

Bitte antworten Sie unverzüglich per E-Mail oder Post an die obenstehende(n) Adresse(n).

Mit freundlichen Grüßem,

[Name der Person/Gewerkschaftsgliederung/Menschenrechtsorganisation/MandatsträgerIn/etc.]