Rückendeckung für kasachische Diktatur durch deutsche Regierung und Konzerne
„Nasarbajew – Mörder!“ schallte es dem Präsidenten Kasachstans entgegen, als er im Februar nach Berlin kam, um eine „Rohstoffpartnerschaft“ mit der Bundesregierung zu unterschreiben. Die wütenden Proteste richteten sich gegen die Ermordung Dutzender GewerkschafterInnen am 16. Dezember.
von Christoph Wälz, Berlin
Kanzlerin Angela Merkel wäre wohl gern um das Thema herumgekommen. Dann musste sie aber doch das Lippenbekenntnis abgeben, sie habe „die Menschenrechte angesprochen“. Die übliche Folklore also am Rande der Treffen der Mächtigen? Fakt ist: Bei den Verhandlungen um Rohstoffe, Investitionen und Profite stören Menschenrechte.
Für die deutsche Industrie zählen andere Dinge. Diese befindet sich schließlich in einem knallharten Wettbewerb um Rohstoffe, Märkte und Einflusszonen: „Längst sind China, Brasilien oder Indien nicht mehr nur große Rohstoffproduzenten, sondern auch große Rohstoffkonsumenten. Seltenerdmetalle, Kupfer und Aluminium werden vor Ort gefördert und verarbeitet. Europas Industrie steht inzwischen am Rand. Unternehmen und Regierung in Deutschland versuchen daher, mit einer forcierten Beschaffungspolitik im Rennen zu bleiben“ (taz vom 6. Februar).
Eigens dafür wurde von der deutschen Industrie eine „Allianz zur Rohstoffsicherung“ gegründet. Darüber soll der Rohstoff-einkauf gebündelt und die Position auf den Märkten verbessert werden. Denn 47 Prozent der deutschen Unternehmen rechnen laut einer aktuellen DIHK-Umfrage mit Schwierigkeiten bei der Versorgung.
Öl und Seltene Erden
Zentralasien ist reich an Rohstoffen und deshalb hart umkämpft – vor allem zwischen China, Russland, den USA und Deutschland.
Kasachstan ist der fünftgrößte Erdöl-Exporteur der Welt und für Deutschland der drittgrößte Öl-Lieferant. „Das Land zählt zu den Schwerpunktländern der Energiestrategie der Bundesregierung“, so der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft im Dezember 2010.
Die kasachischen Vorkommen an Seltenen Erden werden immer wichtiger für Konzerne wie ThyssenKrupp und Siemens. Dabei handelt es sich um Metalle, die für High-Tech-Produkte unverzichtbar sind, weil sie Strom mit geringem Verlust leiten. Sie kommen nur in China, der Mongolei und Kasachstan vor.
Bisher fördert China etwa 95 Prozent der Seltenen Erden weltweit und hält die Preise künstlich hoch. In Kasachstan sind die Vorkommen noch unerschlossen. Nachdem Deutschland bereits im Oktober 2011 ein Partnerschaftsabkommen mit der Mongolei unterzeichnet hat, erhoffen sich deutsche Konzerne nun in Kasachstan einen weiteren strategischen Schachzug.
Handel und Technologietransfer
Für Kasachstan ist Deutschland ein strategisch wichtiger Partner. Etwa 800 deutsche Unternehmen sind auf dem kasachischen Markt aktiv. Der Handel zwischen den Ländern stieg 2011 um 20 Prozent auf einen neuen Höchststand von 6,3 Milliarden Euro. Nun sollen deutsche Konzerne bei der Erschließung von Seltenen Erden, Uran und Kupfer helfen.
Außerdem wurde ein „Technologietransfer“ vereinbart, der dem deutschen Kapital neue Exportchancen verschafft. Dazu kam es im „nationalen Alleingang Berlins“ (german-foreign policy.com vom 9. Februar), da Konkurrenten wie Frankreich oder die USA zu einer solchen Vereinbarung nicht bereit gewesen seien.
Repression wird es in Kasachstan weiter geben. Auch zum Nutzen der Konzerne in der Bundesrepublik.
Hintergrund: Ölarbeiterstreik
Im Mai 2011 traten die Beschäftigten des kasachischen Öl-Konzerns KazMunaiGaz in einen unbefristeten Ausstand. Am 16. Dezember ging das Regime von Präsident Nursultan Nasarbajew dann mit brutaler Gewalt vor. Nach Angaben kasachischer GewerkschafterInnen wurden in der Stadt Schanaosen wahrscheinlich deutlich mehr als 70 Menschen erschossen. Hunderte wurden verletzt. Die internationale Initiative „Campaign Kazakhstan“, die für demokratische und gewerkschaftliche Rechte eintritt, hat einen wichtigen Beitrag geleistet, die Medienblockade ein Stück weit aufzubrechen und die Ereignisse bekannt zu machen.