Die Folgen des Hurrikans zeigen, wie die Behörden von Konzerninteressen dominiert werden
Der gigantische Hurrikan „Sandy“, der auch als „Frankenstorm“ firmiert, hat im Nordwesten der USA tausende Menschen ihrer Bleibe beraubt, Millionen von Menschen entkräftet und mehr als 70 Menschenleben gefordert. Schätzungen gehen bisher davon aus, dass die Schäden sich auf bis zu 50 Milliarden US-Dollar belaufen könnten, womit „Sandy“ die größten Schäden angerichtet hat, die es in der Geschichte der USA je gab.
von Pete Ikeler, „Socialist Alternative“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in den USA), New York
Während sowohl Obama als auch Romney jede Erwähnung des Phänomens Klimawandel im Wahlkampf vermeiden, betrachten Millionen von Menschen diesen Hurrikan als weitere ernste Warnung. Heftige und extreme Wetterphänomene nehmen zu. Und wenn wir uns nicht über den Widerstand der Konzerne hinwegsetzen, die sich beharrlich gegen einen Umbau des Energiesektors weigern, werden die arbeitenden Menschen einen immer höher werdenden Preis an Todesopfern und Zerstörung zahlen müssen.
Wie auch im Fall des Hurrikans „Katrina“ muss die Verantwortung für dieses Desaster ganz klar dem kapitalistischen System und dessen Politikern zugeschoben werden, die stets im Interesse der Konzerne handeln. Im Jahr 2005, als „Katrina“ die Wohnviertel der Arbeiterklasse in New Orleans verwüstete, wurde die empörend langsame Reaktion darauf richtiger Weise als Beleg für die völlige Inkompetenz des damaligen Präsidenten Bush gesehen. Hinzu kam, dass – wie es der Rapper Kanye West beschrieb, er (Bush) „sich nicht um Schwarze schert“.
Dieses Mal war Obama unter dem Druck des Kopf-an-Kopf-Rennen im Präsidentschaftswahlkampf um einiges schneller. Selbst der Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, ein berüchtigter Hardliner der „Republikaner“, dankte Obama für seine „hervorragende Leistung“ und „Unterstützung“. Dabei spiegelt ein ernsthafter und genauerer Blick auf die Leistungen der „Demokraten“ ein anderes Bild: In den letzten beiden Jahren hat der Kongress die Zuweisungen für die FEMA, die für den Katastrophenschutz zuständig ist, um 43 Prozent gekürzt („New York Times“, 27. August 2012). Gerechtfertigt wurde dies mit der von beiden Parteien getragenen Reduzierung der Bundesschulden. Beide Parteien wollen den Haushalt durch Kürzungen bei den grundlegenden Versorgungsleistungen wieder ins Gleichgewicht bringen. Dabei wurde das Defizit hauptsächlich durch die Kriege im Irak und in Afghanistan sowie die „Bankenrettungen“ der Wall Street und der Autokonzerne verursacht, was die SteuerzahlerInnen Billiarden kostet. Nur, um einen kleinen Geschmack davon zu geben, was das bedeutet: Einem lebenswichtigen Fonds wird Geld verweigert, dessen Aufgabe darin besteht, Menschenleben zu schützen und die Lebensbedingungen der arbeitenden Menschen wieder herzustellen, die diesen durch eine Naturkatastrophe oder eine Krise zerstört wurde. Und stattdessen wird genau dieses Geld den Chefetagen der Konzerne und militärischen Vertragspartner überreicht!
Kürzungen
Einige VertreterInnen der Linken werden einwenden, dass dies allein den „Republikanern“ zu zu schreiben ist. Richtig ist, dass die Haushaltsvorschläge von Romney und seinem Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten, Ryan, bedeuten würden, dass der FEMA 2013 bis zu 40 weitere Prozent genommen werden. Obama schlägt unterdessen vor, der FEMA weitere drei Prozent zu streichen (in Addition zu den enormen Kürzungen, die seit 2010 bereits durchgesetzt wurden). Das ist die Logik vom kleineren Übel. Manch andereR nennt es auch die Strategie vom „guten und vom bösen Bullen“. Die „Republikaner“ wollen außerordentliche Kürzungen bei der Daseinsvorsorge, und schon schlagen die „Demokraten“ geringere Kürzungen vor. Deshalb werden Letztere als die „fortschrittlicheren“ dargestellt. Dieselbe Logik wurde den arbeitenden Menschen auferlegt, als die von den Forderungen ihrer Wahlkampfspender aus der Versicherungsbranche geleiteten „Demokraten“ von den Plänen für eine in der Bevölkerung auf Zustimmung stoßende „Option für die öffentliche Daseinsvorsorge“ in Form einer neuen Gesundheitsgesetzgebung wieder abrückten und sich dabei hinter dem angeblich „unnachgiebigen“ Widerstand der „Republikaner“ versteckten.
In einer Epoche ansteigender Temperaturen und Meeresspiegel mit zunehmenden und heftigen Wetterkapriolen (dazu zählen auch eine Reihe der jüngsten Tornados unter anderem in New York!) sollte einer Organisation wie der FEMA keine Kürzung widerfahren, sondern stattdessen umfangreich ausgeweitet und viel besser ausgestattet werden!
Arbeitende Menschen sehen einer düsteren Zukunft mit unnötigen Katastrophen entgegen, die aus der kapitalistischen Abhängigkeit von Klima verändernden Fossilen Brennstoffen heraus entstehen,. Das bedroht unsere Sicherheit an Leib und Leben und unsere Lebensgrundlagen. Eine wirksame, mit Mitteln der öffentlichen Hand finanzierte und demokratisch kontrollierte Katastrophenschutz-Behörde ist das Mindeste, was wir brauchen. Abgesehen davon muss die marode Infrastruktur der besonders gefährdeten Küstenregionen erneuert werden, um einen derartigen Schaden und den Verlust von Menschenleben zu verhindern. Dieser Punkt wurde übrigens auch vom New Yorker Gouverneur Cuomo angebracht, wobei unwahrscheinlich ist, dass daran weiter gearbeitet wird.
In New York City erreicht der Mangel an Investitionen in die Infrastruktur der Stadt (Wasser- und Abwasserversorgung, Energiesektor, Massenverkehr, Straßen und Brücken) einen kritischen Punkt. Wie in New Orleans seit 2005 der Fall werden die Folgen dieses Investitionsmangels zu einem unverhältnismäßig hohen Anteil auf die Armen und die Arbeiterklasse der Stadt abgeladen.
KlimaforscherInnen haben nun schon seit Jahrzehnten Warnungen veröffentlicht, doch dieselbe, am Profit orientierte Politik, die unsere öffentliche Daseinsvorsorge aushungern und unsere Infrastruktur unterfinanziert lässt, steht dringend benötigten Investitionen in erneuerbare Energien im Wege. Echte, nachhaltige Investitionen in dem dafür nötigen Umfang können nur erreicht werden, wenn mit dem Kapitalismus gebrochen wird, dieses Wirtschaftssystem ersetzt wird durch demokratische Planung des Einsatzes der weltweiten Ressourcen und Technologien.
Kapitalistische Politiker – egal, ob „Republikaner“ oder „Demokraten“, haben bewiesen, dass sie vollkommen unfähig sind, dieses Probleme anzugehen. Aufgrund der Wahlkampffinanzierung sind sie den Banken und privaten Unternehmen vollkommen verhaftet, zu denen auch die Energiekonzerne zählen. Für deren Konzerninteressen sind sie die Sprachrohre.
Die Tageszeitung „New York Times“ gab vor kurzem eine Schätzung heraus, wonach der diesjährige Präsidentschaftswahlkampf die neue Rekordsumme von grob zwei Milliarden US-Dollar kosten wird. Diese Summe verteilt sich auf „Republikaner“ und „Demokraten“ und stammt in erster Linie von Konzernen, die als Spender auftreten. Die kapitalistischen Präsidentschaftskandidaten brauchen heute nahezu eine Milliarde US-Dollar, um überhaupt zur Wahl antreten zu können. Und das nur, um Programmen wie der FEMA Kürzungen aufzuerlegen, wenn sie einmal gewählt sind! Die Antwort auf diese quälende Logik darf nicht sein, „bei der Wahl die Nase zu zu halten“ und immer wieder die „Demokraten“ zu wählen, die ja auch für Kürzungen stehen. Stattdessen sollten wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um beide kapitalistischen Parteien herauszufordern. Das heißt, dass wir Massenproteste und direkte Aktionen organisieren und eine unabhängige Massenpartei gründen müssen, die gegen Kürzungen eintritt und die Diktatur der Wall Street und der Konzerne herausfordert.
Wir leben in einer Epoche des Katastrophen-Kapitalismus. Nach „Sandy“ wird es nur noch weiter dazu kommen, dass die Konzerne unsere staatlichen Institutionen dominieren. Man stelle sich nur die Auswirkungen vor, wenn wir arbeitenden Menschen unsere eigene Partei hätten, die dafür ins Rennen zöge, dem Ganzen eine finanziell ausreichend ausgestattete Antwort entgegen zu setzen. Darüber könnte eine Infrastruktur an Sicherheitsmaßnahmen geschaffen und dem katastrophalen Marsch des Kapitalismus in Richtung Klimawandel und gesellschaftlichem Kollaps, den dieser mit sich bringen wird, begegnet werden. Es kann nicht klarer gemacht werden als jetzt durch „Sandy“, wie dringend nötig es ist, dass wir damit anfangen, eine solche Bewegung zu organisieren.