Heute ist der „Tag der politischen Gefangenen“
Erstmals wurde dieser Tag am 18. März 1923 auf Initiative der „Internationale Rote Hilfe“ (IRH) begangen. Hintergrund war damals die große Repressionswelle in vielen kapitalistischen Staaten gewesen, die in Folge der siegreichen sozialistischen Revolution in Russland gegen revolutionäre Linke wütete.
von Ronald Luther, Berlin
Zehntausende Sozialisten, Kommunisten, Anarchisten usw. wurden damals ermordet oder eingekerkert, ihre Familien wurden verfolgt und litten meist unter großer Not. 1924 befanden sich allein in Deutschland 7.000 Linke in Gefängnissen und 18.000 standen unter Anklage. Dieses verschärfte sich noch in den folgenden Jahren. 1932 schrieb die bekannte deutsche Kommunistin Clara Zetkin zum zehnjährigen Bestehen der "Internationalen Roten Hilfe " (IRH): "Das ganze kapitalistische Gefängnisregime ist darauf angelegt die politischen Gefangenen körperlich und seelisch zu zermürben, Folterungen, Karzer, Einzelhaft, geisttötende Arbeit, Schikanen wie Fernhaltung revolutionärer Presse und Literatur, schlechte Kost usw. sind tägliche Erscheinungen." Eine auch heute gängige Praxis gegenüber politischen Gefangenen.
Internationale Solidarität in den 1920er Jahren
Die Rote Hilfe Deutschland (RHD) – die auf ihrem Höhepunkt kurz vor der Machtergreifung der Hitlerfaschisten über eine Million Mitglieder hatte – führte in den 1920er Jahren zahlreiche und umfangreiche Kampagnen durch: So gegen den weißen Terror in Mussolinis Italien, den faschistisch regierten Balkanländern, Polen und dem Baltikum, gegen die Massaker an chinesischen Revolutionären und die Lynchjustiz an Afroamerikanern in den USA. Unterstützt wurden diese Kampagnen von bekannten Persönlichkeiten wie dem Physiknobelpreisträger Albert Einstein, der Malerin Käthe Kollwitz oder den Schriftstellern Heinrich und Thomas Mann. Kurt Tucholsky gehörte dem Vorstand der RHD an. Die größte Kampagne der IRH mit Massencharakter hatte vor allem 1926 und 1927 die Kampagne für die Freilassung der Anarchisten Sacco und Vanzetti in den USA, die wegen eines nachweislich nicht begangenen Raubmordes hingerichtet wurden. Gestützt auf Sektionen in 71 Ländern mit 19 Millionen Mitgliedern sammelte die Internationale Rote Hilfe weltweit Millionen von Unterschriften und führte riesige Kundgebungen und Demonstrationen durch. Am Tag ihrer Hinrichtung gingen weltweit Millionen auf die Straße oder beteiligten sich an Streiks.
Geschichte des 18. März
Historisch nimmt der „Tag der politischen Gefangenen“ vor allem Bezug auf die Pariser Kommune, die am 18. März 1871 in Paris begann. Damals übernahm erstmals in der Geschichte das Proletariat die Macht. In Folge der blutigen Niederschlagung der Revolution wurden zehntausende Menschen ermordet, eingekerkert oder mussten fliehen. Deshalb wurde anfänglich der 18. März als "Tag der Pariser Kommune" begangen. Aber bereits vorher war der 18. März ein bedeutender Tag in der Geschichte der Arbeiterbewegung gewesen. An dem Tag gedachten seit der gescheiterten bürgerlich-demokratischen Revolution 1848 in Deutschland Sozialisten und andere fortschrittliche Kreise den Märzgefallenen, die im Kampf für eine deutsche Republik, gegen die kaiserliche Armee ihr Leben ließen.
Repression heute
An der Lage der politischen Gefangenen hat sich im Laufe der Zeit nichts geändert. Auch heute werden weltweit unzählige Menschen auf Grund ihrer politischen Anschauung verfolgt, in Gefängnisse gesperrt, gefoltert und ermordet. Bekanntestes Beispiel ist das ehemalige Mitglied der Black Panther Party, Mumia Abu Jamal, der seit 1982 wegen eines nicht begangenen Mordes in einer Todeszelle der USA sitzt. Seit den Anschlägen vom 11. September nimmt die Repression gegen GewerkschafterInnen und linke Aktivisten auch in den sogenannten entwickelten Ländern Europas und Nordamerikas zu, demokratische Rechte werden immer mehr eingeschränkt. So wird beispielsweise linken Aktivisten mittels Ein- und Ausreise-Verboten die Teilnahme an europaweiten Demonstrationen untersagt oder sie werden wegen ihrer politischen Aktivität ins Gefängnis geworfen.
Internationale Solidarität ist auch heute nötig
In den letzten Jahren sind viele Mitglieder unserer Internationalen, des CWI, verfolgt und in Gefängnisse gesteckt worden, so in Nigeria, Israel und Kasachstan. Bekannteste Beispiele sind Clare Daly und der Parlamentsabgeordnete Joe Higgins unserer irischen Schwesterorganisation, die 2003 wegen der Teilnahme an Protesten gegen die Einführung einer Müllsteuer eingesperrt wurden. Auch Mitglieder der SAV wurden verhaftet oder mit Gefängnis bedroht, um sie unter anderem daran zu hindern, an den Demonstrationen in Göteborg und Genua teilzunehmen.
Die Repression wird mit der fortschreitenden Krise des Kapitalismus und des Entstehens einer Massenbewegung, die immer mehr die Grenzen des Systems in Frage stellt und den Ausweg in einer sozialistischen Gesellschaft sucht, auch in den sogenannten entwickelten Ländern Europas und Nordamerikas weiter zunehmen. Wer selber schon von Repression betroffen war wird wissen, wie wichtig gerade die internationale Solidarität ist. Wie es ist, wenn man allein im kasachischen Gefängnis einem Polizeiverhör ausgesetzt ist, wo einem offen Gewalt angedroht wird. Und wie es ist, wenn sich die Polizeibüttel auf einmal „freundlich“ zurückhalten, weil die Telefone heiß laufen und es aus vielen Ländern Proteste gegen die menschenunwürdige Behandlung der politischen Gefangenen hagelt. Oder wie es ist, wenn Menschen Solidarität üben, indem sie in Briefen politischen Gefangenen Mut machen und zeigen, dass sie nicht alleine sind. Clara Zetkin schrieb dazu einst: "Die wichtigste Unterstützung für die Gefangenen ist zweifellos die moralische. Sie müssen die Gewissheit haben, dass ihre Klassenbrüder sie nicht vergessen haben. Dieses Bewusstsein wird nicht nur ihr Schicksal erleichtern, sondern sie auch als ungebrochene revolutionäre Kämpfer in die Reihen der Revolution zurückführen.“
„Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker“ (Che Guevara)
Der 18. März als „Tag der politischen Gefangenen“ kann nur darauf aufmerksam machen, dass es weltweit viele politische Gefangene gibt, die unsere Unterstützung brauchen. Enorm wichtig ist die tägliche Solidaritätsarbeit. Beteiligt euch an den Kampagnen des CWI und der SAV für die Freiheit politischer Gefangener und den Aufrufen zur Solidarität mit linken und gewerkschaftlichen Aktivisten!
Aus Anlass des „Tages der politischen Gefangenen“ hier das bekannte deutsche Arbeiterlied „Solidaritätslied“, dass Bertolt Brecht (Text) und Hanns Eisler (Musik) 1931 für den Arbeiterfilm "Kuhle Wampe" von Slatan Dudow (uraufgeführt in Berlin) verfassten:
Solidaritätslied
Vorwärts und nicht vergessen,
worin unsere Stärke besteht!
Beim Hungern und beim Essen,
vorwärts und nie vergessen: die Solidarität!
Auf ihr Völker dieser Erde,
einigt euch in diesem Sinn,
daß sie jetzt die eure werde,
und die große Nährerin.
Vorwärts und nicht vergessen…
Schwarzer, Weißer, Brauner, Gelber!
Endet ihre Schlächterei!
Reden erst die Völker selber,
werden sie schnell einig sein.
Vorwärts und nicht vergessen…
Wollen wir es schnell erreichen,
brauchen wir noch dich und dich.
Wer im Stich läßt seinesgleichen,
läßt ja nur sich selbst im Stich.
Vorwärts und nicht vergessen…
Unsre Herrn, wer sie auch seien,
sehen unsre Zwietracht gern,
denn solang sie uns entzweien,
bleiben sie doch unsre Herrn.
Vorwärts und nicht vergessen…
Proletarier aller Länder,
einigt euch und ihr seid frei.
Eure großen Regimenter
brechen jede Tyrannei!
Vorwärts und nicht vergessen
und die Frage korekt gestellt
beim Hungern und beim Essen:
Wessen Morgen ist der Morgen?
Wessen Welt ist die Welt?