Metall-Tarifrunde muss Wende einläuten
Als sich die Tarifkommissionen von Hessen und drei weiteren Bundesländern unmittelbar vor Weihnachten in Frankfurt am Main trafen, um die Forderungen für die IG-Metall-Tarifrunde 2012 zu beraten, hieß es hinter vorgehaltener Hand: IGM-Vize Detlef Wetzel würde für Mäßigung plädieren. Schließlich bahne sich eine schwierige wirtschaftliche Lage an. Das kommt einem doch irgendwie bekannt vor. Kurzer Blick zurück: In der Tarifrunde 2008 ließ man die achtprozentige Lohnforderung aufgrund des Kriseneinbruchs von heute auf morgen fallen. 2010 stellte man erst gar keine Forderung auf.
von Aron Amm, Berlin
Während die Unternehmens- und Vermögenseinkommen (preisbereinigt) seit dem Jahr 2000 um 36 Prozent gestiegen sind (nur 2009 gab es einen Rückgang der Profite), sanken die Reallöhne im gleichen Zeitraum um 4,5 Prozent. Damit ist Deutschland – laut Internationaler Arbeitsorganisation (ILO) – Schlusslicht unter 26 entwickelten Industriestaaten!
Wen wundert es da, dass die Gewerkschaftsoberen eine hohe Erwartungshaltung an der Basis einräumen müssen. Da Europa und wahrscheinlich auch Deutschland in diesem Winterhalbjahr in einer „milden Rezession“ stecken, die sich nicht zuletzt angesichts der weiter schwelenden Euro-Krise noch verschärfen könnte, wird die Unternehmerseite jedoch sicherlich „harte Kante“ zeigen.
Was sagt die IG-Metall-Spitze?
Endgültig festlegen will sich der IGM-Hauptvorstand erst am 24. Februar (Mitte März beginnen die Verhandlungen). Mit der in Baden-Württemberg erhobenen Forderung „von bis zu“ 6,5 Prozent mehr Geld hat die Gewerkschaft jedoch eine erste Wegmarke gesetzt. Diese Formulierung muss einem gleich zu denken geben. „Denn das kann ja vieles heißen“, so Jakob Schäfer von der Gewerkschaftslinken. Und warum reduziert der IGM-Bezirksleiter Jörg Hofmann die Forderung gleich weiter, wenn er sagt: „4,8 Prozent muss mindestens sein“? Dann brauchen die Konzernvertreter nur noch eine Laufzeit von – wie 2010 geschehen – knapp zwei Jahren festklopfen, und schon darf man sich sorgen, ob das Ergebnis überhaupt einen Inflationsausgleich sicherstellt.
Natürlich ist die Krise nicht vorbei. Das darf die MetallerInnen aber nicht davon abhalten, eine deutliche Lohnsteigerung einzufordern. Schließlich ist es nicht „unsere“ Krise. Und die Reallohneinbußen der Beschäftigten hierzulande haben die wirtschaftliche Talfahrt 2009 auch nicht verhindert.
Besonders dreist zeigt sich der Verbandschef Rainer Dulger von Südwestmetall, der davor warnt, „Tarifverträge rückwirkend korrigieren“ zu wollen. „Wenn der Kuchen verteilt und aufgegessen ist, lässt sich das im Nachhinein nicht mehr umkehren.“ Ihm möchte man zurufen: Selbst wenn der Kuchen verputzt sein mag, die Bäckerei ist noch da – dann müssen wir die halt übernehmen, wenn das Kapital uns weiter so abspeisen möchte!
Was fordern?
Die „Alternativen Metaller“ bei Daimler in Berlin-Marienfelde schlagen in ihrer Betriebszeitung vom 30. November folgende Stoßrichtung vor: „In den letzten vier Jahren sprang für uns fast nichts heraus. Dabei beläuft sich die Inflation auf 2,5 Prozent im Jahr. Als Inflationsausgleich bräuchten wir also zehn Prozent mehr Lohn. Darum schlägt die ‚Alternative‘ als Forderung vor: Zehn Prozent Lohnerhöhung, aber mindestens 300 Euro Festgeld, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten!“ Wie zum Beispiel auch die IGM-Delegiertenversammlung Freudenstadt argumentiert die Berliner „Alternative“ für eine Festgeldforderung. Zu Recht. Schließlich vergrößern prozentuale Einkommenserhöhungen absolut betrachtet die Schere zwischen den unteren und oberen Entgeltgruppen.
Parallel zur Lohnauseinandersetzung will die Gewerkschaft die unbefristete Übernahme der Auszubildenden (20 Prozent bekommen derzeit nur eine befristete Anstellung), tariflich fixierte Mitbestimmungsrechte beim Einsatz von Leiharbeitern sowie eine Vereinbarung mit den Zeitarbeitsverbänden über Branchenzuschläge erreichen. Hier schlägt die Berliner „Alternative“ als Losung vor: „Festeinstellung statt mies bezahlte, unsichere Leiharbeitsverhältnisse!“ Außerdem sollte auch eine Übernahme der überbetrieblichen Auszubildenden (im Osten ein wachsender Teil der Azubis) – durch die Unternehmen der Branche erstritten werden – wozu sich die IG Metall-Führung bislang gar nicht äußert.
Wie den Kampf führen?
Die „Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken“ verweist darauf, dass die IG Metall in den letzten zehn Jahren, seit 2002, in den Metall-Tarifrunden nicht mehr zum Streik aufgerufen hat. Das muss dieses Mal anders laufen. Natürlich lässt sich der Schalter nicht einfach umlegen. Streiks müssen vorbereitet werden. Aber die 3,6 Millionen MetallerInnen sind eine Kraft, die dem Lohnraub und der Billigjob-Offensive den Riegel vorschieben könnte. Wenn man – wie es das „Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di“ vorschlägt –, die Kämpfe bei den fast gleichzeitig verlaufenden Tarifrunden von Metallindustrie und Öffentlichem Dienst zusammenbringt, dann könnte 2012 das Jahr werden, in dem die jahrelange Lohnspirale nach unten endlich gestoppt und umgekehrt wird.