Trotz Überschneidungen mit letztem Band sehr empfehlenswert
von Nica Markin, Berlin 150 Plakate über die Zeitspanne von 1917, den Anfängen der Sowjetunion, bis Stalins Ära sind in dem Bildband dokumentiert. David King versammelt die berühmtesten und ausdrucksstarksten Plakate der Sowjetunion – spannend für Linke und KünstlerInnen und Interessierte. David King knüpft mit seinem neuen Bildband an seiner vorherigen Veröffentlichung “Roter Stern über Russland” (siehe alten Artikel) an. Diese Sammlung aus dem privaten Archiv des Londoner Designers und Fotohistorikers, der von 1965 bis 1975 Leiter des Kunstresorts bei der Sunday Times war, beeindruckte mit über 550 Fotografien, Bildern, Postkarten, Dokumenten und Plakaten und gibt einen ganz anderen Einblick in die Geschichte der ersten erfolgreichen sozialistischen Revolution der Menschheitsgeschichte. Aus der Sammlung lassen sich viele Lehren ziehen – Wie sahen die Sowjets aus? Welchen Einfluss kann eine Revolution auf die Kunst haben? Wie einflussreich ist Kunst in einer Gesellschaft, die eine grundlegende Umwälzung durchziehen muss? Wie gestaltete sich die Degeneration der Sowjetunion? … etc. Worin unterscheidet sich also das zweite Band und muss man es haben? Einige, vielleicht sogar die Hälfte der 150 Plakate erkennt man wieder – sie erschienen bereits im ersten Band. Nun könnte man sagen: Also ist es nur ein dünneres Exemplar des Ersten, nur ohne Fotos, Postkarten und Dokumenten. Eben nur Plakate. Wozu dann kaufen?
Der politische Wert
Die Einleitung dieser Sammlung versucht ein grobes Bild der politischen Lage der Zeitspanne zusammen zu fassen – immer im Verhältniss zur Kunst, konkret der Plakatkunst. Aspekte, die in den meisten Abhandlungen über die russische Revolution wenn überhaupt nur als Randnotiz erwähnt werden. Allein von 1918 bis 1921 arbeiteten über 200! PlakatkünstlerInnen und DesignerInnen, die sich mit sozialistischen Ideen identifizieren konnten, an einer Flut von Plakaten, die die russische Revolution verteidigen sollten und gleichzeitig die Errungenschaften einer solchen sozialen Umwälzung zum Ausdruck brachten. David King erzählt von den Umständen, unter denen die KünstlerInnen arbeiteten – Revolution, Bürgerkrieg, Armut und Hunger – und unter welchen Widrigkeiten die Plakate zu zehntausenden produziert wurden – Mangel an Papier und Druckerschwärze, enorme Konkurrenz mit anderen Parteien und politischen Ideen und das unbarmherzige Klima Russlands, der Hauptfeind für ein langes Leben eines Plakats.
Der künstlerische Wert
Die berühmtesten und einflussreichsten KünstlerInnen damals werden in kurzen Biographien vorgestellt – darunter Wjatscheslaw Polonski, Dimitri Moor, Viktor Nikolajewitsch Denisow oder Nina Watolina. Die Ausführungen helfen, die Plakate ins Verhältniss zu setzen und machen Lust auf eine detailierte Recherche über die KünstlerInnen. An den Werken und ihrer chronologischen Aufstellung kann man sehr gut den Wandel in der Sowjetunion erkennen – die Plakate bis Lenins Tod sind beeindruckend in ihrer handgemalten Detailiertheit, Vielfältigkeit und Ausdruckstärke. Bereits der Tod Lenins zeichnet den Beginn der Stalin Ära, der Zunahme von Fotomontagen mit unrealistischen Größenverhältnissen und des Personenkults – ein Kult, den Lenin zutiefst verabscheute. Aus den genannten Gründen ist das Buch absolut empfehlenswert – erst Recht für diejenigen, die den ersten Band bereits besitzen. Sowieso für alle, die interessiert sind an Kunst und Revolution.